Germanenherz aus dem Buch: Der Deutschenhaß, von Erwin Stransky .pdf.
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Vorwort
Ob dieses Buch den Weg in die allerbreiteste Öffentlichkeit finden wird, weiß ich nicht. Aber das weiß ich, daß es mir für den Augenblick kaum viele Freunde werben dürfte. Getreu meinem vor Jahresfrist in einem von mir mitherausgegebenen Facharchive entwickelten Programm einer „angewandten”, d. h. auf die Erscheinungen des praktischen, individuellen und sozialen Menschenlebens eingestellten Psychiatrie will ich hier den Versuch wagen, jenes Phänomen, dessen Furchtbarkeit so schwer auf uns allen lastet, das Phänomen des Weltenhasses gegen das Deutschtum, vom Gesichtspunkte nicht etwa der Psychopathologie um ihrer selbst willen, wohl aber psycho-pathologisch geschulter und geschärfter psychologischer Erfahrung und Erkenntnis zu untersuchen. Indes wäre, mag auch der Schwerpunkt im Seelenkundlichen liegen, jede einzig und allein darauf eingestellte Betrachtung notwendigerweise gänzlich einseitig geblieben, sind doch der Quellen, daraus der Deutschenhaß immerzu unerschöpflich gespeist wird, so sehr zahlreiche, daß es nicht ausreichte, eine derselben bloßzulegen. Freilich, sieht man näher zu, dann kommt man darauf, daß letzten Endes alle die Quellwässer irgendwie mit dem unterirdischen Röhrensystem seelischer Regungen, oft unterbewußter Regungen korrespondieren. Und gerade diese Grenzbeziehungen weisen dem Psychiater, der, den Blick auf des praktischen Lebens Belange gerichtet, sich von dem Fehler freihält, sie einseitig pathologisch zu werten, die Aufgabe, sich an die Lösung dieses Fragenkomplexes heranzumachen, die hinwiederum ohne Kenntnis solcher Elemente, die nur dem Psychiater vertraut sind, kaum möglich erscheint.
Wird schon diese Feststellung nicht allenthalben ohne Widerspruch hingenommen werden, so ist der meritorische Inhalt dieses Buches ganz gewiß von einer Beschaffenheit, daß man von mir alsbald wird sagen können, ich hätte es „niemandem recht gemacht”. Mein Leitstern war vor allem, auszusprechen, was meiner innersten Überzeugung nach ist, wie es einem Arbeiter im Reiche wissenschaftlicher Erkenntnis vor allem geziemt; aber ich würde diesem Leitstern nicht in solchem Maße gefolgt sein, wenn mich nicht das Gefühl beherrschte, daß, was ich geschrieben, auch zu Nutz und Frommen des deutschen Volkes sei, des Volkes, dem ich zwar nicht durch mein Blut, umso t inniger aber mit allen Fasern meines Herzens und mit allen lebendigen Sinnen zugehöre, heute, wenn da überhaupt eine Steigerung noch möglich wäre, inniger, denn je. Gerade aber, weil dem so ist, schien es mir bitter schwere Pflicht, eindringlicher, denn vor Jahren schon in früheren1), hiezu Gelegenheit bietenden Abhandlungen auf manche schwere Mängel hinzuweisen, die der deutschen Außenseele anhaften, Mängel, die das lautere Edelmetall der deutschen Innenseele arg verunzieren. Gerade aber, weil es nur Mängel der Außenseele sind, glaube ich fest daran, daß sie zu tilgen sein werden, sofern man nur den Mut hat, beherzt zuzupacken. Zuvörderst aber galt es, sie als solche aufzuzeigen, und umso dringender mußte dies geschehen, als diese Mängel und mannigfach darin wurzelnde Strebungen mit die schwerwiegendsten Grundursachen unseres Unglücks geworden sind.
Die vielen aber von rechts wie von links, welche in diesen Mängeln Vorzüge des deutschen Wesens, in diesen Strebungen Belange deutscher Weltgeltung erblicken möchten, werden Zeter und Mordio schreien und mich bitter schelten. Nicht geringer freilich wird der Furor jener Leser dieses Buches sein, die im Lager der offenen und geheimen Feinde des deutschen Volkes stehen, denn denen bleibe ich schon gar nichts schuldig. Ich glaube allerdings kaum, daß gerade dieses Buch den Bann des Totschweigens brechen wird, den unsere Feinde über alle deutsche Geistesarbeit zu verhängen gesonnen sind; doch wenn es ihn brechen sollte, wird die Reaktion schwerlich etwas anderes als ein Wutgeheul sein, wo nicht gar noch Schlimmeres; immerhin, in angelsächsischen Landen und vielleicht sogar bei unseren italienischen Nachbarn mag es vielleicht den einen und den anderen geben, der, wenn er dies Buch gelesen haben wird, ein wenig nachdenklich werden dürfte; vielleicht sogar, daß manoher Franzose und mancher Slawe sachlich genug denken wird, um Hohn und Zorn zu zügeln und zu prüfen, ehe er sich zum Anathem hinreißen läßt; so bitter die Gefühle in jeder deutschen Brust gerade gegen diese Nachbarvölker sind und sein müssen, so redlich war ich bemüht, auch ihnen gerecht zu werden, soweit das Thema dieser Arbeit dazu Gelegenheit bot.
Am Ende noch eines: selber ein deutscher Hochschullehrer und stolz darauf, ein solcher zu sein, bin ich gerade bezüglich der Schulmeisterei und Musterschülerei als eines seelischen Momentes im deutschen Volkscharakter zu recht traurigen Feststellungen gelangt. Leicht möglich, daß mir auch und gerade dieses übel vermerkt werden wird; ich tröste mich damit, daß Tieferblickende klar die Grenzen erkennen werden, innerhalb welcher ich den Segen deutschen Schulmeisterwirkens erkenne und ausdrücklich anerkenne. Die Grenzen: denn darauf eben kommt es an! In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister ….
Den Ertrag dieses Buches möchte ich am liebsten einer „Gesellschaft zum Abbaue des Deutschenhasses” widmen, sollte sich eine solche innerhalb von sechs Monaten nach seinem Erscheinen irgendwo bilden und es mir bekannt werden. Andernfalls wird er unmittelbar Zwecken unseres nationalen Wiederaufbaues zugeführt.
Wien, im Juni 1919.
Erwin Stransky.
Zur Einleitung
Der kategorische Imperativ unerschütterlicher Pflichterfüllung, der eines nur kennt: der Wahrheitserforschung zu dienen, war, ist und bleibt der Grundsatz deutscher Wissenschaft und ihrer Männer auch in dieser bitteren Leidenszeit des deutschen Volkes; mag unser Herz zusammenkrampfen ob der grausamen Prüfung, die das Schicksal unserem über alles teuren Vaterlande, unserem über alles geliebten Volke nun aufs neue wie so oft schon in den zwei Jahrtausenden seines geschichtlichen Seins auferlegt hat, unser Sinn steht aufrecht in der Zeiten Not, unser Blick bleibt unbeirrt zugewendet dem Leitstern, dem unsere Edelsten und Besten gefolgt sind: der Erkenntnis! In ihr wollen wir Trost suchen in unserem Unglück, aus ihr Hoffnung schöpfen auf eine dereinst bessere Zukunft.
Im Angesichte der Scherben und Trümmer unseres Glücks drängt sich uns allen die Frage auf: wie konnte es so kommen? Eine Frage, die gebieterisch nach einer Antwort heischt! Mag man nun aber dies Problem anfassen, wie und wo man will, immer wieder wächst zu grauenhafter Riesengröße vor unseren forschenden Blicken ein Gespenst, jedem Versuche kühler Abwägung der Tatsachen*den Weg sperrend: es ist der Weltenhaß gegen das Deutschtum.
Drum gilt es zuerst an das Problem heranzutreten, das unserer Zeiten Sphinx quer über den Weg zur Lösung des tragischen Rätsels gelegt hat: an das Problem des Deutschenhasses. Seiner Lösung näherzukommen, ist Sinn und Zweck dieses Buches.
Soll nun aber diese Aufgabe erfüllt werden, dann wird es sich als notwendig erweisen, die Arbeit auf mehrfacher Grundlage in Angriff zu nehmen; nicht also nur einer Seite des Fragenknäuels sein Augenmerk zuzuwenden; denn ein Knäuel ist es in Wahrheit, kein einfaches Ding, und die Wurzeln seines Filzwerkes greifen tief, greifen aber auch sehr weit voneinander aus. Darum gilt es, die Entwirrung von verschiedenen Seiten her zu versuchen.
Die geographischen Gründe des Deutschenhasses
Von Völkern gilt wie von den Einzelnmenschen, daß die Verhältniszahl der Sympathien und Antipathien, die sie bei der Umwelt genießen, vor allen Dingen abhängt von der Ausdehnung der Reibungsgrenzen zwischen ihrem eigenen und dem Interessenkreise der anderen. Umfang und Gestaltung dieser Grenzen sind aber zunächst abhängig von den geographischen Grenzbeziehungen eines Volkes zu den anderen Nationen.
Wenn von den großen Völkern Europas Franzosen und Italiener verhältnismäßig wenig mit „Erbfeindschaften” belastet sind, ja wenn sie — von einzelnen, am Ende niemals restlos vermeidbaren politischen und wirtschaftlichen Gegensätzlichkeiten abgesehen — sogar ein gewisses Erbkapital allgemeiner Beliebtheit ihr Eigen nennen dürfen: dann danken sie dies vor allem der glücklichen natürlichen Begrenzung ihrer Siedlungsgebiete. Italiens Landgrenzen, ohnehin verhältnismäßig wenig ausgedehnt, sind gegen Westen und Norden hin natürliche, und nur auf kleiner Strecke gibt es kritischere Berührungszonen mit Deutschen und mit Südslawen und auch da, außer im Etschtale, fast nur mit vorgeschobenen Außensiedlern dieser Völker; auch Frankreich erfreut sich einer schützenden natürlichen Umwallung des größten Teiles seiner Landgrenzen, und wäre nicht sein historischer Drang zum Rhein, es gäbe so wenig eine deutsch-französische „Erbfeindschaft” wie es eine französisch-spanische oder französisch-italienische gibt; freilich, Alpen und Pyrenäen sind höher und sind schwerer passierbar als die Vogesen.
Umgekehrt ist Deutschlands Geburtsfehler, der jeder Verbesserung spottet, eine geographische Lage, deren Umrisse, abgesehen von der Ungunst der Mittelstellung an und für sich, wohl die denkbar unglücklichsten sind^, die je einem großen Volke von Natur aus zuteil wurden.
Zunächst ist im Verhältnisse zum Gesamtumfange der Grenze die Küstenentwicklüng Deutschlands eine Verhältnismäßig bescheidene; dazu sind es ausschließlich flache Binnenmeerküsten, über die Deutschland verfügt, so daß sie im Grande keine Gewähr bieten gegen die fast unmittelbare Berührung mit anderen Anwohnern dieser Meere. Die Landgrenzen des deutschen Siedlungsgebietes aber sind fast nirgendwo natürlich gegebene; bloß auf einem schmalen Striche im Südwesten würden die Vogesen den Ansatz zu solch einer natürlichen Grenze dar-stellen, sofern ein grausames geschichtliches Geschick es gerade eben nicht wieder anders gefügt hätte . . . Ganz besonders unglückselig aber muß die Gestaltung der Ostgrenze des deutschen Landes genannt werden: mehr als das, man muß da schon von einer geradezu abenteuerlichen Üiimöglichkeit ihres Verlaufes sprechen! Vom Kurischen Haff im Norden bis zum Eintritte der Drau ins Südslawenroich zieht sich die Sprachgrenze, nirgends durch höhere Bergzüge oder größere Flußläufe bezeichnet. überdies in den unglaublichsten Mäanderwindungen bald weit nach Osten ausspringend, wie in Ostpreußen, Oberschlesien und in dem an Niederösterreich grenzenden, in die ungarische Tiefebene sich verlierenden Heinzenlande, bald wieder ungeheuer weit nach Westen sich zurückziehend, wie im Posenschen, wo sie der deutschen Reichshauptstadt bedrohlich nahekommt, in Böhmen, wo sie fast an den Herzpunkt des gesamten deutschen Siedlungsbereiches zurückverlegt ist, und zuletzt noch im Süden, wo sie bis an die deutsch-italienische Sprachgrenze einspringt. Wir sehen hier ein Sichverfilzon, Sichverzahnen, Sichverbeißen des deutschen Volkes mit sechs anderen Völkern, wie es seinesgleichen sonst nirgends in der Welt hat, so daß man sagen darf, es müsse schon das rein natürliche Wachstum des deutschen Volkes auf der einen und jedes dieser sechs östlichen Grenzvölker auf der anderen Seite notwendigerweise zu Reibungen mit ihnen führen.
Bringt also schon die Mittellage des deutschen Volkes in Europa und die geradezu einzig schlechte und uugünstige Gestaltung seiner Grenzen, bringt die durch alles das bediugte besonders große Zahl und besondere Lagerung seiner Nachbarvölker es mit sich, daß dom deutschen Volke schon aus der schlichten Tatsache seines bloßen Seins und natürlichen Wachsens Reibungen und damit Gegnerschaften erwachsen müssen: so wurde und wird nun zu alledem noch dieses Mißgeschick beträchtlich erhöht durch die aus der uralten germanischen Wanderlust geborene Noigung des deutschen Volkes, in aller Welt, weitab vom heimatlichen Mutterboden, Pflanzstätten deutschen Volkstums zu gründen oder sich von eigenen und fremden Machthabern in deren Interesse zur Gründung solcher verlocken zu lassen; ungezählte davon sind im fremdvölkischen Meere versunken, und gleichwohl sind so viele geblieben, daß man sagen kann, es gäbe außer Griechen und Juden kein Volk auf dieser Welt, das solch eine Diaspora sein Eigen nennen könnte, wie eben gerade das deutsche, keines, das solch einen Archipel von Sprachinseln aus eigenem Blute über die ganze Welt hin verstreut hätte. Was Wunder aber, wenn auch daraus dem Deutschtum ungezählte Weiterungen und wenn ihm darob weit über das natürliche Maß hinaus Gegnerschaften erwachsen sind! Gegnerschaften, die freilich dank der deutschen Art, die so besonders ist im Guten wie im Schlimmen, zu oft nur zu furchtbarer Bitterkeit sich auftürmten! Fast wird man auch in dem Belange erinnert an das Schicksal der Griechen und der Juden, deuen kaum irgendwo Liebe blüht im Kreise der anderen Nationen dieser Erde; mag auch die Seele jener Völker sonst in anderen Rhythmen schwingen als die deutsche.
Vergessen wir schließlich auch nicht der Fruchtbarkeit und des Bodenreichtums gerade gewisser Grenzgebiete deutscher Siedlung, daran sich Neid und Begehrlichkeit der Nachbarn entzündeten: Wein, Kali, Kohle, Erze im Rheinland und in Elsaß-Lothringen; Holz in Südtirol; Mineralschätze und anderer Bodenreichtum in Südkärnten, Südsteiermark, im Heinzenlande, in Deutschböhmen und im ganzen deutschen Ost- und Nordostgebiete; der Ausmündung der wichtigsten Ströme Europas gerade im Bereiche der an und für sich an Binnenmeeren sich erstreckenden deutschen Küsten; des Industrie- und Gewerbs-reichtums vieler der Grenzgebiete (Rheinlande, Elsaß-Lothringen, Deutschböhmen, Oberschlesien); endlich und nicht zuletzt ihrer vielbesungenen Schönheit, es seien nun die Alpen oder die Waterkant, die Rheingefilde oder die Waldeinsamkeiten des Ostens.
So bedingt also schon die Lage seiner Wohnsitze und die Beschaffenheit ihrer Grenzen, daß das deutsche Volk ein Schicksal zu tragen hat wie kein anderes großes Volk auf dieser Welt, daß schon sein bloßes Sein anderen Völkern zum mindesten Unbequemlichkeit bereitet. Fast möchte man’s ein Wunder nennen, daß gleichwohl unserem Volke eine Gegenwart und eine Zukunft beschieden ist! Und doch ist es kein Wunder, lebt doch im Instinkte selbst unserer bittersten Feinde das Bewußtsein von der Unzerstörbarkeit nicht nur, nein auch von der Unersetzbarkeit des deutschen Volkes für die ganze Menschheit!
Ethnographisch-anthropologische und kulturelle Beweggründe im Deutschenhaß
Wenn die zentrale und dabei noch darüber hinaus so außerordentlich ungünstige, unausgesetzte Reibung nährende Siedlungslage des deutschen Volkes sozusagen „den Urgrund dafür abgibt, daß sein natürliches Sein und Wachstum ihm Widerstände an allen Ecken und Enden fühlbar werden lassen muß, und wenn, wie wir gesehen haben, zu alledem gerade der Anblick der blühenden deutschen Grenzlande wie geschaffen ist, den Nachbarn „lange Augen” zu machen, wenn dergestalt‘ ihre uns ungünstige gegnerische Grundstimmung jeden Tag, jede Stunde aufs neue und durch neuen Brennstoff angefacht wird in einem Maße und in einer Vielfältigkeit, darunter sonst keine Nation zu leiden hat: so war und ist es erst recht die Eigenart des anthropologischen und ethnographischen Aufbaues der deutschen Nation und ihrer aufs Innigste darin wurzelnden besonderen Kultur, die — in tragischem Gegensätze und Mißverhältnisse zu ihrem unvergleichlichen Edelgehalte und zu ihrem unvergänglichen Menschheitswerte — die Ungunst der Nachbarn und in weiterer Folge der öffentlichen Weltmeinung überhaupt aufreizen und in die Höhe wachsen lassen mußte.
Zwei Tatsachen kennzeichnen die anthropologische Struktur der deutschen Nation: erstlich die übrigens zweifellos an sich schon auf eine primitive, unterworfene Urrasse aufgepfropfte nordisch-germanische Grundlage, zweitens aber die zum Teil außerordentlich starke Kreuzung mit andersartigem Blute, und zwar gerade an den Grenzen deutscher Siedlung mit jenem der Nachbarvölker bis zu einem Grade, daß vielfach in der Tat von einer Aufsaugung (Germanisation) breiterer Schichten derselben gesprochen werden darf. So ist im ganzen Osten auf breite Landgebiete hin slawisches Blut in reichlichen Mengen aufgenommen worden, indes in Süd und West der keltische Einschlag ebenso unverkennbar sich kundtut, da wie dort die Nachbarschaftsbeziehungen verratend.
Nun sind ja freilich die Nationen der Gegenwart, und in erster Reihe die großen, samt und sonders Mischvölker. Allein die Mischung ist dort — kleinere Einschlußgebiete vielleicht ausgenommen — doch entweder eine das Volksganze durchdringende, nach geographischer Lageverschiedenheit kaum unterschiedene gleichmäßige Legierung, wie im eigentlichen England, oder aber es besteht doch keine so sehr eindeutige rassenmäßige Konvergenz der Einzelstämme zu den jeweiligen Grenznachbarn; so ist im italienischen Norden neben dem germanischen auch der keltische Einschlag so sehr mächtig, daß von dem ersteren heute kaum Spuren zu merken sind, während er anderseits auch in der Mitte und selbst im Rassenchaos des Südens nicht fehlt; ähnlich in Frankreich: dort ist nur im äußersten Norden auf eine schmale Strecke hin die Rasse die nämliche wie im benachbarten belgischen Flandern; sonst aber tritt der germanische Einschlag, der im französischen Volke sicherlich vorhanden ist, gerade im Norden Frankreichs, dort, wo die Grenze gegen deutsches Land läuft, vielleicht eher weniger zutage als in manchen Gegenden des Westens und des provenzalischen Südens. Anderseits stößt wiederum der Deutsche des Ostens, während er selber gerade dort slawisch gemischtes Blut in sich hat, unmittelbar meist auf reine Slawen oder Ungarn; denn wenn auch zumal Tschechen und Madjaren mit Strömen deutschen Blutes ihren Volkskörper genährt haben, so liegen doch die Gebiete, wo diese Mischung stärker hindurchschlägt, meist weiterab gerade von der Sprachgrenze, was wohl wieder eben daher kommt, daß das deutsche Blut von je weithin und wahllos über fremde Lande sich zu verspritzen die Neigung hatte und namentlich in größeren Städten sich verdichtete, wo es, fern von der Grenze geschlossenen deutschen Siedlungslandes, in fremder Umgebung unfehlbar der Aufsaugung und Einschmelzung verfallen war, dem eigenen Volke aber verloren ging.
Es kommt dazu, daß von je Angleichung und Angleichung zweierlei waren, je nachdem, ob der Deutsche fremdes oder ob der Fremde deutsches Blut in seinen Kreislauf aufnahm; stets fast ließ fremdes Blut im deutschen Körper, in der deutschen Seele, seltener aber, weit seltener deutsches Blut in Leib und Seele fremden Volkes dauerndes Zeugnis zurück! Sicherlich, zu einem großen Teile sind die Ursachen körperlicher, physiologischer Natur, sie liegen wohl an der geringeren Vitalität und Durchschlagskraft nordisch-germanischer Keimanlage gegenüber jeder anderen, wie sie von Gobineau an fast alle Rassenbiologen verzeichnet haben; zu einem anderen, nicht ganz geringen Teile aber liegen die Ursachen in psychologischen Eigenheiten der deutschen Seele, in der verhängnisvollen Neigung des deutschen Menschen zur „Eigenidolatrie”, davon wir noch an späterer Stelle sprechen werden; einer Neigung, die ihn nur zu oft vom eigenen Volkstum abtrünnig werden läßt.
Diese Tatsachen wirkten aus zwei ganz verschiedenen Gründen nachteilig auf die Gefühlsrichtung der Nachbarvölker gegenüber dem deutschen Volke ein: ob ihrer Ursachen und ob ihrer Folgen.
Daß sie ihrer Ursachen wegen so wirken mußten, ist gewiß nicht unverständlich. Die Aufsaugung großer Massen slawischen Blutes leitet sich her von dem für die Vorfahren des heutigen Deutschland erfolgreich ausgegangenen, bald friedlichen, bald blutigen jahrhundertelangen Ringen um den schon einstmals germanisch gewesenen, dann aber für lange Zeit an die Slawen verloren gegangenen und mühsam erst wieder eingedeutschten Osten unseres großen Vaterlandes. Hätte sich diese Eindeutschung geradlinig, konzentrisch und kontinuierlich entwickelt, sie hätte eine wesentliche „Frontverkürzung” der deutschen Volksgrenzen im Osten bewirkt! Allein, die geschichtliche Entwicklung im Verein mit gewissen psychologischen Momenten — wir werden davon ja noch sprechen — hat es mit sich gebracht, daß, abgesehen von dem kleinen, nicht in die Wagschale fallenden wendischen Binnensee in der Lausitz, drei große Buchten dieses frühmittelalterlichen slawischen Meeres bis in die Gegenwart stehen blieben und nicht wieder ein-gepoldert werden konnten: die nordwestpolnische, die tschecho-slawische und die slowenische. In diesen drei Völkern lebt daher, teils bewußt, teils in unterbewußten seelischen Engrammen die Erinnerung an die einstige vielhundertjährige Kampfzeit zwischen Deutschen und Slawen nach und empfängt durch die steten Reibungen an den Sprachgrenzen täglich neue Nahrung, wächst zur nie auslöschlichen Erbfeindschaft. Und in der Tat, zu welcher Wucht die Brandung des Deutschenhasses gerade in diesen einstmals fast versandet erschienenen Meeresarmen sich zu erheben vermocht hat, haben uns die letzten Jahrzehnte deutschen Lebens mit erschreckender Deutlichkeit dargetan! Woge auf Woge donnerte gegen das Ufer deutschen Kulturbesitzes, seine Ränder Stunde um Stunde aufs schwerste gefährdend, ja bald hier, bald dort unter sich begrabend . . . Aber es waren halb bewußte, halb unterbewußte geschichtliche Erinnerungen, aus denen diese slawische Verschlingungswut einen Titel moralischer Rechtfertigung für dieses ibr zerstörendes Wirken herleiten mochte, einen klingenden, dem Ohre der demokratischen Welt volltönenden Titel, den Titel der „Desannexion”; freilich mag geradeso auch die Springflut „desannektieren”, wenn sie mühsam gewonnenes und kultiviertes Deich- und Marschland unter sich begräbt; war’s doch einstmals dem Meere abgerungen worden . . . Aber selbst im Westen und im Süden war zu Ausgang des Altertums und im Beginne des Mittelalters einstmals rätischer oder keltischer, teilweise latinisierter Boden deutschem Wesen gewonnen worden; auch davon lebt manche Erinnerung bei unseren westlichen und südlichen Nachbarn. Noch wesentlicher jedoch ist in diesen Belangen, daß eine lange Gemeinschaft der Geschichte Deutschlands, Italiens und Frankreichs während der Frühzeit des Mittelalters, der nachher erst, hier früher, dort später die politische Trennung nachgefolgt ist, ein vielfaches Hin- und Herfließen der nationalen wie der staatlichen Grenzen mit sich gebracht hat, davon sich immer neue Streitigkeiten nährten; zumal zwischen Deutschen und Franzosen, einst Brudervölkern unter dem Zepter des germanischen Heerkönigs Karls des Großen, war solchen Streites seit Jahrhunderten kein Ende, und es bildeten sich infolge des ewigen Hin und Her, von Flandern bis an die Schweizer Grenze, ganze Lande einer Mittel- und Doppelkultur, deren zwiespältige Zwitterhaftigkeit dem Hader bis heutigentags stets neuen Anreiz lieferte.
Nicht minder aber mußten die Folgen dieser so gekennzeichneten Verteilung der Blutmischung „innerhalb des deutschen Volkskörpers dazu führen, die Reibungen und damit die Abneigungen gegen das deutsche Volk bei den Nachbarn zu verstärken. Gewiß ist es nicht bloß ein Nachteil, sondern im höheren Sinne sogar eher ein Vorzug deutschen Wesens, daß das lautere, aber zu weiche und darum nicht prägbare nordische Edelmetall mit anderen, ihm nicht allzuferne stehenden Rassenelementen zu einer glücklichen Legierung verschmolzen ist, der es — vielleicht auch anthropologisch — eine erhöhte Lebens- und Widerstandskraft im Kampfe der Keimanlagen verdankt. Allein aus dem Gesichtswinkel der Grenzbeziehnngen zu den Nachbarvölkern brachte die geographische Verteilung der Mischungen eben ihre besonderen Gefahren. Wäre etwa der Osten keltisch, der Westen oder die Mitte slawisch durchmischt, würden also -weder Keltoromanen noch Slawen in den ihnen zugewendeten Randländern deutscher Siedlung verwandte Züge entdecken können, ihre Begehrlichkeit würde angesichts des Fehlens solcher Spuren minder lebendig sein, zöge nicht tagtäglich aus den Eindrücken aller Sinne neue Nahrung. Wie aber die Dinge einmal liegen, brachte und bringt es die Einschmelzung größerer Massen solchen Blutes, das den Nachbarn verwandt war, gerade an deren Grenzen mit sich, daß der Kelte, wenn er von Westen, wie der Slawe, wenn er von Osten her deutschen Boden betritt, auf Schritt und Tritt Ähnlichkeiten entdeckt: nicht nur Orts- und Flurnamen, nein, auch die Menschen und ihr Schlag, ihre Trachten und ihre Sitten, vielfach selbst Anklänge der Sprache und der Sprechmelodie erinnern ihn an die Spuren eigenen Blutes, die im deutschen Volkskörper kreisen. Und so kommt es, zumal dank dem frischfröhlichen Chauvinismus gerade unserer kelto-romanischen und slawischen Nachbarn, der uns später noch beschäftigen wird, daß der Gedanke an die ganze Art der ihnen zugewendeten Grenzgebiete deutscher Siedlung in ihnen nur zu leicht Revindikationsgelüste aufflammen läßt, die sich in vielen Köpfen, Jahrhunderte, ja ein Jahrtausend der Geschichte und Kulturgeschichte in tollen Kapriolen überschlagend, zur überwertigen Idee, zum Desannexionswahnsinn verdichten. Beispiele bietet uns die bittere Gegenwart in Fülle: den Ansprüchen der Franzosen auf das linke Rheinufer sekundiert das polnische Begehren nach Danzig, Bromberg und Oberschlesien, das tschechische nach Deutschböhmen, dem Sudetenlande und der Lausitz, das südslawische nach der Untersteiermark und Südkärnten, das italienische nach unserem Südtirol. Wie aber der Verfolgungswahnsinnige zum Verfolger derjenigen wird, die ihm im Namen der Vernunft sinnlose und ungerechte Übergriffe wehren — gerade die französische Psychiatrie spricht ja recht treffend von der Figur des „persecute persecuteur” —, so entfacht es nur die Wut unserer Anrainer, wenn wir jahrtausendealtes, in harter Arbeit unserer Kultur erschlossenes und gewonnenes Land, wenn wir Millionen, seit Jahrtausendfrist trotz fremden Bluteinschlages zu uns gehörender, mit uns fühlender Volksgenossen ihren überwertigen Ideen nicht zum Opfer bringen wollen; ohne aber daß die meisten von ihnen ahnten, welches Unrecht sie damit uns antun! Cet animal est tres mechant, quand on l’attaque, il se defend … So klingt es wohl im tiefsten Innern unserer zahlreichen Grenznachbarn! Eine neue Quelle ihres Hasses gegen uns ist hiemit aufgeschlossen!
War es nun auf der einen Seite die Rassenmischung in ihrer Eigenart, die zu einer der Quellen des dem deutschen Volke entgegenschlagenden Hasses ward: so lieferte ihm hinwiederum die nordisch-germanische Grundlage der anthropologischen Zusammensetzung ihrerseits nicht weniger an bestimmten Elementen! Wo immer nämlich die germanische Rasse in der Geschichte auftritt, allenthalben ist es als Herren- und Erobererrasse; Normannen, Waräger, Angelsachsen, Deutsche, überall ist es das gleiche! Herrenmenschen, Herrenrassen werden aber, ihrem inneren Edelgehalte in menschlichen und kulturschöpferischen Belangen zu Trotz, nirgends und niemals geliebt, nur gefürchtet werden sie, solange sie Furcht einflößen! Wo aber der bleiernen Furcht sich auch nur eine leise Spur von Hoffnung beimengt, es könnte je gelingen, von der Herrenfaust sich zu lösen, dort wandelt sie sich zu loderndem Haß gegen den „Unterdrücker”! Und nun bedenke man, wie — zum Unterschiede von seinen angelsächsischen Vettern — infolge aller der aus seiner Lage Ungunst sich ergebenden zahlreichen Reibungen, denen er von je ausgesetzt war und ist, und infolge seiner unglückseligen Geschichte, die wir noch würdigen werden, gerade der Deutsche selbst stets erneut die Hoffnung, seine Überlegenheit zuschanden werden zu sehen, bei den Nachbarn anreizen mußte! Nimmt man hinzu, daß manche Züge seiner „Herrennatur” diese Nachbarn zuweilen auch unnötig herausgefordert und deren Rachegfühl geradezu aufgepeitscht haben, so wird man unschwer erkennen, wie da ein Vorzug des Wesens wieder zum Verhängnis werden mußte.
Die ethnographischen Eigentümlichkeiten des deutschen Volkes waren nun aber über diese bisher gewürdigten Momente hinaus noch aus gewichtigen Gründen anderer Art nur zu sehr geeignet, die Gefühlseinstellung der Nachbarn und in weiterer Folge der ganzen Welt letzten Endes in der Richtung des Hasses konvergieren zu lassen. Schon in der germanischen Art als solcher liegt eine starke Neigung zum Individualismus begründet, wie männiglich bekannt; wir werden auf dieses Thema noch zurückkommen müssen. Hier zunächst soviel, daß jenem nicht zuletzt die in manchen Zeiten deutscher Geschichtsentwicklung fast beängstigende Zersplitterung und Uneinigkeit der Nation zu danken ist. Nun, dies ist schließlich etwas allgemein Germanisches und hat auch unter anderen germanischen Völkern zuweilen ganz ähnliche Erscheinungen gezeitigt. Allein, beim deutschen Volke hat die Eigenart der Rassenmischung die Auswirkungen des Individualismus noch darüber hinaus geradezu verstärkt: zu den rein germanischen Stammeseigentümlichkeiten kommen nämlich nun noch, nicht ausgleichend, sondern, da untereinander verschiedenen Einschlägen entsprechend, die Unterschiede noch verstärkend die fremden Blutzuflüsse und die darum nicht bloß dialektischen Stammesunterschiede unter den Deutschen. Rathenau hat mit Recht — wenn auch vielleicht dem Maße nach fehlgreifend — einem ähnlichen Gedanken Ausdruck geliehen, hat davon gesprochen, wie im deutschen Volke von heute Elemente fremdartiger seelischer Herkunft mit jenen der germanischen Grundanlag.e sonderbar sich gemengt hätten, zu ganz bestimmten, scharf gekennzeichneten, seelischen Strebungsrichtungen ; und diese resultierenden Strebungsrichtungen sind naturgemäß im einzelnen verschieden, sind etwas andere im keltisch gemengten Westen denn im Südosten, wo einiges südslawische Blut im deutschen Volkskörper kreist, im Südwesten, wo rätische und alpine Rasseneinschläge nicht zu verkennen sind, im Nordosten, wo der nordslawische und litauische Blutzufluß starke Spuren hinterlassen hat, und schließlich in der Mitte und im Nordwesten, wo das germanische Blut sich am reinsten erhielt. So kam es zu mundartlichen Verschiedenheiten, aber auch zu Verschiedenheiten in Sitte und Brauch, zu Verschiedenheiten in der gesellschaftlichen und staatlichen Fühlsund Denkweise — letztere sicherlich zum nicht geringen Teile anthropologisch begründet —, wie in solcher Mannigfaltigkeit bei keinem anderen Volke, welches dennoch, wie das deutsche, der Wesenheit nach ein einiges, einheitliches, untrennbares, gemeinsam fühlendes Volk geblieben ist. Alle diese Umstände, verstärkt freilich noch durch andere, später zu würdigende Momente, haben in der Geschichte des deutschen Volkes ihren Niederschlag zurückgelassen. An dieser Stelle aber muß vor allen Dingen darauf hingewiesen werden, wie sehr gerade eben diese Zersplitterung und Zerklüftung und überreiche Gliederung des deutschen Volkes seine Nachbarn immer wieder dazu verleiten mußte, an seiner völkischen Einheit zu zweifeln, seine Uneinigkeit aber, von Cäsar bis auf Clemenceau, in ihre Berechnungen einzubeziehen; wie sehr jedoch diese Hoffnungen, allem oft gleißenden Schein zu Trotz, letzten Endes immer wieder im entscheidenden Momente an dem Felsen deutscher Einheit Schiffbruch litten. Eben aber diese stets von neuem sich wiederholende Enttäuschung seiner Feinde wurde gerade infolge der Umstände, die dazu führten, zu einer neuen Quelle bitteren Zornes und Hasses gegen das deutsche Volk. Wäre es stets und bis ins kleinste national einig gewesen, hätte • es einen ernstlichen Partikularismus nie in sich aufkommen lassen, es stünde geachteter und beliebter da im Kreise der Völker!
Aber weiter! Die ethnographische Eigenart des deutschen Volkes hat auch in dem Gebiete der Alltagspsychologie unzweifelhaft ihre Züge eingezeichnet; und diese Züge wurden auch ihrerseits zu Quellen des Deutschenhasses. Wir werden allerdings auf diese Dinge noch später und gerade an späterer Stelle besonders eingehen; allein zum Teil gehört ihre Erörterung doch schon hieher, denn es handelt sich um solche psychologische Eigentümlichkeiten, die vor allem auf die ethnographische Grundlage des deutschen Volkes zurückzuführen sind. Zunächst beruht unzweifelhaft auf dem germanischen Grundelement der deutschen Rassenlegierung jener psychologische Zug im deutschen Wesen, den man die Neigung zum „Herrenmenschentum” nennen könnte; namentlich im deutschen Norden und vornehmlich in dessen gesellschaftlichen Oberschichten ist diese Herrenart bekanntlich ein besonders hervorstechender Zug, und zwar keineswegs nur bei der Schicht der „Junker”, sondern auch in Kreisen und Klassen, die politisch und sozial recht weit nach links hin orientiert sind. Es kommtnun aber dazu, daß diese Herrenart dem Deutschen aus einem bestimmten Grunde, und zwar gerade in dem während der letzten Jahrzehnte im Besitze der politischen Führung gewesenen Nordosten nicht mit solcher Selbstverständlichkeit und darum nicht mit derartiger Selbstsicherheit anhaftet wie etwa dem Angelsachsen, Holländer oder Skandinavier: es beruht dies auf der Tatsache, daß namentlich im Nordosten Deutschlands das rein germanische Element durch Jahrhunderte gegenüber den unterworfenen, wenn auch später eingedeutschten slawischen oder halbslawischen Elementen die soziale Oberschicht dargestellt hat und daß sich diese Tradition, wenngleich umgestaltet, weil hier das nationale Moment infolge der im Laufe der Zeit erfolgten rassenmäßigen Ausgleichung aller Schichten nicht einmal mehr im Unterbewußtsein eine Rolle spielt, im sozialen Alltagsleben bis auf den heutigen Tag doch noch sehr lebendig erhalten hat; die Folge davon war wiederum bis in die jüngste Gegenwart hinein eine im Leben des Alltags zutage tretende, fast geflissentlich-ängstliche, bis ins kleinste hinein und bis in die kleinsten Differenzierungen zwischen den Menschen hinein reichende Hervorkehrung gesellschaftlicher Gegensätzlichkeit; und dies bedingt wiederum, daß das „Herrenmäßige” im deutschen Menschen nicht mit jener eleganten Selbstverständlichkeit zum Vorschein kommt wie bei Angehörigen anderer reinrassiger oder anders gemischter germanischer Völker, sondern mit einer gewissen geflissentlichen Betonung auch im Alltagsleben gewohnheitsmäßig hervorgekehrt zu werden pflegt. Nun ist es aber für die meisten Menschen bekanntlich schwer, ihre häuslichen Gewohnheiten im Verkehre mit Fremden gänzlich zu verleugnen; wo aber solch ein Versuch unternommen wird, dort entsteht, zumal das Gelingen in der Regel ja doch nur ein halbes ist, nur zu oft der Eindruck einer gewissen Künstlichkeit und Gezwungenheit; beides aber ist in gleicherweise der Erwerbung von Sympathien seitens anderer Volksindividualitäten abträglich. Und wo nun gar solche Eigenschaften in jeder nur erdenklichen Konstellation gerade auch auf politischem Gebiet schroff zutage treten, dort muß die Antipathie naturnotwendigerweise in Haß Umschlägen. Wir werden in einem späteren Kapitel übrigens noch dartun, welche besonderen seelischen Eigentümlichkeiten, welche besonderen Unausgeglichenheiten der deutschen Seele überhaupt, vor allem der noddeutschen Seele, alle diese Dinge noch mit besonderer Schärfe hervortreten ließen und so diese Quelle des Deutschenhasses vertieften.
Aber nicht minder sind es die nicht-germanischen Elemente im Deutschtum, deren Legierung mit dem germanischen Elemente neben ihren großen Vorteilen auch seelische Nachteile im Gefolge hatte. Zunächst wTar es natürlich ein Produkt der eben ge-sehilderten Verhältnisse, daß als deren Kehrseite in den unteren Schichten zumal im Nordosten eine gewisse Neigung zur Unterwürfigkeit gezüchtet wurde, die im Preußentume, in einem gewissen Gegensätze zu Österreich und Süddeutschland, wo sie anderer Herkunft ist und gemütlichere Außenformen zeigt, überdies gepaart mit einer gewissen militärischen Schärfe zutage trat; wiederum wurde diese Eigenschaft in breiten Volkskreisen so sehr zweite Natur, daß sie sich auch im Verkehr mit Nichtdeutschen offenbarte und offenbart, natürlich nichts weniger denn geeignet, dem deutschen Volke Zuneigungen zu werben. Geradezu intensive Abneigung aber mußte die Mischung von Bedientenhaftigkeit mit Anläufen zum Kopieren des „Herrenmäßigen” erwecken, wie man sie als eine Art von „Mimikry” bei den unteren und mittleren Klassen nicht ganz selten findet; und es hat dieses ohnehin gegebene seelische Mißverhältnis neue Nahrung empfangen durch andere Eigentümlichkeiten der deutschen Seele, auf die wir, wie bemerkt, später besonders zu sprechen kommen werden. Auch dies alles aber eröffnete dem Deutschenhasse Quellen.
Selbst im Westen und Süden des deutschen Sprachgebietes hat die spezifische Rassenmischung, wenn auch nicht entfernt in solchem Maße manche Folgen gezeitigt, die letzten Endes der Beliebtheit des Deutschtums abträglich waren und noch weiter sind. Hier war es wieder die keltische Blutbeimischung, die in weiten Schichten der Bevölkerung einerseits eine gewisse äußere Beweglichkeit und charakterologische Labilität, anderseits auch — in dieser letzteren Hinsicht waren freilich neben dem Rassenfaktor sicherlich auch simple Nachbarschaftseinflüsse wirksam — starke demokratische Neigungen gezeitigt hat, die sich dem germanischen Herreninstinkte und der germanischen Beharrlichkeit und Zähigkeit vielfach entgegenstemmten, namentlich seit norddeutscher Einfluß sich stärker zu regen begann; nicht selten machte sich dieser Gegensatz in mehr oder weniger heftigen Reibungen und äußeren Entladungen Luft? Wir werden, wenn auf die psychologischen, politischen und historischen Belange die Sprache kommen wird, noch genugsam auf diese Dinge eingehen. Hier gedenken wir ihrer vor allem aus dem Grunde, weil bekanntlich die daraus resultierenden, durch religiöse und dynastische Tendenzen vielfach verstärkten partikularistischen Neigungen der west- und süddeutschen Stämme bei den Nachbarn, vom Mittelalter bis in die bittere Gegenwart hinein, die Hoffnung erweckt haben, das deutsche Volk, dem man die Einheit des politischen Sinnes absprechen zu müssen sich berechtigt wähnte, ließe sich leicht spalten und große Teile desselben ließen sich den angrenzenden Nationen, zumal den Lateinern, anpassen; eine Hoffnung, die neue Säfte aus der tief traurigen Tatsache zog, daß vorübergehende besonders Unglückselige Einzelkonstellationen der an schwarzen Tagen so schmerzlich reichen Geschichte des deutschen Volkes die seelische Absplitterung einzelner besonders gefährdeter Stämme in Wirklichkeit ermöglicht hatten. Luxemburg, Flandern, Lothringen im Westen, das heutige Welschtirol im Süden sind solche Leichenfelder einstmals urdeutschen Lebens und Blühens; und uns allen, die wir Zeitgenossen der brennend schmerzvollen Gegenwart sind, krampft das Herz bei dem bangen Gedanken, das Elsaß, dessen Urdeutschheit ein Goethe bezeugt hat, könnte einmal einem ähnlichen-Schicksale geweiht sein . . . Ein Trost aber wird uns: die Hauptmasse der deutschen Süd- und Weststämme hat — und sie bezeugt es heute, in Not und Qual, aufs neue — allem häuslichen Zwist zu Trotz in kritischen und gerade in kritischen Stunden mit verdoppelter Treue noch stets mit allen Fasern an dem festgehalten, was trotz allem doch das ungleich Stärkste war, ist und sein wird in ihr: am Deutschtum in Sprache und Sitte, im Denken und Fühlen. Was uns aber tröstliche Verheißung einst besserer Tage so oft schon war und heute wiederum ist: für die anderen Völker wurde gerade dieses ein Grund mehr, uns feind zu werden, denn es trog sie um Hoffnungen, deren Wirklichkeit ihnen mehr als einmal zum Greifen nahe schien. Gibt es aber eine Quelle des Hasses, die ergiebiger wäre denn getäuschte Hoffnung auf Liebe?
Nun noch einige Worte über ein Volkselement, über dessen ethnische Zugehörigkeit zum Deutschtum bekanntlich die Meinungen verschieden lauten, das aber im äußeren Rahmen des deutschen Kulturlebens unzweifelhaft keine unscheinbare Rolle spielt, wie schließlich im Leben fast aller Völker von heute. Gemeint ist das jüdische. Man darf getrost sagen: der deutsche Jude sei — man mag ihm die Zugehörigkeit zum deutschen Volke in völkerbiologischer Hinsicht zuerkennen oder absprechen — sicherlich ein besonderer Typus, recht scharf geschieden von dem Juden des europäischen Westens wie des europäischen Ostens, mag letzterer auch eine Art pseudodeutschen Jargons sprechen. Der deutsche Jude, d. h. der Jude, der in deutscher Umgebung geboren und erzogen, mit deutscher Kultur durchtränkt ist und sich sehr vielfach subjektiv als Deutscher fühlt, vereinigt in sich in einer besonders gekennzeichneten seelischen Legierung deutsche Bildung und Denkweise mit einer gewissen psychischen Orientierung, die, gleichgültig ob rassenendogen oder Kunstprodukt des Ghettos, jedenfalls, zwar nicht absolut, aber doch relativ, d. h. besonders oft und ausgeprägt der jüdischen Mentalität eignet: gemeint ist da eine gewisse Hinneigung zur unerbittlichen und oft rücksichtslosen Analyse aller Dinge, zu einer vor nichts haltmachenden kritischen, gerne theoretisierenden und schulmeisternden Denkweise auf der einen und zu einer ganz außerordentlich auf das praktisch Nutzbringende gerichteten Betätigungsweise auf der anderen Seite. Nun zeigt sich etwas recht Merkwürdiges, was uns noch später beschäftigen wird: es besteht nämlich, ungeachtet einer ursprünglich sehr weitgehenden und grundsätzlichen Verschiedenheit des Fühlens (die übrigens beim Einzelindividuum kein Absolutum darstellt!), in der Art des Denkens in manchen Belangen eine gewisse Konvergenz zwischen deutscher und jüdischer Mentalität, so daß, bei aller Verschiedenheit der inneren Bedingungen und Strebungen, der äußerlich sichtbare Effekt oft der nämliche scheint und, wo seelisch in einem Individuum beiderlei Faktoren in-einanderfließen, eine Art dynamischer Verstärkung möglich ist. Wir werden nun später noch recht eingehend bei der ursprünglich spezifisch norddeutschen, beziehungsweise preußischen „Schulmeisterlichkeit” der deutschen Geisteskultur verweilen müssen und sehen, wieviel gerade sie zur Rationalisierung und Ertüchtigung, aber auch zum Verhaßtwerden deutscher Art beigetragen hat. Hier aber nur soviel, daß — wenn auch natürlich nur im äußeren Endeffekt! —- „jüdische” und „preußische” Lehrhaftigkeit des Wesens manche Kongruenz miteinander darbieten und, sobald sie in einem Individuum sich summieren mit besonders unerbittlicher Schärfe sich abzeichnen. Nun braucht es ja wohl bloß der Nennung eines Wortes, um darzutun, wie und wo solche Summation in hohem Maße zur Wirklichkeit geworden ist, des Wortes: Berlin! Denn wohl nirgends in deutschen Landen, auch nicht in Frankfurt oder in Wien, mag auch da wie dort der Prozentsatz der jüdischen Bevölkerung ein absolut höherer sein, haben sich jüdische und deutsche Denkweise so enge verfilzt — vielfach übrigens auf dem Boden ausgiebiger Blutmischung — wie in weiten Schichten der Berliner Gesellschaft. Vieles von jener rücksichtslos und bedenkenlos ätzenden, dogmatisierenden, dabei mit steter Bereitschaft zum Schulmeistern und Abkanzeln der lieben Mitmenschen, zumal solcher, deren Wiege nicht an den Ufern der Spree stand, verbundenen Lust am Kritisieren um seiner selbstwillen, wie es dem Berliner sprichwörtlich eignet, übrigens von ihm aus auf weite Kreise Norddeutschlands und selbst schon Süddeutschlands „ausgestrahlt” ist, scheint auf dieser Summationswirkung der Mentalitäten zu beruhen, deren Vorteile ein Bismarck nicht verkannt hat, die aber den großen Nachteil besitzt, der riesigen Mehrzahl andersgearteter Menschenkinder keine rechte Einfühlung zu gestatten und darum zuletzt Gefühle der Abneigung in ihnen hervorzurufen. Nun bedenke man aber, in welchem Maße „Berlin”, will sagen der Berliner Geist und in den letzten Dezennien schließlich die Aussaat seiner über ganz Deutschland hin verbreiteten massenhaften seelischen Metastasen für das Gesamtdeutschtum „repräsentativ” geworden, und in welchem Maße mit und in ihm, im allgemeinen wie in‘ Gestalt zahlreicher Einzelindividuen, die preußisch-jüdische konvergente Summation der Mentalitäten zur Geltung gelangt ist: und man wird begreifen, daß und warum auch diese Tatsache keinen der allerletzten verursachenden Beweggründe des Deutschenhasses abgegeben haben mag.
Wir ersehen aus alledem, worüber wir eben gehandelt haben, wie nahe ethnologische, psychologische und soziologische Momente einander berühren, wie sie stellenweise geradezu ineinanderfließen, hier so gut wie in anderen Belangen. Wir werden ja gleichwohl allen diesen Einzelfragen ihre besonderen Abschnitte widmen, aber manches mußte doch hier schon vorweggenommen werden. Wer jedoch von deutschen .Kulturbelangen spricht, kommt eben um alle diese Wechselwirkungen nicht herum.
Auch deutscher Kultur in ihrer Gesamtheit aber war zweifelsohne das tragische Los beschieden, unseren Nachbarn Lebensnotwendigkeiten in Fülle zu liefern und die Quittung hiefür in Gestalt lodernden Hasses zu erhalten! Wie das nun kam? Die Frage soll uns jetzt beschäftigen. Und die Antwort auf- sie ist nicht gar so schwer zu finden: es ist das lehrhafte Gewand, in dem deutsche Kultur auftritt, und es ist der ihr innerstes Wesen ausmachende Kultus der Arbeit, der darin zu einem wahren Sakramente erhoben erscheint, der Arbeit um ihrer selbst willen, was das Deutschtum ebenso groß gemacht hat wie den Haß dagegen bei den anderen, die. halb oder gänzlich unwillig, die deutsche Arbeitsweise angenommen haben, um Schritt halten zu können, in deren Seele Tiefen aber, wenn auch vielfach nur in Engrammen des Unterbewußtseins, ingrimmig der Schmerz um das verlorene Paradies bohrte, da man noch nach Kinderart in den Tag hinein leben durfte, unbeirrt und ungestört durch rastlosen deutschen Fleiß und ruhelosen deutschen Forscherdrang.
Ich möchte nicht mißverstanden werden, möchte nicht, daß man diese Worte so läse, als schriebe ich im Sinne derer, für die das Nordisch-Germanische das allein kulturzeugende Element bedeutet; ich halte vielmehr, wiewohl tief durchdrungen von der letztlichen Überlegenheit nordisch-germanischer (allerdings natürlich nicht bloß deutscher!) Kultur in ihrer Gesamtheit, die radikale Ausschließlichkeit etwa des Chamber-lainsehen Standpunktes und der politisch-anthropologischen Schule für falsch. Meilenferne liegt es mir insbesondere, in Abrede zu stellen, daß unter den lateinischen wie unter den slawischen Nachbarn des deutschen Volkes auch rein endogene Kulturfaktoren von achtunggebietender Größe wirksam gewesen sind: von Franzosen und Italienern braucht hier nicht weiter die Rede zu sein, das Unsterbliche, was ihre besten Geister in Fülle für die Menschheit geleistet haben, ist so groß, daß der Groll, den wir Deutsche gegen sie im Herzen tragen ob all des ungeheuren Leids, das sie uns vorsätzlich angetan haben und immerzu weiter noch antun, niemals imstande sein wird, es ungerecht verkennen zu wollen; jedoch auch Russen, Polen, Tschechen und Südslawen dürfen auf eine Zahl genialer Männer, Künstler zumal, und auch auf manchen gelehrten Kopf hinweisen, der, durchaus originale Bahnen wandelnd, überragende Kulturwerte hervorgebracht hat. Was aber fast allen Nachbarvölkern, jene germanischen Stammes natürlich ausgenommen, die für diese Betrachtung weniger in Frage kommen, abgeht, das ist die dem Deutschen im Laufe der Entwicklung in Fleisch und Blut übergegangene, sozusagen Nationaleigentümlichkeit gewordene Rastlosigkeit im Arbeiten und Forschen, die Freude daran, die ihn um der Arbeit und des Forschens selbst willen nicht zur Ruhe kommen, sie aber auch andern nicht gönnen lassen will. Betrachten wir demgegenüber den Durchschnittsfranzosen, dessen Ideal die Erarbeitung einer Rente ist, damit er sich je eher je lieber zur Ruhe setzen kann, dessen Mentalität Neuerungen auf dem Gebiete der Arbeit so sehr abhold sich erweist; den Italiener, von dem im Durchschnitte das Nämliche gilt; den Slawen, der, wiewohl oft ein Schwärmer und Vielredner, in seiner Denk- und Arbeitsweise von jeher etwas Seßhaftes, Beharrendes hatte und, wenn überhaupt, nur unwillig diese seine Ursprünglichkeit aufgibt! Alle diese Völker mußten naturgemäß die deutsche Denk- und Arbeitsmethodik, die sie durch die Gewalt der Tatsachen in ihren Bann gezwungen hat, einer Peitsche gleich empfinden! Manche, wie die Tschechen, haben sich ihr gleichwohl — vielleicht dank dem vielen deutschen Blute, das gerade sie aufgenommen haben — sehr weitgehend anzupassen vermocht, so daß eben die Tschechen darin sogar manchen, etwas abseits von der allgemeindeutschen Kulturentwicklung gestandenen deutschen Stamm vorübergehend zu überflügeln imstande waren; allein tief im Herzen, im Unterbewußtsein ist gerade auch bei ihnen der Stachel zurückgeblieben gegen den „Schulmeister”, den Deutschen, der einstmals ihr Volk herausgezwungen hatte aus seiner glücklichen, beschaulichen, kindlichen Sorglosigkeit; und darum haßt das Volk den Deutschen, wie man von je den Schulmeister gehaßt, mochte man ihm — objektiv verstanden — noch so vieles verdanken! Es ist nun einmal nur zu oft des Lehrers Los, daß der Schüler in ihm nicht den Mittler hoher Lebenswerte, sondern den Zwingherrn erblickt, der ihm die Freude — an der Ursprünglichkeit, an der Sorglosigkeit zerstört hat. Aber auch den alten lateinischen Kulturvölkern mußten Schweißgeruch und Fleiß des deutschen Nachbarn unfehlbar auf die Nerven fallen, die Früchte dieses Schweißes aber Neid in ihnen erwecken. Hinc illae lacrimae . . .!
Dazu kommt nun noch etwas Weiteres, was wiederum, weil tief im Psychologischen wurzelnd, auch noch an späterer Stelle Würdigung finden wird, aber doch schon in diesem Zusammenhänge vorweg erwähnt werden muß, weil es aufs engste mit dem Wesen und Wirken deutscher Kultur nach außen hin übereinstimmt. Man hat der deutschen Lehrhaftigkeit oft genug den Vorwurf der aufdringlichen Lautheit gemacht; gewiß, dieser Vorwurf schießt übers Ziel, aber ein Körnchen Wahrheit steckt unzweifelhaft darin, denn das eifervolle Betonen des Lehrhaften ist in der Tat ein Stück von der Seele des eifervollen Schulmeisters; allein ebenso schulmeisterlich ist der teils unbewußte, teils bewußte Verzicht auf jedwedes Hilfsmittel advokatischer Mentalität, wie es die deutsche Kulturpropaganda kennzeichnet. Im Lehrhaften von oft geradezu fanatischer Offensivität, ist sie nicht einmal der schwächlichsten Defensive fähig, wo immer im Kampfe der Kulturen advokatische Dialektik nottut. Schon im Alltagsleben zeigt sich dieser Mangel, zeigt sich die Schwäche, die der Deutsche im geistigen Kampfe um die eigene Sache bekundet, indem er nicht versteht oder nicht verstehen will, wie sehr es in der Hauptsache darauf ankommt, nicht die Geister, sondern die Gemüter zu gewinnen! Oft hat man gestritten, warum der Slawe den Deutschen „nemec” (stumm) nenne; nun, ich bin kein Philologe, aber ich meine, wer je Slawen und Deutsche nebeneinander gesehen und gehört hat, der wird nicht im Zweifel sein, daß im tiefsten Grunde ein Bewußtwerden psychologischer Unterschiede bei dieser Nomenklatur Pate gestanden habe; man halte die im Guten wie im Bösen sprühende Lebendigkeit slawischer Rede neben die gemessene, herbe und spröde Wortkargheit und Wortknappheit der deutschen, und man wird in der Tat den Deutschen, der seine so reiche Sprache vor allem in sein Inneres verweist, „stumm” finden neben dem Slawen, der sie in Wahrheit „auf der Zunge” trägt. Man beachte auch die große Namenfreudigkeit der Slawen; die wenigen Jahrhunderte slawischen Seins im deutschen Osten haben genügt, fast allen Orts- und Flurnamen slawische Namen zu geben, indes der Deutsche nachher, nach der Wiedergewinnung seiner alten Heimat, gar kein Bedürfnis empfand, die slawischen Namen durch deutsche zu ersetzen; bis tief nach Thüringen hinein finden sich wendische Orts- und Flurnamen noch heutigen Tags (selbst ganz im Westen bei Eisenach ist noch ein Dorf, das „Lupnitz” heißt!), und bis heute konnten sie sich erhalten, denn der „stumme”, redekarge, sprachun-freudige Deutsche hat sie wohl notdürftig eingedeutscht, aber sonst gelassen, wie sie waren, unlustig, an ihre Stelle deutsche Klänge zu setzen. Dem Deutschen ist es aber leider in keiner Hinsicht bewußt und niemand hat ihn dazu erzogen, sich dessen bewußt zu werden, welche Waffe im Kampfe der Kulturen die Sprache ist, die Sprache nämlich, wenn sie richtig, am richtigen Ort, in richtiger Weise angewendet wird, als Mittel, auf die Gemüter der anderen zu wirken! Der Deutsche verschmäht es eben, ungleich dem Slawen und dem Lateiner, die Sprache advokatisch im nächsten wie im weitesten Sinne zu gebrauchen, sie dünkt ihm ein Heiligtum im Dienste tiefster Innerlichkeit oder reiner Wissenschaft und Lehre. Unzweifelhaft ein edles und hohes Ideal, allein ein solches, dessen Hochhaltung mit Sicherheit dazu führen mußte, neue Hassesquellen sprudeln zu lassen, deren heißer Strahl dem Deutschen ins Antlitz spritzte. Denn wer, im Alltag wie im großen Kampfe der Geister, das starke Schwert der Sprache psychologisch, advokatisch also meistert, dem Slawen, dem Lateiner gleich, der nimmt die anderen im Sturme gefangen! Wer aber die äußere Sprache als Werkzeug lehrhaften Überzeugenwollens allein gelten lassen möchte und sich darum darin, wenn überhaupt, nur im Sinne lehrhafter, nicht psychologischer Dialektik übt, der setzt sich der Gefahr aus, das Schweigen zu un-rechter Stunde durch überlautes, aufdringliches Dozieren am ebenso Unrechten Orte überkompensieren zu müssen in dem Wahne, die Menschen damit für seine gute Sache gewinnen zu können. Und doch ist es ein Wahn, denn die Menschen gewann noch stets der Advokat und nicht der Schulmeister! So kommt es, daß alles ehrliche Mühen des Deutschen, alles eifervolle Bestreben, den anderen Völkern darzutun, was alles an unermeßlichen Diensten er ihnen in der Zeiten Lauf geleistet, als Versuch mit psychologisch untauglichen Mitteln zuschanden werden mußte, weil der Deutsche „stumm” blieb, wo er sprechen sollte, aber redete, wo Schweigen mindestens unschädlicher gewesen wäre als Reden, und weil seine Rede als solche in der Tonart sich stets vergriff. Kein Geringerer als Thomas Mann hat irgendwo beklagt, daß wir Deutsche nicht verstünden, am rechten Orte zu rechter Zeit mit rechten Mitteln unsere Sprache zu unserem Anwalt zu machen; desto öfter tun wir es zu Unrechter Zeit am Unrechten Orte mit Unrechten Mitteln! Und so konnte es kommen, daß ein französischer Schweizer einmal schreiben durfte: Die französische Kultur suche durch „Ausstrahlung”, die deutsche durch „Gewalt” sich auszubreiten. In Wirklichkeit trifft ja das Gegenteilzu, aber der Schein, auf den nun einmal die Menschen das meiste geben, spricht für das paradoxe Wort: natürlich, denn advokatische Beredsamkeit scheint ja „auszustrahlen” auf die Gemüter, sie wirkt eben durch suggestive Mittel, indes der Schulmeister auf die reine Vernunft mit logischen Mitteln einwirken möchte, und da es nun einmal den meisten Menschen wider den Strich geht, der kühlen Vernunft die Herrschaft über das lebenswarme Gefühl zu gönnen, ein Gewaltmensch scheint. Darum ist auch hier wieder eine Quelle des Deutschenhasses zu suchen. Arbeitsfanatismus, Lehrhaftigkeit und Mangel advokati-scher Sprachkultur, das alles also hat, ganz wie andere, später besonders zu würdigende psychologische Eigenheiten, die deutsche Bildung, von der soviel Nutzen und Segen über die Nachbarvölker gekommen ist, nicht nur um allen schuldigen Dank gebracht, sondern es ist geradezu mit zu einer der Ursachen des Weltenhasses wider sie geworden.
Historische Ursachen des Deutschenhasses.
Infandum regina jubes renovare dolorem! Dieser Dichter-vers gäbe gewiß wohl das passendste Leitmotiv auch für dies traurigste dieser Folge trauriger Kapitel!
Konnte anderwärts immer wieder beklagt werden, wie schuldlos oder doch aus wie sehr geringem Verschulden das deutsche Volk sich den Haß der anderen zugezogen habe: seine Geschichte und seine Politik, die es selbst oder die doch seine Lenker gemacht haben, lassen es leider nicht völlig schuldlos erscheinen an dem Haß, der ihm daraus weit über den Kreis seiner Nachbarvölker hinaus erwachsen ist!
Ein Volk, mitten in Europa innerhalb der denkbar ungünstigsten natürlichen Grenzen wohnend, die je einem Volke zuteil geworden sind, mußte aus sich selbst heraus, mußte von seinen Lenkern vor allem, weit vor allem andern erzogen werden zu klarem politischen Sinn und zu unbedingter politischer Einigkeit. Politischer Sinn, politische Einigkeit waren die einzigen Mittel, das völkische Sein zu sichern, für das Volksganze wie für den Einzelstamm; waren die einzigen Mittel, den Nachbarn jene Achtung abzunötigen, die nur einem einigen und politisch reifen Volke zuteil wird und werden kann. Statt dessen sehen wir, von der Römerzeit bis in die traurige Gegenwart, immer wieder die Gespenster der Unpolitik und der Zwietracht durch die deutschen Gaue wandeln.
Wenn wir später von den psychologischen Gründen des Deutschenhasses reden werden, dann werden wir nicht umhin können, auch von jenem seelischen Individualismus zu sprechen, der, auf geistigem Gebiete sich äußernd, sowiel beigetragen hat zu jenem verhängnisvollen Apriorismus und Doktrinarismus, wie er dem deutschen Denken und Fühlen und in logischer Folgewirkung auch dem deutschen Tun und Lassen so sehr Richtschnur und nur zu oft und bis auf den heutigen Tag verhängnisvolle Richtschnur geworden ist. Dieser extreme Individualismus, recht ursprünglich germanischen Geblütes, hat auf deutschem Boden in dichtem Nebeneinander seine herrlichsten
Blüten getrieben und seine verhängnisvollsten Früchte getragen. Er ist in den letzten Dezennien, in der Schule preußischer Zucht, ein Kollektiv-Individualismus geworden und hat als solcher dem oberflächlichen Blick ein tieferes Eindringen von sozialem Rassen- und Masseninstinkt in breite Schichten vorgetäuscht, dieser treffsichersten Waffe im Daseinskämpfe der Völker, wie sie die angelsächsischen Vettern des Deutschtums in harter Lebensschulung im Laufe ihrer Geschichte meistern gelernt haben. Dem tiefer Blickenden war es freilich stets klar, daß, mag auch zum Glück das Nationalgefühl und Nationalbewußtsein heute wenigstens endlich sein Existenzminimum erreicht haben (heute, nach 2000jähriger Geschichte!), von jener Selbstverständlichkeit desselben in allen Lebenslagen, wie sie in so vielen anderen Völkern ist, auch heute noch lange nicht bei jedem einzelnen Deutschen die Rede sein kann. Noch fühlt sich jeder einzelne Deutsche mit seinem persönlichen Denksystem als Staat im Staate, und das Ergebnis preußischer Zucht ist bisher bloß dies eine, die Denksysteme von 70 Millionen deutscher Einzelnmenschen parallelisiert, ja oft überkompensatorisch allzusehr parallelisiert zu haben; allein immer noch ist beim zünftigen Deutschen der Ausgangspunkt alles Gewissens das eigene Ich, nie aber empfängt er den seelischen Gehalt des eigenen Ich aus der Seele der völkischen Gemeinschaft, wie der Franzose, der Slawe und in sehr vielen Belangen auch sein germanischer Vetter, der Angelsachse, dem der Puritanismus den Respekt vor dem „common wealth” in einem Maße beigebracht hat, daß der einzelne Angelsachse, ohne im Prinzip seinen geistigen Individualismus aufzugeben — im Prinzip betont er ihn sogar besonders —, in Wahrheit seelisch zum willenlosen Teil der nationalen Gesamtseele geworden ist. Umgekehrt unterwirft sich der preußisch geschulte Deutsche leichter als andere äußerer Zucht, aber sein persönliches „System” ordnet sich nie dahin ein, es gesellt sich höchstens freiwillig zu geistigen Kollektivgenossenschaften. Darum konnte es den Tieferblickenden auch nicht wundernehmen, daß aus den Reihen der, solange es sein mußte, tadellos disziplinierten deutschen Armee unvermittelt Spartakus und andere Geister hervorbrachen, die auch im Waffenkleide zu innerlichst nie auf ihr höchstpersönlich eigensinnigeigenwilliges Denksystem verzichtet hatten. Fiat doctrina, pereat mundus . . .! Alle die Spartakisten und anderen deutschen Schwarmgeister, sie waren und sind ja doch im tiefsten Grunde gar nichts anderes als rabiat gewordene Schulmeister, die, bislang durch äußere Organisation gebändigt, endlich sich frei fühlten, ihr „alleinseligmachendes System“ den Mitmenschen einzutrichtern, und ging es nicht mit Worten, dann eben mit Prügeln und anderen drastischen Gewaltmitteln, nach echter, rechter,lehrhaft-fanatischer Schulmeisterweise, wie sie — ach! — uns Deutschen so sehr im Genick sitzt . . .!
So hat denn überhaupt alles, was je Deutsche getrennt hat, zwischen ihnen noch stets einen so scharfen Trennungsstrich gezogen, wie eben nur doktrinärer Starrsinn derlei vermag. Auch andere Völker kannten und kennen natürlich Parteien; aber nie und nirgends waren diese imstande, das Menschlich-Gemeinsame innerhalb der Gesamtnation entscheidend und dauernd zu bedrohen, ja zum Teil sogar zu zerreißen. Die Stammesstreitigkeiten, die Religionsstreitigkeiten, der soziale Zank, die Beziehungen zu Nachbarvölkern, das alles erscheint dagegen bei uns durchgiftet von einem wütenden Fanatismus Deutscher gegen Deutsche, wie er seinesgleichen unter andern Nationen nirgendwo hat.
Und leider müssen wir bekennen, daß dieser schädliche Sondergeist nicht so sehr altruistischer Hingabe an Ideale seine Kraft dankt, denn einer im Grunde recht egozentrischen Note der germanischen Seele, die sich nur ins Doktrinäre sublimiert und allerdings sekundär in gewissem Sinne idealisiert hat. Ich kann mir nicht helfen, aber ich kann in der zu so trauriger Berühmtheit gelangten, im bösen wie — difficile est satiram non scribere — im guten Sinne vielbesungenen eigensinnigen und eigenwilligen Eigenbrötelei, wie sie die deutschen Einzelseelen so sehr kennzeichnet, nichts anderes erblicken als einen ins ungesunde, gemeinschädliche verzerrten Egozentrismus, der nur einen psychologischen Transformationsprozeß durchgemacht hat, derlei, wie die seelische Tiefenforschung — ganz unabhängig von aller „Psychoanalyse” — weiß, ja in der Seele häufig vor sich geht. Aber es ist leider kaum ein Wesensunterschied zwischen dem schändlichen Verrate Hägens an Siegfried, dem Verrate Segests an Hermann und der fanatischen Einseitigkeit, mit der jeder deutsche Schulmeister — und welcher Deutsche wäre kein Schulmeister! — an seinem höchstpersönlichen „System” festhält und sich oft lieber rädern ließe, ehe er seine Einseitigkeit, seinen Irrtum zugäbe und gestattete, die Scheuklappen zu lösen, die er im Gegenteil mit zähem Eigensinn umso fester bindet, je eifriger man ihn davon befreien möchte; denn es sind seine höchstpersönlichen Scheuklappen, und was sein ist, darf ihm nicht angetastet werden, das gestattete seine selbstgefällige Eigenliebe nicht. Sicherlich, diese höchstpersönliche Eigenliebe ist kollektivistischer Summation fähig, unter dem Banner des „Kirchturms”, des „Kantönli’s”, des Stammes, kurz solcher Wahrzeichen, die wenigstens irgendwie sichtbarlich Symbole irgendwie kollektivierter Eigenliebe sind, und ohne-weiters ist einzuräumen, daß, wie der sprichwörtliche Bauernegoismusgrenzenloser Hingabe und darum auch der Idealisierung fähig ist, wenn es gilt, wie den eigenen Hof, auch das eigene Dorf, ja das eigene „Ländle” zu verteidigen,kurz, was unmittelbar anschaulich gegeben erscheint, auch andere „Kollektive” solcher Kategorie mit großer Hingabe verteidigt werden. Was aber solcher eben noch unmittelbaren Evidenz entbehrt, was keine greifbaren persönlichen Beziehungen zum Einzel-Ich und seinem Leben und Weben mehr hat, was wahrhaft soziales Ideal ist, das wird leider wenn überhaupt, so doch lange nicht in dem Maße vom Volksgefühle geheiligt! Darum finden wir gerade bei Deutschen so beklagenswert häufig einen bedauerlichen Mangel an hingebendem Nationalgefühl, sofern es nicht durch das anschaulich sichtbare Symbol des Monarchen verkörpert und mit der individuellen oder kollektiv-individuellen Eigenliebe und Eitelkeit in Verbindung gebracht ist; und darum sehen wir übrigens auch kollektivistische Bindungen, wie sie eben rein aus additioneller Summation entstanden sind, auch wieder sich lösen, sobald die Zugehörigkeit zu ihnen die Eigenliebe, den Egozentrismus des einzelnen oder untergeordneter Kollektivgruppen nicht mehr befriedigt. Der idealisierte Nationalismus des Franzosen, der nur ein Frankreich als Inbegriff kennt und darin aufgeht, liegt dem Deutschen noch immer nicht voll und ganz.
Daß das nationale Moment annoch immer nicht genug fest und tief in der individuellen Eigenliebe so vieler Deutscher verankert ist, hat ja gewiß bestimmte Gründe historischer Art, von denen gleich die Rede sein wird. Vergessen wir aber nicht: auch andere Völker, auch Franzosen, auch Italiener, auch Polen waren in Partikel zerspalten, aber wenige Augenblicke in ihrem Leben haben stets genügt, die zersplitterte Nation in eins zusammenzuschweißen, und kein Druck war mehr imstande, diese Einheit zu sprengen. Deutschland hat seit über einem Jahrhundert, mindestens aber seit 1848 sein Einheitsbewußtsein, aber dieses einheitliche Bewußtsein, welches vom Belt zur Etsch, vom Wasgau bis ins Ungarland reicht, es hat heute immer noch mehr Verankerung im kalten, nüchternen Verstehen denn im belebenden Fühlen! Auch heute noch erleben wir das Tieftraurige, daß der Einzeldeutsche mehr Befriedigung findet, weil das seiner individuellen Eigenliebe und Eitelkeit ein näheres, bequemer zu erreichendes Objekt abgibt, seinem Nächsten gegenüber sich in die Brust zu werfen, sich an ihm zu reiben, als mit ihm gemeinsam für ein sozialvölkisches Ideal zu kämpfen! Und wo solche „Einschichtigkeit” nicht möglich ist, da „gruppieren” sich Kreise, Länder, Parteien, Kasten, Berufe, Kliquen, „Richtungen”, „Systeme”, die eifernd gegeneinander Stellung nehmen und vor allen Dingen um ihr „Mittelpünktlein” sich scharen, um ihre Standarte streiten, bedenkenlos, unbekümmert um das Wohl und Wehe des gemeinsamen Ganzen; nur in höchster Not — und, wie die Gegenwart lehrt, nicht einmal da immer! — ist der Ruf des Zusammengehörigkeitsbewußtseins stark genug, diesem Bewußtsein durchschlagenden Gefühlswert zu
leihen. Wenn aber der Deutsche so oft fremdtümelndes „Weltbürgertum” posiert, so ist es seltener aus ideellen Motiven denn darum, weil das eine bequeme Ausrede ist, um sich in recht billiger Weise — Weltbürgertum ist ja kosten- und lastenfrei! — allzu unbequemen nationalen Pflichten zu entziehen; vielfach aber auch, um sich durch eine „Extrawurst” gegenüber den „beschränkten” Nachbarmenschen in „interessanter” Weise abzuheben, dafür er dann selbst Gut und Blut hergibt; beides aber ist im allertiefsten Sinne egozentrischer Individuumsselbstkult. — Seien wir nur ehrlich und gestehen wir in offener Selbsterkenntnis: der extreme Individualismus ist mit seinen Folgewirkungen ein dunkler Fleck auf dem sonst blanken Schilde deutscher Ehre!
Die verhängnisvollen Folgeerscheinungen ziehen sich in trauriger Reihe durch die deutsche Geschichte. Schon im Altertum hilft deutsche Eigenbrötelei den Römern zu billigen Triumphen und läßt sie die Deutschen verachten, deren Kraft in ihrer Spaltbarkeit eine so unwürdige Ergänzung findet. Das Mittelalter, von seinem ersten Anbeginn bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, nichts als eine Serie blutiger deutscher Selbstzerfleischung! Mögen es auch dynastische Interessen gewesen sein, deren Widerstreit Ströme deutschen Blutes trank, sie allein wären nie stark genug gewesen, Deutsche und Deutsche so furchtbar zu entzweien, wenn es eben nicht allezeit ein leichtes gewesen wäre, beim Deutschen an seinen vielleicht einzigen, aber dafür auch ungeheuer schweren Charakterfehler zu appellieren: an seinen hoch-entwickelten Egozentrismus im Materiellen und Ideellen. Keine größere Genugtuung weiß sich ja der rechte Deutsche, als dem Nächsten, dem Nachbarn gegenüber, der also so gut wie immer selber ein Deutscher ist, irgend eine Besonderheit hervorzukehren, auf die er sich etwas zugute tun zu können glaubt, es handle sich nun um individuelle oder um kollektive Besonderheiten. Es gibt fast nichts, könnte man sagen, es sei Besitz, Heimat, Stammesart, Glauben, Stand, Zugehörigkeit zu irgend einer irgendwie gekennzeichneten Gruppe oder Lehrmeinung oder zu was immer sonst, was der einzelne Deutsche nicht als ausreichenden Titel ansehen würde, um ihn seinem deutschen Mit- und Nebenmenschen als dem ihm naturgemäß Erreichbarsten gegenüber hervorzukehren, um einem eitlen Weibe gleich damit zu prunken und zu protzen. Und nichts war von je dem Deutschen heiliger als solche Sonder-tümelei, dank der er sich etwas Besseres wähnte als sein Nächster, und nichts dünkte von je dem Deutschen schwerer als der Verzicht auf solche einzeln- oder gruppenegozentrische Eitelkeitstitel.
Was Wunder, wenn von jeher zum Gaudium und zum Nutzen böser Innen- und Außenmächte nichts leichter war, als einen Deutschen gegen den anderen auszuspielen? Aber mehr noch! Von jeher war nichts leichter, als den Deutschen für fremde Art zu entflammen. Sicherlich, es hatte dies auch andere historische und psychologische Gründe. Allein das Hauptmotiv ist doch bis auf den heutigen Tag die schnöde, egozentrische Eitelkeit geblieben. Schon wenn das deutsche Kind vor seinen Spieigenossen und Schulkameraden etwas vorauszuhaben glaubt, weil ihm ein paar französische oder englische Brocken geläufig sind, zeigt sich davon der erste bedenkliche Ansatz; früh aber krümmt sich, was ein Haken werden will! Und so sehen wir denn, wie der Deutsche vielfach seinen größten Stolz darein setzt, prunken und protzen zu können mit kellnerhafter Sprachengewandtheit. Von einem Bewußtsein nationaler Würde ist da leider nicht das Leiseste zu spüren; nur gegenüber sozial oder kulturell Tieferstehenden wird gelegentlich mit dem eigenen „besseren” Deutsch geprotzt, aber auch das nur solange, als sie sichs gefallen lassen; denn sowie selbst die tiefere Kultur auch nur irgendwelche Eitelkeitstitelchen zu bieten vermag, finden sich flugs Deutsche, welche, um wieder was „Besonderes” vor ihren Nebenmenschen, ihren Volksgenossen voraus zu haben, damit kokettieren oder es gar auch adoptieren! Um wieviel höher aber die eigene deutsche Art ist, wie sie als solche schon den höchsten Kulturen gleichwertet, dessen zu achten und das kraftvoll und doch zugleich taktvoll zu betonen, kommt annoch nur einer Minderheit von Deutschen in den Sinn: denn das Deutsche dünkt ihnen zu „gewöhnlich” im wahren Wortsinne, dünkt ihnen kein Ordensbändchen, so man zum Knopfloche heraushängen lassen kann . . .
Kann es Wunder nehmen, wenn fremden Völkern derlei allein schon verächtlich schien und erscheint? Dürfte es doch kein zweites Volk auf der Welt geben, welches, auf solcher Höhe der Kultur stehend, in diesem einen Belange einen derart verhängnisvollen Charakterfehler an sich trüge. Viele hatten gehofft, der große Krieg, wie immer sein Ausgang sich gestalten würde, und hatten ganz zuletzt noch gehofft, das unermeßliche, ungeheure Leid, das über unser Volk hereingebrochen ist, würde in dieser Hinsicht Wandel schaffen, würde im deutschen Volke das Gefühl völkischer Gesamtehre so gewaltig stärken, daß es fürderhin nicht mehr Gefahr liefe, erdrückt zu werden von den Egozentrismen und Eitelkeiten der einzelnen. Leider hat die bittere Gegenwart gezeigt, daß wir noch immer nicht so weit halten! Ist es doch eine tief beschämende Tatsache, daß es ein Teil, zumal der weiblichen Bevölkerung in den besetzten Gebieten deutscher Siedlung förmlich als eine persönliche Auszeichnung wertet, bei den fremden Besatzungstruppen Wohlgefallen zu finden; ein Verhalten, welches bezeichnenderweise von den feiner Empfindenden unter diesen Fremden zu wiederholten Malen scharf gegeißelt worden ist . . . Und nun stelle man sich vor, wie hoch der Haß emporlodern mußte gegen ein Volk, von dem die Feinde nach allen diesen Erfahrungen, die ja nicht von gestern sind, vielleicht doch nicht restlos erwartet hatten, daß es eines nationalen Seelenaufschwunges überhaupt fähig sei! Es ist eben unser Unglück, daß das Nationalgefühl in Gestalt des sprichwörtlichen „furor teutonicus” immer wieder nur bei ganz besonderen Konstellationen und auch da immer wieder nur für kurze Augenblicke her vor bricht, dann freilich alle Dämme mit ungeheurer Gewalt überflutend, aber, wenn sein Werk getan, es möge erfolgreich getan worden sein oder nicht, nur allzu rasch verebbend! Wären wir Deutsche immer und allewege so selbstverständlich national in unserem Denken und Fühlen, in unserem Tun und Lassen, wie es andere Völker sind, wäre auch bei uns das Nationalgefühl ein nie und bei keinem erlöschendes, immerdar in allen Lebenslagen gleichmäßig wärmendes Feuer, dann bliebe es uns erspart, daß unser Nationalsinn in Zeiten des Aufgepeitschtwerdens so furorartig hervorbrechen müßte, denn solch ein überkompensierender „furor” ist, wie unsere bittere Gegenwart ergreifend dartut, in seinen Auswirkungen nach innen wie nach außen ein gar zweischneidiges Schwert . . .
Vor allem aber wären die anderen Völker der Erde stets sich dessen bewußt, daß wir ein Volk sind, dem das Bewußtsein nationaler Zusammengehörigkeit über allem steht; und wären darum nicht immer wieder aufs neue enttäuscht und überrascht, zu finden, daß es bei uns bald so ist und bald wieder anders scheint; denn es scheint, als wären wir Mulattenseelen ohne festes Grundgerüst, und gerade weil mau solches von uns argwöhnte, darum nicht zuletzt fanden und finden andere Völker, auch solche, die an Bildung tief unter uns stehen, den Gedanken unerträglich, daß auch wir ein großes Volk seien, finden dies bei weitem nicht so selbstverständlich, wie sie es selbstverständlich finden bei so vielen anderen führenden Kulturnationen.
Auch in alledem also, in der geringen habituellen Intensität unseres Nationalgefühls sowohl wie in seinem fallweisen furorartigen Hervorbrechen und raschen Wiederverebben ist ein Quellengebiet zu suchen für den Haß, der uns entgegenschlug, da Deutschland der Welt verriet, was es leisten könne, soferne es nur will, denn diese Welt war nach allen historischen Erfahrungen über die Charakterartung der einzelnen Deutschen nicht geneigt zu glauben, das dem Deutschen das Einheitsehrgefühl so hoch werte wie dem Romanen, dem Angelsachsen, dem Slawen. Und nicht zuletzt haben es die traurigen Ereignisse der Gegenwart bewirkt, daß dieser Haß nach unserer schweren Katastrophe nicht nur in nichts eine Minderung, sondern eher noch eine Verschärfung erfahren hat; mußten sich doch die Feinde unwillkürlich fragen und zornerfüllt fragen, ob es gerecht gewesen sei, daß ein Volk, dessen Einzelglieder oft so wenig nationalen Sinn bekunden, es wagen durfte, mehr als vier Jahre seine nationale Einheit mit so gewaltigen Schlägen zu verteidigen. Es mußte ja aus psychologisch begreiflichen Ursachen in den Köpfen der anderen der Glaube entstehen, als habe unser deutsches Volk die Rolle des Bäumleins spielen wollen, so andere Blätter als die seinen hatt’ gemocht . . .! Und doch, weil wir’s begreifen, müssen wir sagen und bekennen: es ist ein Irrtum, ein bitterer, für alle Teile blutig bitterer Irrtum, wenn unsere Feinde dem deutschen Volke die nationale Seele nicht glauben möchten! Denn sie ist in uns, sie lebt in uns, aber der unglückselige Schulmeister in uns, dieses Kunstprodukt einer falsch gerichteten Volkserziehung, hat es verhindert, daß der angestammte Individualismus, der bei den angelsächsischen Germanen in so glücklicherweise mit dem nationalen Gemeinsinn verwachsen ist, auch bei den Deutschen die gleiche Fortentwicklung nahm; er hat die deutsche Seele im Gegenteil so sehr verkrüppelt, daß es den Deutschen nicht gegeben ist, der Welt zu sagen, wie sehr sie trotz allem ihres völkischen Zusammenhanges sich bewußt sind, und nicht gegeben, Persönliches und Nationales in sich harmonisch miteinander zu vereinen.
Wir wollen davon noch an späterem Orte sprechen und wollen der Hoffnung Ausdruck leihen, daß es in Zukunft anders werden möge! Und daß eine andersgerichtete Erziehung in allen Gliedern des deutschen Volkes neben dem nationalen Bewußtsein auch ein warmes Nationalgefühl erwecke, das, wenn auch frei von allen Übertreibungen, zur selbstverständlichen obersten Richtschnur für das Tun und Lassen jedes Deutschen zu jeder Zeit werde, wie es in so vorbildlicher Weise beim Angelsachsen der Fall ist.
Die Geschichte des deutschen Volkes belegt alles das hier Gesagte mit ungezählten traurigen Beispielen. Schon die deutsche Nibelungensage weiß zu erzählen, wie bitteres Leid Deutsche über Deutsche brachten, aber auch, wie schwer ihr Ansehen in den Augen fremder Völker litt dadurch, daß sie das Sippen-, ja das Einzelnidol weit vor jenes der Gesamtheit stellten. Die Römer wußten wohl, daß es nur galt, der Eitelkeit und Ehrsucht der einzelnen zu schmeicheln, um stets noch Germanen zu finden, die sich gegen Germanen gebrauchen ließen, ohne — und das ist das Schlimme — im Volksbewußtsein darum gebrandmarkt zu erscheinen wie Ephialtes, wie Alkibiades es in der Überlieferung der Griechen blieben, dieses Volkes, das doch wahrlich an Stammes-, an ^tädteeigenbrötelei den Deutschen wenig nachgab, das aber dem äußeren Feinde gegenüber doch, im ganzen wenigstens, von je die Einheit nationalen Fühlens und Handelns wahrte. Karl der Große scheut sich nicht, im Interesse Roms, das seinen und seines Frankenstammes Ehrgeiz zu umnebeln weiß — zum Verhängnis der ganzen weiteren Geschichte Deutschlands, von dessen Folgen in direkter Linie dem Tieferblickenden unser heutiges namenloses nationales Unglück sich herleitet —, die germanischen Langobarden völkisch zu vernichten und damit das Rückgrat deutscher Siedlung im Süden für immer zu zerbrechen; er scheut, wieder im Dienste römisch umschmeichelter Stammeseigentümlichkeit, davor nicht zurück, die Sachsen, den edelsten und trefflichsten deutschen Stamm, in brudermörderischer Weise fast zur Hälfte auszurotten, weite Striche seines altangestammten Landes den damals noch völlig slawischen Obotriten überlassend; eine Tat, die erst spätere Geschlechterfolgen durch die Wiedereindeutschung der ostelbischen Ursitze des deutschen Volkstums gutgemacht haben. Auch um die Bayern seinem Reiche zu unterwerfen, scheut Karl nicht davor zurück, fremde, undeutsche Hilfsvölker sich zu verschreiben! Diesen germanischen Heerfürsten sehen wir dahingegen, auf Kosten seiner eigenen Stammesgemeinschaft, den damals rassisch kernfaul gewordenen galloromanischen Ländern kostbares deutsches Blut zuführen, indem er scharenweis deutsche Geschlechter zur Ansiedlung in Gallien und Wallonien zwang, beileibe nicht aber etwa, um die Lande seinem Volkstum zu gewinnen, beileibe nein: um umgekehrt jene sicher in der Zucht des ßömertums zu halten, dem er sich verbündet hatte! Und so hat Karl, dieser deutsche Fürst, den Grund gelegt zum Werden des auch seinen deutschen Stammesnamen tragenden Frankreich! So war er es, er, ein deutscher Heerfürst, der zum geistigen Ahnherrn des vierzehnten Ludwig, Napoleons und Clemenceaus geworden ist! So war er es, der den Samen der Verachtung deutschen Wesens in die Herzen der Galloromanen gepflanzt hat, er, der, selber ein Deutscher, ihnen im Dienste seiner persönlichen Zwecke deutsches Blut in Strömen geopfert, der ihnen als erster den Weg gewiesen hat, sich an deutschem Blute satt zu trinken, so viel und so oft sie es brauchten! Und diese Verachtung ist dann av.itisch, ist zum nationalen Engramm geworden im Laufe der Geschlechterfolgen,- mußte aber naturnotwTendiger-we’ise in blutigen Haß Umschlägen, seit das traditionelle deutsche Opferlamm zu erwachen und sich nicht weiter ins unabänderlich Geschienene zu fügen begann, denn: cet animal est tres mechant, quand on l’attaque il se defend . . . Darum sieht es der Franzose als selbstverständlich an, daß er, von Straßburg bis Köln, an deutschem Blute sich jederzeit satttrinken dürfe, und sein Zorn schäumt, in seinem Sinne ehrlich, bei dem Gedanken, daß das deutsche Blut sich dagegen wehren sollte … Zu diesem bitteren Paradoxon aber den Grund gelegt zu haben, ist Karls, dieses deutschen Herrschers — den die Franzosen in,, trauriger. Ironie gern als . den ihrigen reklamieren — ursprünglichstes Werk . . .
Das ganze deutsche Mittelalter ist überhaupt voll des Wütens Deutscher gegen Deutsche im Dienste engstirniger persönlicher oder partikularer Interessen, daran sich Fremdlinge gar schlau anzusetzen gewußt haben. Der vielhundertjährige Kampf um Rom und was damit zusammenhängt, ist eine blutige Tragödie der deutschen Nation, und all dies kostbare deutsche Blut ist nur vergossen, ist unwiederbringlich dahingeopfert worden, um letzten Endes in den Herzen der anderen Völker Verachtung zu erwecken gegen eine Nation von Gladiatoren, die sich für kleine Eitelkeiten und im Dienste Fremder gegenseitig hinschlachteten, dann aber auch wilden Haß, sobald es für Augenblicke scheinen wollte, als ob diese Gladiatoren, im Bewußtsein einer Gemeinsamkeit, deren die Wfelt sich entwöhnt hatte, den anderen ihre Gleichberechtigung oder gar ihre Herrschaft entgegensetzen könnten; wären die Deutschen stets national gewesen, hätte die Welt damit stets wie mit etwas Selbstverständlichem rechnen dürfen, nie hätte Verachtung, nie Haß gegen das deutsche Volk in solchem Maße Raum gewinnen können.
Und nun erst das Zeitalter der Religionskämpfe und des dreißigjährigen Krieges! Diese Zeit, in der ganz Deutschland durch mehr als ein Jahrhundert ein Heerlager bildete, dessen Boden fremde Söldnerscharen, von Deutschen gegen Deutsche gehetzt, um die Wette brandschatzten! Kein Volk der Welt hat solche Schmach ertragen müssen auf seinem eigenen Grund und Boden, hat sie ertragen müssen durch eigene Schuld und durch die Schuld seiner Häupter, die ohne jedes Gewissen die heilige altgermanische Treue schändeten, indem sie sie verfälscht und versudelt haben durch künstliche Verquickung mit ihrem Widerpart, jener unseligen Eigenidolatrie, jenem gerade durch kollektivistische Summation so leicht ins Ungesunde ausartenden Überindividualismus und Überegozentrismus, der die schwarze Seite des deutschen Charakters bildet und sich so furchtbar mißbrauchen läßt! So ward es den Fürsten und ihren vielfach, zumal im katholischen, aber hie und da auch im protestantischen Deutschland fremdbürtigen Beratern ein leichtes Spiel, Deutsche gegen Deutsche nach Belieben zu verhetzen: divide et impera . . .! Indem man dem einzelnen
Deutschen oder konstellativen Gruppen Deutscher vorzugaukeln verstand, des Fürsten Interesse sei ihr Interesse, ihr Eigenglaube, sobald auch des Fürsten Glaube, ein Heiligtum, durch das sie hoch erhoben seien über ihre deutschen Brüder anderer Konfession, anderer Dienstmannschaft; und indem mau dann, schlau beraten von fremdstämmigen Ratgebern, solche Einzeleitelkeiten zu Kollektiveitelkeiten zu summieren verstand, die oft nicht einmal mehr mit Stammeseinheiten sich deckten: hat man es vermocht, das deutsche Volk in ein Chaos von Gevölk-seln zu zersplittern, die einander tödlicher befehdeten als Mensch und Bestie und in gegenseitiger Abschlachtung ein gottgefälliges Werk sahen, würdig der huldvollen Gunst anderer, seien es auch Fremde und Todfeinde des eigenen Volkstums, sofern sie nur dem durch von außen gemachte mechanische Summation zusammengebündelten Kreise kollektiver Eigenidolatrie zugehörten! Dieses Kollektiv der Eigenidolatrie war fortab dem Deutschen Ersatz für Heimat, für Nation! Was der Herzog, der künstlich gezüchtete Abgott der Eigenidolatrie, an Land und Volk gerade erheiratet hatte, es mochte deutschen oder slawischen oder wälschen Stammes sein, war fortab „Volksgenosse”, das unorganische Ländersammelsurium war „Vaterland”, und gab gar erst dem Mischmasch eine durch List und Gewalt aufgezwungene gemeinsame „Konfession” die höhere Weihe, dann konnte solche Eigenidolatrie auch noch gar „ad majorem dei gloriam” zur Religion erhoben werden! Solches war aber der politische Zustand, die politische Seelenverfassung des deutschen Volkes, von den Tagen der Gegenreformation bis in die Zeit der Befreiungskriege, durch mehr als 2XI2 Jahrhunderte also! Und solches war er unter den Augen fremd-bürtiger Höflinge aus aller Herren Länder, die an den Fürstensitzen sich breitmachend, ein Volk verachten lernen mußten, das so sich führen und nasführen, das sich durch schlauen Mißbrauch gerade seiner überindividualistisch unsozialen Herreninstinkte zuletzt verknechten ließ, dessen Glieder so sehr stets bereit waren, die nationale Ehre ihrer Eigenidolatrie zuliebe zu opfern! Und solches geschah um die Zeit, da ringsum mächtige Nationalstaaten emporwuchsen, Frankreich vor allem sich festete und der Glanz seines — übrigens aus germanischem Stamme entsprossenen, aber diesen seinen Ursprung verleugnenden — Bourbonenhauses zu strahlen und alles zu überstrahlen begann! Mußte da nicht wieder die Verachtung für den deutschen Tölpel in den Seelen der anderen neue Nahrung in Fülle finden? Aber ebenso auch haßerfüllt der Sinn der anderen werden bei dem Gedanken, der Verachtete‘könnte je gleichwertig neben sie oder als Stärkerer an ihre Spitze treten? Nur Haß kann das Schicksal des Verachteten sein, der sich aufrichten will!
Und wie war es in den Revolutionsjahren und in der Napoleonszeit? Erst hatten sich die deutschen Fürsten — damals die Vormünder des von ihnen so schlau versklavten deutschen Volkes — zusammengetan, des französischen Volkes Freiheitsdrang in Blut zu ersticken; da es ihnen nicht gelang und Frankreich den Hieb parierte, gaben sie einer nach dem anderen klein bei, um vollends zu Kreuze zu kriechen, da ihnen ein Napoleon gegenübertrat! Österreich und Preußen wahrten im Unglück leidlich wenigstens noch das Gesicht; von den anderen deutschen Ländern aber gilt das bittere Wort: omnes ruere in servitium . . . .! Und was von Fürsten und Ländern galt, es galt damals auch von den zur Strafe für unsoziales, überindividualistisches Herrentum durch Mißbrauch desselben versklavten Geistern, deren Eigenidolatrie sich noch geschmeichelt fühlte, so ihnen die besondere Ehre zuteil ward, den Franzosenstiefel küssen zu dürfen! War doch ein Goethe selbst nicht frei vom Kulte eines Napoleon, der — mag er auch eines der gewaltigsten menschgewordenen Fermente der Geschichte sein — dem deutschen Volke stets doch nur im Herzen ein bitterer Feind und nichts als ein Feind gewesen ist! Wo aber war zu jenen Zeiten das deutsche Ehrgefühl hingeraten! Es stak im tiefsten Sumpfe, es brannte nur in wenigen wahrhaft adeligen Seelen als wärmendes und doch schmerzendes Feuer! Wieder aber mußte Verachtung Platz greifen in den Herzen der Sieger! Sie wandelte sich zur Verblüffung, da die deutsche „Herde” — auf einen ach so kurzen Augenblick nur! — erwachte, da aus ihr mit einem gewaltigen Ruck ein Volk von Männern emporwuchs, das mit ein paar wuchtigen Schlägen das Joch zertrümmerte! Und doch mußte zuletzt die Drachensaat des Hasses daraus emporwachsen, da diese Männer wieder zu einer Herde zurücksanken, die bar schien jedes völkischen Ehrbegriffes. Von Sklaven, von Gladiatoren besiegt worden zu sein, der Glaube daran mußte einen Stachel tödlichen Hasses zurücklassen in den Herzen der Besiegten, ihre Verbündeten gewesen zu sein, in den Herzen ihrer Bundesgenossen.
Und nun bedenke man: wir sind bei unserer Betrachtung schon angelangt an der Schwelle der Gegenwart, in einer Zeit, da andere selbst staatlich noch nicht selbständige Völker bereits zu lebendigem Nationalgefühl erwacht waren; wir halten also bei einer Wende, die den älteren Zeitgenossen von heute vielfach noch durch unmittelbare Überlieferung von seiten ihrer Vorfahren lebendig und nahegerückt erscheint! Deren Nachwirkungen also bis in die Gegenwart hineinreichen, in der sich die Nation von eitlen, knechtseligen Gladiatoren mit einem Schlage emporgereckt hatten zu einem machtvollen Volke von Herren, die kurz vordem noch „minderwertig” Geglaubten zu Vollmenschen geworden waren, ja zu Übermenschen sich zu recken schienen! Haben sie das ihrige getan, die Anerkennung in der öffentlichen Weltmeinung zu erringen? Haben die vorangegangenen, hat die jetzige deutsche Generation gezeigt, daß sie sich auch innerlich frei zu machen verstanden habe von allen jenen Schlacken aus dieser alten Zeit, die, aus Eigenidolatrie geboren, eine Dienerhaftigkeit, eine Versklavung der Geister erzeugt hatten, wie noch von je Eitelkeit und unsozialer Egozentrismus in den Abgrund seelischer und physischer Abhängigkeit geführt haben? Kurz, sind die Deutschen auch innerlich ein Herrenvolk im besten Sinne, also ein Volk von freien Männern geworden, ein Volk, sich seines Wertes als Volk in jedem einzelnen vollbewußt, ein Volk, das fest und sicher im nationalen Instinkte, den anderen jene Achtung aufgenötigt hätte, die es hätte verhindern können, daß aus der Verblüffung der anderen über den äußeren Werdegang der so lange Verachteten unversöhnlicher Haß emporwachse?
Leider, wir können diese bange Frage nicht einfach bejahen!
Denn auch diese letzte Generation hat, wenn auch nicht mehr im physischen, so doch im moralischen Sinne sich selbst zum Kämpfer hergegeben für fremde Belange, sie hat in sich und in ihrem Schoße einen geistigen Bürgerkrieg geführt im Dienste und im Interesse Fremder, und alle diese Kämpfer haben kein höheres Ziel gekannt, als sich den Beifall Fremder zu erringen, in deren geistigen und moralischen Sold sie sich aus Eigenidolatrie gestellt hatten. Und so kam es, daß auch im neuen deutschen Bismarckreiche mit all seiner leider nun ach entschwundenen Herrlichkeit gar viele waren, die kein höheres Ziel kannten als im Geiste Streiter zu sein für fremde Ideen, wenn sie nur vor ihrem deutschen Bruder damit „etwas Extra voraus” zu haben glaubten. Kein größerer Stolz, als wenn ein Deutscher vor dem anderen mit der Wohlmeinung und Zustimmung des Auslandes protzen durfte, kein schlimmerer Hohn, als wenn er dem eigenen deutschen Bruder des Auslandes Mißfallen Vorhalten konnte! Und dabei noch der Ton, den Deutsche untereinander und gegeneinander anschlugen ohne Rücksicht auf das aufhorchende Ausland! So mußte wiederum in den anderen aufs neue der Glaube genährt werden, der Deutsche kenne keine höhere Befriedigung als sein eigen Volk zu zerfleischen und dafür den Beifall Fremder einzuheimsen, kenne keinen ihm heiligeren Dienst als den der eigenen geistigen Idolatrie und den daraus geborenen Dienst des sei es nun nur noch geistigen und moralischen Gladiators für fremde Interessen. Wieder aber konnte nur Verachtung solcher Art Frucht sein, und wieder mußte die Verachtung in Haß Umschlagen, sobald sich verblüffend zeigte, daß gleichwohl in dem Deutschen das Bewußtsein steckte, anderen Völkern durchaus gleichwertig zu sein, wenn nicht gar überlegen; und wenn es schien, als sollte dieses Bewußtsein am Ende gar die Leiter darstellen für Weltherrschaftsgelüste.
Und so bestätigen auch die letzten Jahre deutscher Geschichte nur allzu eindringlich die psychologischen Regeln nach denen die allzu weit getriebene Hingabe an das Idol einer besonderen Eigenart der Persönlichkeit und das damit aufs engste verschwisterte Streben, etwas voraus zu haben gerade vor dem eigenen Bruder, den Deutschen auf die schiefe Ebene des Verachtetwerdens leiten und wie dann jeder kraftvolle Schritt aus diesem Sumpfe heraus in die Wildnis des Hasses führen mußte. Wenn der deutsche Edelmann, -wenn der deutsche Gelehrte, wenn der deutsche Beamte den Volksgenossen minderen Ranges, minderer Bildung, statt ihn als seinen Bruder zu behandeln, von oben her anließ, auch in der Fremde, wenn er die Gemeinschaft mit ihm erniedrigend, die Gemeinschaft mit Standesgenossen fremden Volkstums aber als angemessen empfand: dann mußte die Verachtung, die er dem eigenen Volksgenossen bezeigte, in Haß bei den anderen Umschlagen, sobald er auf die Zahl und Kraft dieser eben von ihm verächtlich Gemachten sich stützend als Herr im Kreise der anderen Völker sich zu gebärden schien; das nämliche mußte gelten, wenn eine Staatspolitik, die heute ängstlich danach strebte, den Beifall des Auslandes zu finden, morgen plötzlich ungeschickt genug in Szene gesetzte Versuche unternahm, nach „Herrenart” im Kreise der anderen aufzutrumpfen. Kein Wunder ist es wahrlich, wenn eine Führung, deren einziger Leitstern selbstgefällige Eigenidolatrie, dieses unselige Erbteil deutscher Art, gewesen ist, und wenn ein Volk, von dem weite Kreise so sehr vom Geiste dieser Führung durchdrungen waren, das Opfer allgemeiner Welten Verachtung und schließlich eines Weltenhasses ohnegleichen werden mußte! Denn dieser eine, vielleicht einzige Charakterfehler deutscher Art, er ist in seinen Folgewirkungen oft derart, daß er all das unermeßlich Gute und Edle in der deutschen Volksseele überschattet; und daß er selbst im Unglück noch sie damit bedroht. ihrer Würde verlustig zu gehen: denke man doch an die schwere moralische Einbuße, die wir dank dem Bürgerkriege in den Zeiten des furchtbarsten äußeren Zusammenbruches in den Augen der Welt erlitten haben, denn Spartakus ist nur in Rot, was der Junker in Blau, der Römling in Schwarz, der kosmopolitisch würdelose Geldmensch in Goldgelb ist; und denken wir daran, daß der Feind nicht hat umhin können, die Art und Weise zu verdammen, auf die sich in dieser Unglückszeit ohnegleichen deutsche Männer und namentlich deutsche Frauen an seine Gunst heranzuschmeicheln versucht haben . .. Das vernichtende Urteil englischer Soldaten hierüber spricht Bände.
Wollen wir aber die Nutzanwendung ziehen, dann beherzigen wir, daß es nottut, die heranwachsende Jugend nicht zu einem Geschlechte eitler Musterschüler und Schulmeister, sondern zu Charakteren heranzubilden, die, innerlich frei und mannhaft, sich selbst vor allem als Glieder ihres ganzen Volkes, ihr Volk als kostbares Glied der ganzen Menschheit fühlen und achten! Dann wird auch uns die Achtung als Volk zuteil werden.
Ökonomische und politische Ursachen des Deutschenhasses
Ein oft wiederholtes Wort, das leider seine Tragik hat, besagt, es sei das deutsche Volk bei der Verteilung dieser Welt zu spät gekommen. Leider kann nicht geleugnet, werden, daß dieses Zuspätkommen eine Frucht der eigenen Geschichte des deutschen Volkes ist, deren verhängnisvollen Gang wir in dem früheren Kapitel genugsam kennen gelernt haben; ein Volk, dessen einzelne Glieder, vom einzelnen Manne bis zu den Ständen, Klassen und Stämmen so lange Zeit nur der Eigenidolatrie und allenfalls der aus ihrer Summierung hervorgegangenen Idolatrie der greifbar nahen Kollektivität ergeben, nicht also national in höherem Wortsinne gewesen sind und ihre Kräfte
im Dienste solcher Eigenidolatrie verzettelt haben, ein solches Volk konnte natürlich nicht genügend Sinn auf bringen, dem Nationsganzen Geltung zu verschaffen. Und so bedeuteten gerade die Jahrhunderte, da andere große Völker zu Weltvölkern emporwuchsen, für Deutschland die Zeit jämmerlichster Kleinstaaterei und Kirchturmspolitik.
Aber die immanenten Energien, die ja darum im deutschen Volke niemals erloschen waren, drängten mit einem Schlage um so gewaltiger hervor, nachdem einmal die Schöpfung des neuen Deutschen Reiches dem Großteil des deutschen Volkes seine Einigung und damit wenigstens eine notdürftige staatliche Plattform gebracht hatte, um sich im größeren Stile wirtschaftlich entfalten zu können. Und so sehen wir, in schier schwindelndem Tempo binnen kaum zwei Jahrzehnten aus dem Volke der Dichter und Denker, der Gelehrten und Ideologen, der Eigen-. brötler und Kirchturmpolitiker eine Nation von Fabrikanten und Kaufleuten werden, dergleichen an Tatkraft und Tüchtigkeit die Welt bisher nur in den Angelsachsen geschaut hatte. Ja noch mehr als das: an innerer, sachlicher Tüchtigkeit übertraf der einzelne Deutsche, und das ist sicherlich ein unleugbares Verdienst seiner sorgfältigeren Durchschulung gewesen, den einzelnen Angelsachsen um ein Beträchtliches, so daß er im Welthandel mit Riesenschritten in die Nähe der traditionellen englischen Führerstellung rückte, wahrhaftig ein wirtschaftlicher furor teutonicus!
Sicherlich, ein Maß von händlerischer Begabung steckt dem Germanen im Blute, denn es kann gewiß kein Zufall sein, daß gerade in allem, was Handel heißt, die germanischen Völker früh schon einen der ersten Plätze eingenommen haben; und auch der Gewerbfleiß war bei den germanischen Völkern ebenso frühzeitig sehr hoch entwickelt; es ist, als hätte sich die germanische Urkraft, seit sie nicht mehr ausschließlich das Schwert allein bediente, ein anderes Tätigkeitsgebiet mit elementarer Gewalt eröffnet, das ihr die Welt erobern half; stets ist denn auch der germanische Kaufmann ein. wehrhafter Kaufmann gewesen: man denke an die mittelalterliche Hansa, man denke an die kühnen germanischen Seefahrer, an Norweger und Normannen und Dänen und Holländer, vor allem aber an die Angelsachsen! Und ihre deutschen Vettern von gestern gaben ihnen darin gewiß nichts nach, auch sie wußten nicht nur den Rechenstift, sondern neben und mit ihm das Schwert gar wohl zu führen.
Gerade darin nun aber ist der Ausgangspunkt aller Tragik von heute zu suchen! Die deutsche ökonomische Entwicklung litt an einem Mißverhältnis: an dem Mißverhältnisse zwischen der unerhörten Schnelligkeit ihrer letzten Entwicklung einerseits und der Kleinheit, der Ungunst der geographischen Grundlage und ihrer Grenzen anderseits. Der gewaltige wirtschaftliche Aufschwung vollzog sich sozusagen von einer äußerst schwanken und stets bedrohten Grundlage aus. Gerade dieser Umstand zwang Deutschland, aus dem nämlichen Grunde, aus dem sich England eine starke Seemacht bewahren mußte, sich eine kräftige Wehr zu Lande zu schaffen. Denn Deutschland ist sozusagen eine Insel zu Lande, wie England eine solche zur See. Wie aber die englische Seemacht Gegenstand eifersüchtigen Neides seitens aller Rivalen von je gewesen ist, so mußte es auch die deutsche Landmacht sein, namentlich seit sie zur Schirmerin einer wirtschaftlichen Entwicklung wur’de, der keine andere auf die Dauer die Wage halten zu kpnnen schien.
Diesem aus alledem geborenen Gefahrenrisiko konnte nur durch eine besonders geschickte Wirtschafts- und Außenpolitik, konnte nur durch realistische Abwägung aller Möglichkeiten und Unmöglichkeiten begegnet werden. Gerade auf diesem Gebiete nun aber zeigte sich deutscherseits eine Stümperhaftigkeit, die sich wohl lediglich erklären läßt aus jenem völligen Mangel praktischen psychologischen Verstehenkönnens, dessen Ursachen wir in dem nächsten Kapitel sehr eindringlich beleuchten werden; und selbstverständlich trug auch der aus der nämlichen Quelle gespeiste Apriorismus, der ein so verhängnisvolles Element deutschen Denkens darstellt, das seinige zu dem Ungeschick deutscher Politik bei.
Es mußte klar zutage liegen, daß ein Land wie Deutschland, daß vor allem aber ein Staat wie das neue Deutsche Reich, der sozusagen über Nacht zu einer Hochblüte sondergleichen emporgeschossen war, ohne darum natürlich seine von Natur aus stets aufs äußerste gefährdete Lage in irgend etwas geändert zu haben, gerade angesichts dieser Entwicklung seiner ökonomischen Verhältnisse zwei Grundlinien in seiner Politik ein-halten mußte: er mußte stark sein und er mußte klug handeln, er durfte in seiner materiellen Rüstung nirgends eine Lücke dulden, er durfte es aber noch viel weniger in seiner geistigen, seiner politischen Rüstung, nach innen wie nach außen. So wie aber die militärische Oberleitung eines Volkes stets genau wissen muß, wie es um die militärische Beschaffenheit der Nachbarn steht, um zu erkennen, worauf es bei der Bewahrung des Friedens sowohl wie bei der Verteidigung des Landes ankommt: genau so ist es Aufgabe der Politik eines Landes, aufs genaueste sich Rechenschaft zu geben, wie es um die Mentalität der Nachbarn steht, wie sie psychologisch genommen werden wollen, um mit ihnen politisch und ökonomisch im Frieden leben zu können, im Notfall aber imstande zu sein, sein Rechtauch mit ge eigneten geistigen und politischen Waffen zu verteidigen. Nicht zuletzt aber mußte für Deutschlands ökonomische und politische Wegrichtung der uralte Satz maßgebend sein, den der Angelsachse Lea zur Achse seines weltbekannten Buches gemacht hat, der Satz, wonach jede Kraftentfaltung sich in der Linie des geringsten Widerstandes zu bewegen habe. Dieser Satz ist übrigens das Ergebnis einer so natürlichen Kräfte Wirkung, daß auch Deutschlands Kraftentwicklung sich auf dieser von Natur aus gegebenen Linie bewegt hätte, hätte sie nicht gekünstelter schulmeisterlicher Apriorismus im Verein mit den Nachwirkungen einer unglücklichen Geschichte aus der von Natur gezeichneten Bahn heraus abgelenkt. So ist es gekommen, daß die deutsche Politik zuletzt auf die wahnsinnige Grundlage gestellt erschien, die drei stärksten Nachbarn zugleich als Gegner zu traktieren, indes sie mit den schwächsten und unzuverlässigsten eine wechselseitige Versicherung auf Gedeih und Verderb abschloß, das Übel der geographischen Unterlage ihrer Machtstellung also womöglich noch vergrößernd, statt Sorge zu tragen, daß zunächst einmal, unter Verzicht auf überhaupt oder mindestens einstweilen unerreichbare politische Aspirationen, die vitale, unmittelbare Unterlage nationalen Seins so weit wie möglich versichert und verbreitert werde.
Statt dessen sehen wir aber, wie die deutsche Politik, von allen guten Geistern verlassen, geradezu das Gegenteil von alledem tat, was das vitale Interesse der Nation erforderte. Die unerhört impulsive ökonomische Entwicklung Deutschlands in den letzten Jahrzehnten mußte ja naturnotwendig mit eiserner Konsequenz Englands Eifersucht erregen, ganz so wie seine militärische und kulturelle Erstarkung den Neid der anderen Nachbarn anfachen mußte. Umso dringender tat es Deutschland not, da es doch zwei mächtige und sichere Feinde in den Flanken seiner so sehr ungünstigen Landgrenze wußte, alles zu vermeiden, was die ökonomische Eifersucht Englands in eine politische wandeln konnte; eine Wandlung, die im vorliegenden Falle darum keine notwendige war, wreil England, solange es nicht die bewaffnete Seemacht Deutschlands zu fürchten brauchte, in der deutschen wirtschaftlichen Kraftentfaltung allein gegenüber der Gefahr, die von Frankreich und namentlich von Rußland drohte, entschieden das kleinere Übel erblickte und, die Folgerungen hieraus ziehend, bekanntlich sogar bereit war, mit Deutschland eine förmliche Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit abzuschließen, unter der Bedingung, daß sich Deutschland für absehbare Zeit mit dem „guten zweiten Platz’’ in Weltwirtschaft und Weltpolitik begnüge; gegen eine in legitimen, also durch nationale, wirtschaftliche und geographische Notwendigkeiten diktierten Grenzen sich haltende Verbesserung der geographischen Grundlagen Deutschlands auf dem europäischen Festlande hätte ein vor der weltpolitischen und maritimen Überflügelung durch Deutschland auf absehbare Zeit geschütztes England ganz gewiß nichts einzuwenden gehabt, und sie wäre darum auch leicht erreichbar gewesen.
Weit entfernt von der richtigen Erfassung aller dieser, dem gesunden politischen Menschenverstände so schlicht und klar aufscheinenden naturnotwendigen Selbstverständlichkeiten hat schulmeisterlicher Apriorismus das deutsche politische System auf ein Dogma festgelegt, darauf so recht das Wort eines sozialistischen Schriftstellers paßt: es ist Logik, die sich in einer geraden Linie allerdings folgerichtig fortbewegt, aber nicht sehen kann, daß psychologische Lebenswahrheit in allen Dimensionen verankert sein will. Irgendwie war in den Neunziger]ahren das Schlagwort „Weltwirtschaft” aufgeflogen; weil das Streben des modernen, aufstrebenden Deutschland eingestellt war auf wirtschaftliche Belange, wirkte das Schlagwort wie Zunder in einer Strohtriste; alles was in Deutschland politisch dachte, war nunmehr auf „Weltwirtschaft” eingeschworen; von der Weltwirtschaft zur Seeherrschaft ist natürlich ein logischer Katzensprung; zwar nur für schulmeisterliche Papierlogik, nicht für lebenswarme Psychologie; aber der Schulmeister, der dem zünftigen Deutschen nun einmal im Genick sitzt, tat prompt seine Schuldigkeit; also zeugte das erste Schlagwort ein zweites: „unsere Zukunft liegt auf dem Wasser!” Und von da bis zum „Admiral des Atlantischen Ozeans” war es — auf dem Papier — gar nicht so weit . . . Daß dieser Weg an der harten Tatsache „England” vorbeiführte, mit solchen „Kleinigkeiten” beschwerte sich schulmeisterlich-aprioristischer Doktrinarismus natürlich nicht weiter; wozu gäbe es denn auch Scheuklappen auf dieser Welt? Was ein echter, rechter Schulmeister ist, sieht eben nur und nichts als sein „Problem”, demgegenüber alle anderen Probleme, sofern deren Existenz überhaupt anerkannt wird, zu Bagatellen zusammenschrumpfen; freilich kam der Schulmeister um die Tatsache „England” nicht ganz herum, aber mit haarscharfer Logik rechnete er und bewies er — auf dem Papier —, daß und wie man mit England fertig werden würde; mit einem Blicke auf die Landkarte, vollends gar mit dem Studium der politisch-psychologischen Struktur der Nachbarländer aber beschwerte man sich kaum; was sollten auch solche irdische und psychologische Beschwernisse aprioristisch-schulmeisterlicher Logik anhaben können? Sie durften ihre Zirkel so wenig stören wie der römische Soldat jene des Archimedes! Und so schweifte eine schulmeisterlich denkende und strebende Politik weithin über die Meere und durch die Lüfte, indes Frankreich auf dem Sprunge nach dem Rheintal lauerte, indes Russen und Polen fast vor den Toren Berlins an schutzloser Grenzlinie ihre Waffen schmiedeten; sie baute — papierene — Bahnlinien von Berlin nach — Bagdad mitten hindurch durch das Tschechenland, dessen politische Psychologie ihr eine keines weiteren Aufhebens und darum auch keines Studiums werte Kleinigkeit erschien, so wenig wie sie sich um die bittere Not der Deutschen Österreichs kümmerte; sie plagte sich nicht wöiter ab mit der Tatsache, daß quer über dem Wege nach Bagdad auch sonst noch manches dunkle Problem politischer Psychologie lag. Was wiegt auch dem Schulmeister, der seiner papierlogisch zurecht gelegten Schulaufgabe nachhängt, die Psychologie des lebendigen Lebens? Was verschlägt es ihm, daß er, verbissen und versunken in seine fixen Ideen, an Bäume, an Laternenpfähle anrennt? Er spürt es nicht einmal! Was kümmert es ihn, daß er dabei den Nebenmenschen auf die Füße tritt, sie über den Haufen rennt, daß Flüche und Verwünschungen der anderen das blinde Ungestüm seiner Wegspur begleiten? Er hört nichts, er sieht nichts, er stürmt immerzu weiter dahin über Stock und Stein, den Blick ins Blaue gerichtet, dem überwertigen Phantom nachjagend, bis
er am Ende selber über die barte Realität der Gruben und Löcher am Wege stolpert und einen bitter-schmerzvollen Fall tut . . .
Wie Deutschland seinen eigenen politischen Betätigungsradius vollkommen falsch abschätzte, wie es — eingeengt und eingezwängt in die denkbar schlechtesten Grenzen der Welt — der schulmeistergezeugten Wahnsinnsidee nachjagte, seine legitime Erstarkung exzentrisch und nach den drei Richtungen des stärksten Widerstandes statt konzentrisch nach jenen des geringsten Widerstandes auswirken zu lassen: genau so ging es völlig in die Irre in der Einschätzung der politischen Psychologie seiner Nachbarn! Wir werden ja darüber noch manches zu sagen haben. Hier nur soviel, als zum Beweise schulmeisterlichen Unverstandes in allen Dingen politischer Psychologie vonnöten ist. Deutschlands politisches Denken zeigte sich auch da festgenagelt auf den Horizont eines lebensfremden Gymnasialoberlehrers und die ihn begrenzenden schematischen Begriffe: Österreich-Ungarn war der „treue Bundesgenosse”, sozusagen das „eiserne Inventarstück”, auf das man sich verlassen zu können glaubte; das bißchen Jesuitenkamarilla bagatellisierte man ganz so wie die seit Jahrzehnten immer drohender werdenden Wetterzeichen in und um Prag, vor der Schwelle des blühenden sächsischen Landes, wie den stillen Slawisierungs-kurs, den die Namen Taaffe, Badeni und Thun kennzeichnen, wie Budapest, Agram, Lemberg, Triest; denn man hatte nun einmal sein Nibelungenschema …. Mit Italien war es kaum anders. Rußland — je nun, da schwankte man hin und her zwischen Überschätzung und Unterschätzung, machte sich aber jedenfalls allseits unbeliebt. Frankreich war die „schmollende Marianne”, der man bloß ein bißchen (Schema: Goethe) schöntun oder zur Abwechslung wohl auch die Peitsche zeigen (Schema: Nietzsche) zu müssen glaubte, um sie hübsch „kirre” zu machen, ja womöglich an die eigene Seite (!) ziehen zu können; mit „Kleinigkeiten” wie den Pariser Pressezuständen, der Pariser Freimaurerei, dem Revanchegedanken gab man sich nicht weiter ab, tat aber durch ahnungsloses Ungeschick im Elsaß alles, um letzteren wachzuhalten. Gerade das Elsaß gibt ein ebenso klassisches wie trauriges Zeugnis ab für das grenzenlose Ungeschick und die völlige Desorientiertheit in allen psychologischen Belangen, derlei die deutsche Politik kennzeichnet. War es doch klar, daß ein so durch und durch süddeutscher Volksstamm, wie es die Elsässer sind, auf den überdies durch zwei Jahrhunderte französische Kultureinflüsse eingewirkt hatten, unmöglich nach norddeutscher und nun gar erst nach preußischer Methode verwaltet und daß er damit Deutschland nie wieder gewonnen werden konnte; wenn aber schon einmal dieser Weg eingeschlagen worden war, dann mußte er nach französischen Vorbildern (Frankreich kennt — unter allgemeiner Zustimmung aller Franzosen — gegen jede nichtfranzösische Regung nichts und wieder nichts als schonungslose Gewalt, ja Ausrottung samt der Wurzel) mit eiserner Konsequenz durchgeführt werden, dann durfte es nicht sein, daß die unterschiedlichen deutschen Schulmeister einander sozusagen angesichts des Zöglings und darüber hinaus in den Haaren liegen und daß sie miteinander keifend disputieren konnten über die Zweckmäßigkeit ihrer unterschiedlichen Erziehungssysteme. Man braucht aber nur das Wort „Zabern” in Erinnerung zu bringen, um sofort deutlich werden zu lassen, wie bedenkenlos vor aller Welt die unterschiedlichen deutschen Reichsschulmeister und Reichsoberlehrer aufeinander loshacken konnten, jeder in fanatischer Eigenidolatrie dermaßen eingesponnen, daß er gar nicht imstande war, sich selbst Rechenschaft darüber zu geben, in wie hohem Maße solches Schulmeister-gezänke vor aller Welt, gleichgültig ob es von rechts oder von links her kam, den deutschen Namen schädigen mußte! Dies war aber nicht nur unpsychologisch hinsichtlich des Elsaß gehandelt, es war auch geeignet, die Achtung der ganzen Welt vor einer Nation, deren Wortführer, so wenig nationale Selbstachtung bekundeten, deren Verwalter so grenzenlos bar jedes politischen Sinnes waren, daß sie nach mehr als vierzig Jahren nicht den Weg zu finden vermocht hatten zu der Seele eines im Grunde urdeutschen Volksstammes, wie es der elsässische ist, gewaltig herabzusetzen; so wie es die Achtung vor Erziehern herabsetzen muß, wenn sie nicht allein falsche Systeme in der Erziehung eines Zöglings einschlagen, sondern zu alledem noch im Angesichte des Zöglings und der Mitwelt über die Zweckmäßigkeit ihrer persönlichen Erziehungssysteme fanatisch eifersüchtige Disputationen abhalten.
Und nun bedenke man: eine Nation, deren entsetzensvolles Ungeschick in allen psychologischen Dingen, deren darin wurzelnde Unfähigkeit, einen entfremdeten Stamm dem großen Vaterlande neu zu gewinnen, sie vor der ganzen Welt bloßgestellt und einen gefährlichen schwachen Punkt enthüllt hatte; eine Nation mit einer solchen Achillesferse; eine Nation mit so dürftigem und fragwürdigem äußeren Rückhalt, dafür aber zwei ungeheuer gefährdeten Flankenlinien zu Lande; eine solche Nation ließ sich auf das ungeheuere Wagnis ein, einer Schulmeisterdoktrin blind nachjagend, auch noch Seegroßmachtsgelüste zu nähren und dadurch mit tödlicher Sicherheit zu allen ihren Feinden noch einen neuen, den furchtbarsten von allen sich zu schaffen! Und wenn die leitenden Reichsschulmeister und Reichsdoktrinäre dabei noch schlau, d. h. psychologisch zu Werke gegangen wären! Aber man darf getrost sagen, es sei wohl in allem und jedem sozusagen das Gegenteil von dem geschehen, was man psychologische Behandlung eines Subjektes nennen darf: auf der einen Seite erging man sich in ebenso sentimentalen wie praktisch inhaltlosen Anbiederungen an die Engländer, eine Nation, von der doch jedermann weiß, daß sie nur für nüchterne reale Werte Sinn und Verständnis besitzt; auf der anderen Seite aber gefiel man sich England gegenüber in der etwas kindischen Rolle desjenigen, der einem anderen immerzu mit seinem neuen Dolchmesser unter der Nase herumfuchtelt und dieses anmutige Spiel bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit mit der mehr oder minder liebenswürdigen Ansage begleitet, ihm dieses Dolchmesser bei nächster Gelegenheit in den Leib rennen zu wollen! Es sei nochmals betont, daß ein derartiges Markieren der Zuckerbrot- und Peitschetaktik England gegenüber ausgesprochen kindisch wirken mußte angesichts des Umstandes, daß der Engländer ja doch schließlich ein etliche Nasenlängen größeres Dolchmesser besaß und zudem sehr genau wußte, daß der Deutsche, sowie es zum Klappen mit ihm käme, sowohl von der rechten wie von der linken Flanke her von sicheren Feinden angefallen würde. Nicht umsonst nannten englische Staatsmänner die deutsche politische Psychologie ungeschminkt „dumm” . ..!
Zweierlei mußte daher wieder die Folge sein: erstens Verachtung für eine Tölpelhaftigkeit, die derlei kindisch-schülerhafte Methoden, das Produkt weltfremder Schulmeisterei, in die politischen Manieren der Welt einführte; und zweitens ein mächtig ansteigender Haß gegen diese knabenhafte Stümperei angesichts der Tatsache, daß sie immerhin stark genug schien, um wenigstens den Versuch eines nicht unbedenklichen Angriffes auf die beati possidentes zu machen und dadurch den Weltfrieden umzustürzen. Natürlich lag solches dem rechtschaffenen Sinn des deutschen Volkes so ferne wie nur möglich und auch seine Lenker dachten daran im Ernste nicht: allein genau wie im menschlichen Einzelleben kommt auch im Völkerleben das meiste auf den Schein an, und dieser Schein zeugte angesichts der schier grenzenlosen Unpsychologie deutscher Politik gegen das deutsche Volk; umsomehr, als, wie gewiß nicht übersehen werden darf, jede deutsche Ungeschicklichkeit von den Nutznießern des Deutschenhasses aufs gründlichste ausgenützt worden ist. So haben wir wiederum eine neue Quelle des Deutschenhasses erschlossen; und sind mit unserer traurigen Analyse noch lange nicht zu Ende …
Die psychologischen Ursachen des Deutschenhasses
a) Bedingt durch die Psychologie des deutschen Volkes selbst.
Die psychologischen Ursachen des Deutschenhasses ergründen wollen, erfordert zunächst, sich mit einigen Kapiteln aus der Psychologie des deutschen Volkes selber zu befassen.
Es war freilich notwendig, schon im Rahmen der früheren Abschnitte nicht wenig von dem vorwegzunehmen, was streng genommen erst im Rahmen dieses Kapitels zur Sprache kommen sollte; aber die Dinge lassen sich eben nirgends scharf gegeneinander abgrenzen, Geschichte, Ökonomie, Politik, das alles greift auch ins psychologische Gebiet hinüber. Nunmehr gilt es aber, dieses letztere allein ins Auge zu fassen und sich zu fragen: ist in den psychologischen Gegebenheiten des deutschen Volkes nicht auch vieles und was ist es, was darin zum Anknüpfungspunkte wird für deutschenhasserische Gefühlskomplexe und Gedankenreihen?
Auch die Beantwortung dieser Fragen wird ohne ver-schiedentliche historische Rückblicke nicht möglich sein; es sind also neben den deskriptiven doch auch historisch-psychologische Aufgaben im Rahmen dieses Kapitels zu erfüllen.
Wir wissen bereits, in welchem Maße von jeher der Individualismus das deutsche Seelenleben gekennzeichnet hat. In den Vorzeiten deutscher Geschichte wirkt er vor allem auf dem Gebiete des unmittelbar leiblich-eudämonischen Interesses; mit dem Fortschreiten der kulturgeschichtlichen Entwicklung weitet sich sein Bereich, es erstreckt sich nun auch auf das geistige Gebiet Da wie dort aber wirkt er letzten Endes antisozial. Doch kommt es gelegentlich zu VerteidigungsZweckgruppierungen gegen gemeinsame Widersacher, und es kommt dann auf addi-tionellem Wege zu einer Art Kollektivindividualismus, wie wir ihn schon kennen gelernt haben; allein es fehlt dem germanischen Menschen von Anfang an jener primäre Kongregationstrieb, wie er für andere, auch für kulturell entwickelte Völker •von je so sehr charakteristisch, ist. Man erinnere sich, wie vom klassischen Altertum bis zum heutigen Tage für die Völker des klassischen Kulturkreises und ihre modernen Nachfahren die „Agora” das Forum den eigentlichen Mittelpunkt des seelischen Seins bedeutet; man erinnere sich, wie von ihrem ersten Auftreten in der Geschichte bis zum heutigen Tage die Slawen ihre Ansiedlungen als eng geschmiegte Häusergruppen, mit einem „Ringplatze” inmitten, erbauten, der einstmals wie heute noch den Treffpunkt und Mittelpunkt ihres gesellschaftlichen Seins bedeutet. Demgegenüber ist der Germane von jeher Eingänger, Eigenbrötler, sein Haus, sein Hof ist seine Welt, oder — wie es der angelsächsische Germane ausdrückt — „my house is my castle”. So ist es auch im deutschen Norden ursprünglich gewesen, so im deutschen Süden, und selbst wo sich Deutsche zu geschlossenen Siedlungen zusammenfanden, da waren es ursprünglich Reihensiedlungen ohne Zentrum, jedes Haus, jeder Hof für sich geschlossen, oft räumlich nicht unbeträchtlich von dem Nachbarhause, dem Nachbarhofe abstehend. Städtesiedlungen aber scheinen ursprünglich dem Deutschen fremd: sie entwickeln sich zunächst nur dort, wo die Römer Heerlager angelegt hatten und später, im Mittel-alter, als befestigte Waffenplätze, als Häusergruppen im Schutze einer Burg, also als Siedlungen, die primären Siedlungsbedürfnissen gar nicht entsprachen, sondern nur sekundären Ursprungs sind, deren Zweckgedanke dem Volksgeiste ursprünglich fremd scheint und ihm von fremden oder durch die Schule fremden Geistes gegangenen Herrschern aufgezwungen wird. Man halte daneben, daß die Slawen, schon als sie noch heidnisch und auf primitiver Kulturstufe gewesen, blühende Stadt wesen gegründet hatten, die damals schon lebhafte Handelsplätze waren (indes der germanische Handelsgeist erst später zur Welt kommt, dafür aber dann um so intensiver und universeller pulsiert); haben doch fast alle deutschen Städte ostwärts der Elbe—Saale-Linie schon in der Wendenzeit bestanden!
Sicherlich steht der ursprünglich relativ dürftige sprachliche Mitteilungsdrang des germanischen Wesens, seine Wortkargheit („Nemec” — der Stumme!) in enger psychologischer Beziehung zu dieser ursprünglich asozialen Art germanischen Wesens. Wo das Germanentum sich relativ rassenrein erhalten hat, wie im deutschen Nordwesten, in manchen Gegenden Bayerns, dann in Holland, Skandinavien und in den höheren Schichten Englands, da ist heute noch eine gewisse Knappheit und Kargheit des sprachlichen Ausdrucksbedürfnisses landesüblich und schlägt dem lebhafteren Südländer oder Osteuropäer wie Nordwind ins Gesicht. In entsprechend abgedämpfterem Maße gilt dies aber für das ganze deutsche Volk — das uns ja hier allein interessiert —, (wenngleich es unter allen germanischen Völkern weitaus am meisten mit ungermanischen Elementen durchsetzt ist; die Angelsachsen sind in ihren oberen und mittleren Schichten zweifelsohne rassenreinere Germanen als etwa die Deutschen östlich der Elbe und Saale oder südlich des Thüringerwaldes in den äquiparierenden gesellschaftlichen Ständen), wenigstens im Vergleiche zu den nichtgermanischen Völkern, zumal den romanischen und slawischen Nachbarn. Zugegeben, daß der Rheinländer, der Pfälzer, der Mainfranke, der Wiener und der — Berliner, dieser vor allem, heutzutage über eine ganz gehörige Suada verfügen, sie sind immer noch rechte „ Stummerin” im Vergleiche etwa zum Italiener oder zum Tschechen oder zum Polen! In Wien, wo es ja slawischer Gäste nicht so wenige gibt, mag man oft die Bemerkung machen, daß zwölf deutsche Wiener, die miteinander konversieren, nicht entfernt so laut und so wortreich werden denn das Dritteil tschechischer oder polnischer Gäste am Nebentisch! Und daß ihnen die „große Geste” des Romanen und Slawen vollends fehlt.
Völkerpsychologisch ist dies von grundlegender Bedeutung. Der germanische und also ursprünglich auch deutsche Eigenbrötler, Eingänger, Einöder hat soziale Instinkte von ehedem auch nicht entfernt in dem Maße zu entwickeln Gelegenheit gehabt wie andersvölkische Menschenkinder; Zusammensein, Zusammenleben mit anderen Menschen — mit Stammesverwan’dten selbst — außer mit den Gliedern der allerengsten eigenen Sippe ist ihm ursprünglich etwas Fremdes, und nur widerstrebend fügt er sich gelegentlichem Zweck-verbande und vollends späterer Kongregationssiedlung. Kein Wunder also, daß der deutschen Seele jenes Maß von Einfühlungsfähigkeit in die Seele der Mitmenschen, derlei bei anderen Völkern schon in ihrer Vorzeit vorhanden ist und sozialen und darum nationalen Zusammengehörigkeitssinn bei ihnen schon früh sich entwickeln läßt, abgeht; dies auch der Urgrund des dürftigen nationalen Einheitsgefühls und Solidaritätsbedürfnisses; nebenher aber auch des beim Deutschen so häufigen Unvermögens, sich in die Seele anderer Menschen überhaupt, also erst recht in jene anderer Völker einzufühlen, seines oft so kläglichen Versagens in allen Erfordernissen praktischer Lebenspsychologie; denn derlei ist nur sozial gerichteten Menscheuseelen möglich, nur im sozialen Zusammenleben zu erwerben, nicht aber im asozialen, ja oft antisozialen, wie es das deutsche Volksleben gewesen ist.
So hat also eine Eigenschaft, die dem Germanentum tief im Geblüte zu sitzen scheint, zur Konsequenz, daß die Bedingungen wechselseitiger psychologischer Fühlungnahme von Mensch zu Mensch hier in weitaus geringerer Ausprägung gegeben erscheinen als bei anderen Kulturvölkern. Gleichwohl muß eines auffallen: daß gerade das deutsche Volk, wiewohl es doch nicht das germanischeste unter den germanischen Völkern ist, .in weiten Schichten diese Eigentümlichkeit am zähesten bewahrt, ja vertieft hat, indes andere germanische Nationen sie zu überwinden imstande waren.
Der Grund hiefür dürfte in historischen Verhältnissen gelegen sein. Die Geschichte hat es mit sich gebracht, daß alle anderen germanischen Völker frühzeitig zu nationalen Einheitsstaaten erwuchsen; das kam daher, daß sie — wie England und Dänemark — durch die insulare, beziehungsweise halbinsulare Abgeschlossenheit oder — wie Norwegen — durch die am Meere exponierte Lage dazu gedrängt wurden, oder — wie Schweden — durch die rauhe Faust der Könige, welche die widerstrebenden Adeligen zu Paaren getrieben hatten; dazu kam, daß keines dieser Völker das Unglück hatte, in den Bannkreis des Begriffes „Rom” hineinzugeraten, welcher als Ferment der Dekomposition wirksam war. Es bildete sich also überall anderswo im Staate die Nation als politische Gemeinschaft und als solche trat sie der Krone gegenüber, mit der sie alsbald in einen Widerstreit geriet, aus dem aber allenthalben in germanischen Landen der Freiheitsgedanke siegreich hervorging; in der Schweiz und in den Niederlanden zum unwiederbringlichen Schaden der deutschen Gesamtnation, deren Vertreter in der kritischen Zeit leider die Tyrannis verkörperten! Die Folge war aber jeweils die unwillkürliche Zusammenfassung des Volkes zu einer wenn auch nur in allgemeinstem Umfange sozialen, in einer Richtung wenigstens seelisch homogen orientierten und zu gegenseitiger Einfühlung ihrer Glieder anfällig gewordenen Gemeinschaft, dergestalt, daß selbst in aristokratisch geschichteten Nationen — England, Schweden — früh schon etwas wie ein demokratisch gerichteter nationaler Instinkt erwachte, der Volksgenossen und Volksgenossen einander verstehen lehrte und dadurch‘ das Schädliche an dem extremen Individualismus überwand. Denn nur aus sozialem Gemeingefühle kann ein lebensstarkes nationales Gemeingefühl, kann übrigens auch politisches Gefühl, politischer Sinn erwachen; wobei natürlich soziales und Klassenbewußtsein nicht restlos ein und dasselbe sind: so hatten etwa die Ghettojuden ein starkes soziales Gemeinbewußtsein, nicht aber ein gemeinsames Klassenbewußtsein.
Anders in Deutschland. Hier hinderte der tausendjährige Kampf um Rom und mit Rom die nationale Zusammenfassung, er wirkte, indem er Reichsoberhaupt und Teilfürsten, überhaupt Deutsche und Deutsche einander entfremdete, zunächst zersetzend, indem er — dank den Intrigen Roms — Teilfürsten gegen Teilfürsten und diese gegen das Reichshaupt wechselweise ausspielte und mit den Häuptern auch ihre Untertanen durcheinanderhetzte und so schon vor der Reformation jedem nationalen Gemeinschaftsbewußtsein obstruierte, bis die Reformation und die darauffolgende böse Zeit der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges die Nation vollends in zwei untereinander wieder x-fach gespaltene Lager zerriß. Diese Zerrissenheit konnte aber natürlich auch kein wahrhaft soziales Leben aufkommen lassen; denn nichts konnte ja einer schädlichen Hypertrophie des Individualismus mehr entgegenkommen, nichts der ominösen Eigenidolatrie förderlicher sein als jene; lag doch im Wesen jedes der Duodezstätchen die Tendenz, sich mit allen äußeren Attributen der Souveränität auszuschmücken, sich ein Heer von Würdenträgern, Beamten und Bediensteten verschiedener Art zu schaffen, die Kastengliederung der Bevölkerung zu kultivieren, diese überhaupt getreu dem alten Grundsätze „divide et impera” auch psychologisch in Partikelchen zu spalten, die sich untereinander nicht als Brüder, sondern nur zu oft als Gegner betrachteten und behandelten; was aber von jedem dieser Mikrokosmen galt, das galt vom Makrokosmos Deutschland in seiner Gesamtheit: Einzelstaaten, Stände, Klassen, Konfessionen, Zünfte, nirgends standen sie einander schroffer gegenüber als in Deutschland, nirgends wurde aber auch diese Gegnerschaft mit macchiavellistischeren Mitteln von oben her begünstigt und genährt als in deutschen Landen! Den Duodezeitelkeiten der Fürsten entsprachen Myriadezeitelkteiten (sit venia verbo) der Untertanen, nicht minder gehegt und gepflegt wie jene und im Laufe einer vielhundertjährigen nationalen Leidensgeschichte derart auf Kosten des Yolksganzen hyper-trophiert, daß sich ein wahres Nationalbewußtsein erst spät entwickeln konnte, und auch dann nicht schlackenfrei, schon darum nicht, weil auch im neuen Deutschland die alten Kräfte, sei es auch nicht mehr in solcher Stärke wie in der „guten alten Zeit” fortwirkten. Jene Philisterhaftigkeit und jeno politische Interesselosigkeit und Engstirnigkeit, die dem Deutschen solange anhafteten, sie stammen sehr wesentlich von daher.
Die Folgeerscheinungen sind nur zu bekannt: Keines anderen Volkes Psyche als wie jene des Deutschen ist in solchem Maße durchdrungen von Kastengeist, von Sonderbündelei, von großen und kleinen Eitelkeiten, Hochnäsigkeiten und Untertänigkeiten, zwischen den Gruppen wie zwischen den Einzelgliedern der Nation; wenig Deutsche, die nicht idolatrisch befangen wären in dem Kult ihrer Gruppe, es sei nun eine landsmannschaftliche oder eine ständische, eine berufliche, eine geistige, eine sportliche, was immer für eine, oder aber es bestünde diese Gruppe gerade nur aus — ihnen selbst! Wenig Deutsche, denen nicht das Zusammengehörigkeitsgefühl, das Gemeinsamkeitsbewußtsein mit ihrer „Gruppe”, in der sie ja nichts als das kollektive Spiegelbild ihres eigenen seelischen Ich erkennen, im reinkultivierten Extremfall aber auch selbst ihr eigenes seelisches Ich ungleich höher wertete denn das Gemeinsamkeitsbewußtsein der Yolksgesamtheit, ist doch dieso für nur allzuviele Deutsche eine Art „Mischmasch”, darin, ihnen kein Unterschied wahrnehmbar dünkt zwischen den unterschiedlichen physischen und geistigen „Pedigrees”. Es ist nicht zuletzt darum, daß, während anderen Völkern Nationalgefühl und Nationalbewußtsein gar nicht erst diskutable.
Selbstverständlichkeiten von hochwertigstem Gehalte sind, solches dem zünftigen Deutschen sich gar nicht von selber versteht, sondern ihm sozusagen in jedem Einzelfalle ein besonderes „Problem” dünkt, dessen Wertigkeit erst geprüft zu werden hat und diese Prüfung nur zu oft gar nicht besteht; nur in deutschen Landen ist darum das Mißverständnis möglich, als sei Nationalität eine „Mode jungen Datums” und „vergänglich wie jede andere Mode”; ein höchst fatales Mißverständnis, weil es eine — bitter traurige und dem Dasein des Volksganzen äußerst gefährliche — Gegebenheit deutscher Psychologie kritiklos auf die Gesamtmenschheit überträgt, deren einzelvölkische Glieder von jeher oder mindestens schon seit unvordenklicher Zeit, um so mehr, je höher ihre Kulturstufe, ganz ausgesprochen und selbstverständlich national orientiert waren und sind! Nur in deutschen Landen konnte der Wahnwitz Blüten treiben, als sei es „reaktionär”, sich national zu betätigen, wo doch im Gegenteil gerade alle reaktionären Abbaukräfte, die innerhalb Deutschlands allzulange wirksam gewesen sind und es leider immer noch sind, bewußt und unbewußt im Sinne antinationaler Strebungen arbeiteten und noch arbeiten und daher jeder Fortschritt zunächst und unmittelbar auch auf die seelische Überwindung dieser antinationalen, die Volksgesamtheit zersplitternden Kräfte gerichtet sein muß! Gerade die deutsche Sozialdemokratie von heute hat, bewußt und instinktiv, diese schlichte Wahrheit erfaßt und hat erkannt, daß nur über das bewußte Festhalten am Nationalen der Weg zum wahren Weltbürgertum führt, gerade wie man, mit seltenen Ausnahmen, die keiner Regel gleichwerten, kein richtiger Fünfziger sein kann, wenn man vorher kein rechter Dreißiger und Vierziger gewesen ist. National und nationalistisch ist allerdings durchaus zweierlei. Allein bezeichnenderweise sind diese anderwärts so durchaus schlichten und selbstverständlichen psychologischen Tatsachen und Forderungen in deutschen Landen außer Kurswert. Immer noch zog es den Deutschen mehr zum Standesgenossen, zum Glaubensgenossen, zum Zunftgenossen, zum Weltanschauungsgenossen, gleichgültig ob gleicher oder fremder Nation, denn zum eigenen Volksgenossen anderen Standes, anderen Glaubens, anderer Zunft, anderer Weltanschauung, und alles das, worauf sich so viele Deutsche soviel zugute tun, alles in verschiedenem Gewände, in verschiedener Farbe immer ein und dasselbe, so dem einen hochheilige Tradition, dem anderen Inbegriff aller Fortgeschrittenheit erscheint, alles das ist ersten und letzten Endes nichts als Ausfluß einer von jahrhundertealten nationsfeindlichen Mächten besorgten künstlichen Überzüchtung jener Eigenschaft der germanischen Seele, deren soziale Begrenzung viele herrliche Früchte getragen, deren antisoziale Hypertrophierung aber die furchtbarsten Verwüstungen angerichtet hat: des Individualismus.
Man vermag sich leicht auszumalen, welche Folgen dieser psychologische Zustand für das Ansehen des deutschen Volkes in der Welt haben mußte. Der Nichtdeutsche sah und sieht noch heute in uns eine Nation vor sich, die sich seinem Auge als ein gerade nur sprachlich einheitliches Riesenbündel von 70 Millionen Einzelmenschen und Menschengruppen und -grüppchen darstellt, denen jene innere psychologisch gemeinsame Grundlage zu fehlen scheint, wie sie sich bei anderen Nationen von selbst versteht und darum dort erst gar nicht zum Gegenstände mehr minder geschwollener Anzweiflungen oder Anpreisungen zu werden braucht: der einheitliche politisch-nationale Sinn! Welchen Eindruck soll der Welsche, soll der Slawe, soll der Angelsachse gewinnen, wenn er wahrnimmt, wie der Bayer den Preußen, der Protestant den Katholiken, der Adelige den Bürger, der Bourgeois den Proletarier, der Geheime Rat den Ungeheimen Rat, der Gelehrte den Ungelehrten, der Zünftler den Nichtzünftler, der Impressionist den Expressionisten, der Standpünktler den Gegenstandpünktler, kurz der Volksgenosse den Volksgenossen wertet wie einen Fremden, wie einen Feind, wie er ihn coram publico interno et externo ostentativ verachtet oder rücksichtslos anfällt, in ihm den Ausbund alles Niedrigen und Verwerflichen erblickt und diesen seinen Gefühlen und Anschauungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit freien Lauf läßt? Umgekehrt aber, erlittener Fußtritte selbst nicht achtend, keinen höheren Ehrgeiz weiß als in heller Eigenidolatrie sich anzubiedern an Fremdvölkische „seinesgleichen”? Welchen Eindruck soll der Nichtdeutsche gewinnen,wenn er sehen und hören muß,wie der deutsche Edelmann nichts Plöheres sich weiß, als den englischen Lord, den welschen Marquis, den slawischen Bojaren zu äffen oder ihm demütig nachzulaufen, indes er sich weigert, dem deutschen Bürger die Hand zu drücken oder in dem deutschen Arbeiter seinen Bruder zu erblicken? Wie der deutsche Geistesmensch aller Arten, das Einheimische, Bodenständige in Stoff und Art geringschätzend, fremdvölkischen oder (im Grunde ein billiges Deckwort für den Mangel sozialen Gefühls, das ja beim Nächsten, also beim Volksgenossen zuerst betätigt werden muß! Daher protzen sich bei uns reiche Knicker oder denkarme Leerköpfe mit Vorliebe zu „Weltbürgern” empor, um sich den Pflichten sozialen Opfersinns mit Hilfe eines vornehm klingenden Schlagwortes zu entziehen oder ein fein klingendes Deckwort für ihre innere Hohlheit zur Hand zu haben) kosmopolitischen Idealen nachläuft? Wie deutsche politische Parteien einander nicht wirksamer bekämpfen zu können glauben, als indem sie einander wechselseitig vor dem Auslande, auch vor dem feindlichen Auslande beschimpfen und denunzieren und ostentativ ihr ideelles, wenn nicht gar ihr nacktes materielles Interesse über Volk und Vaterland stellen, gierig nach Beifall und Gunst selbst des Feindes? Wie kann es anders sein, als daß der Nichtdeutsche den Deutschen ob all dieser Dinge verachtet? Daß er seine nationale Einheit geringschätzt oder gar für ein Kunstprodukt hält? Und in der von urreaktionären Kräften geförderten Spaltung den natürlich gegebenen Zustand erblickt? Daß aber diese Verachtung wiederum in Haß Umschlägen muß in dem Augenblicke, wo das „Unglaubliche”, die deutsche Einigkeit sich, wenn auch immer erst in zwölfter Stunde — es ist der Fluch deutscher Geschichte, daß sich jede ihrer Phasen immer erst in jenem Augenblicke zu vollenden scheint, wo es schon fast „zu spät” und oft unwiderruflich zu spät ist — denn doch als Tatsache erweist? Und wenn der im Alltagsleben latente, ja künstlich gestaute nationale Einheitssinn zuzeiten mit urplötzlicher, elementarer Gewalt hervorbricht, gleich einem, schlagenden, alles verheerenden Wetter: furor teutonicus…..!
Das ist eben das nationale Unglück! Wäre der Deutsche im Alltag so selbstverständlich national, wie es, ohne darum Nationalist zu sein, der Angelsachse, der Romane, der Slawe ist, staute er nicht das Nationale in sich im Alltage als zu „gewöhnlich” zurück, wäre es in seinem Fühlen und Denken, Tun und Lassen selbstverständlicher und darum harmonischer verankert, es täte nicht not, daß es dann fallweise mit so brutaler Massenwucht hervorbräche, um alsbald wieder jäh in sich zusammenzusinken, es wäre dann keine geringschätzige Verachtung bei den anderen ob des Fehlens nationaler Würde, aber auch kein siedender Haß ob des Entsetzens, den das brüske, unerwartete
Hervorbrechen der furiosen Sturzwelle nationalen Sinnes, mit dem niemand ernstlich gerechnet hatte, bei den Nachbarn anrichtet! Mangel an nationalem Sinn hat ja stets kompensatorisch Chauvinismus und Furor zur Folge. Das Nationale ist eben im Menschlichen gegeben; nur im Abreagieren gibt es Unterschiede. Den Deutschen tut aber dringend not, daß die habituelle Note ihres nationalen Abreagierens eine andere werde.
Gerade nun die individualistische Zerfahrenheit und die daraus resultierende nationale Schwäche waren die Wegebereiter jenes Preußentums, dem das heutige Deutschland soviel des Gehaßtwerdens dankt. Wie das gekommen ist? Das wollen wir nun beantworten.
Das, was wir das Preußentum nennen, ist seiner ganzen Natur nach wohl nur zu verstehen, wenn wir es einerseits entwicklungsgeschichtlich werten, anderseits von gewissen allgemeinen psychologischen Gegebenheiten ausgehen. Knüpfen wir gleich an diese letzteren an. Es ist eine bekannte Tatsache, daß der menschlichen Seele der Drang innewohnt, ihr Innerstes nach außen hin zu „verdecken”, ihre Schwächen zu verbergen, sie durch künstliche Überdeterminierung der ihnen entgegengesetzt gerichteten seelischen Tendenzen gleichsam zu überkompensieren; darum singt der Furchtsame im Walde, darum gibt sich der innerlich Schwache nach außen hin oft zornmütigaggressiv, der innerlich Brutale dagegen übertrieben freundlich. Was nun vom einzelnen gilt, gilt auch von Menschengruppen, gilt im weiten Sinne dann auch von Stämmen und Yölkern; nur daß es da sehr gewöhnlich die leitenden Köpfe einer Gruppen-, Stammes- oder Volksgemeinschaft sind, welche die Rolle des Gesetzgebers, d. h. also des personifizierten Exponenten der Volksseele übernehmen, dessen Streben dahin geht, daß der mehr minder dunkel gefühlte innere seelische Drang des Volksganzen, der in einzelnen Köpfen bewußt wird, zum Gesetz und zur Sitte werde; dieses war die Rolle der Propheten des Alten Testamentes, des Lykurg und des Solon im alten Hellas, der Apostel des Urchristentums im Spätaltertum. Und so sehen wir also auch, wie die germanische Volksseele, sowie einmal der äußere, naturnotwendige Zwang staatlicher Gemeinschaft den tiefwurzelnden Individualismus des einzelnen zurückzudämmen erheischt, sich ein „Korrektiv” ersehnt, welches ihr schließlich denn auch erwächst, und zwar — der freieren germanischen Art gemäß — weniger im Gesetz als in der Sitte.
Diese Sitte ist oft, wenn nicht meist ein ungeschriebenes Gesetz; aber dieses ungeschriebene Gesetz erreicht in der germanischen Welt an zwei Stellen eine ganz ungeheure Macht, allerdings infolge historischer Entwicklungen; ein Gesetz, dessen Antlitz freilich bei den beiden Völkergruppen, unter denen es in Wirksamkeit getreten ist, keineswegs die nämlichen Züge aufweist: während nämlich bei den Angelsachsen eine allerdings ziemlich äußerliche religiöse Bindung der ursprünglichen individualaktivistischen Tendenzen der Seele durch die Grundsätze des Puritanismus (von denen auch die Gesetze der profanen angelsächsischen Sitten sich herleiten) erfolgt ist, war diese Bindung auf deutschem Boden, und zwar zunächst in Preußen ein Werk des Schulmeistertums, von dem der „Militarismus” nur der älteste und repräsentativste Spröß-ling ist, von dem aber ebensogut alles andere an preußischer (und überhaupt neudeutscher) Sitte, im Guten wie im Schlimmen, herstammt Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man ausspricht, daß im allertiefsten Grunde der Kampf zwischen den beiden germanischen Vetterrassen der Konkurrenzkampf um die Vorherrschaft gewesen sei zwischen den beiden Systemen seelischer Bindung und Zügelung des ursprünglichen germanischen Individualismus, des religiösen (und so vielfach auchpseudoreligiösen) Puritanismus auf angelsächsischer, des wissenschaftlichen (und so vielfach auch pseudowissenschaftlichen) Schulmeistertums auf deutscher Seite. Da aber die Methoden der Religion und ihrer Propaganda „psychologischer” sind als jene der Wissenschaft und ihrer Systeme, da die ersteren mehr Macht entfalten über die Gemüter und das Gemüt über den Geist bis heute immer noch triumphiert hat, darum war psychologisch der Kampf zwischen angelsächsischem Germanentum und deutschem Germanentum um die Seele der Welt im Keime bereits zu unseren, zu deutschen Ungunsten entschieden, ehe noch auf Erden die Würfel gegen uns Deutsche gefallen sind .. .
Die historische Entwicklung der angelsächsischen Sitte hier abzuhandeln, kann meine Aufgabe nicht sein, zumal dies Berufenere schon besorgt haben; ich muß mich in diesem Belange hier begnügen, festzustellen, was ist. Ich muß mich begnügen, den tieferen psychologischen Ursachen der historischen Entwicklung des preußischen Schulmeistertums nachzuspüren. Denn ich behaupte: die alten Markgrafen von Brandenburg und ihre Gehilfen, die Begründer des „Preußentums”, sind durch die strenge Schulmeisterlichkeit ihrer Zucht charakterisiert, davon der sichtbarste Teileffekt, der militärische, trotz seiner scheinbaren Signifikanz eben doch nur ein Teilergebnis ist.
Zum Verständnisse ist es nötig davon auszugehen, daß es Kolonialland, und zwar ursprünglich recht spröder und dürftiger Kolonialboden war, auf dem die Brandenburger und in der Folge die preußischen Fürsten ihr Werk aufzubauen hatten; um es erfolgreich in die Wege leiten zu können, war zweierlei vonnöten: Besiedlung und Arbeit; da aber die Arbeit notwendigerweise eine harte sein, da jede Frucht der Natur erst mühsam abgerungen werden mußte, war von Anbeginn an eine strenge Rationalisierung der Arbeit erforderlich; damit aber war es nicht genug: es galt, die widerstrebenden, individualistischen Geister der Landbarone, aber auch der sehr verschiedenen, wenn auch vorwiegend niederdeutschen Stämmen entsprossenen Ansiedler und zu alledem noch den Geist der ja doch nichts weniger als restlos ausgerotteten slawischen Eingeborenen in zielstrebiger Weise zusammenzufassen, zu parallelisieren, um zu nutzbringendem Ergebnis, zu gelangen, aus Steinen Brot, aus Sanddünen Getreidefelder, aus Territorien einen Staat zu formen; mit Gewalt, mit „Bayonetten” allein war das aber nicht zu machen, wenn nicht diese Gewalt selber organisch aus den straff zusammengefaßten Energien hervorwuchs, welche die Vorbedingung des Werdens eines preußischen Staates abgaben; es war also notwendig, die Seele des Volkes, welches dieses Territorium bewohnte, zu harter, fruchtverheißender Arbeit zu ertüchtigen und zu gemeinschaftlichem, zielbewußtem Arbeiten zu organisieren, gleichgültig, ob diese Arbeit eine Arbeit mit der Egge war oder eine solche mit der Kelle oder mit dem Schwerte oder mit der Feder. Auch dies aber konnte wieder nicht mit Gewalt und wieder nur Gewalt allein gemacht werden; es konnte auch nicht mit Religion allein gemacht werden; denn der Zeitgeist der damaligen Religion war mehr auf mystisches Grübeln gerichtet denn auf das Evangelium der Arbeit. Das Evangelium der Arbeit als einer kategorischen Pflicht mußte also in mehr lehrhafter Weise dem Volksganzen beigebracht werden; und so wurde das Lehrhafte, welches dem Preußischen so sehr anhaftet, es so sehr kennzeichnet; und von ihm, seit Neudeutschland geworden ist, auf das ganze Deutschtum mehr
oder weniger intensiv ausstrahlte, das Lehrhafte, Schulmeisterhafte des deutschen Mannes im Bürgerkleide wie im Waffenrocke, das Gouvernantenhafte der deutschen Frau in Haus, Arbeit und Gesellschaft.
Die lehrhafte, schulmeisterliche, methodisch-organisatorische Gebundenheit des preußischen Wesens, wie sie im Laufe der Jahrhunderte geworden ist und im Laufe der letzten 50 Jahre von Preußen her rapide über das übrige Deutschland sich verbreitet und demselben den Stempel aufgedrückt hat, hat unzweifelhaft der deutschen Nation, nicht nur in ihrem preußischen Anteile, unschätzbaren Nutzen gebracht, .ob wir nun die Sache von der Seite des bürgerlichen und des geistigen Lebens her betrachten oder von jener des militärischen und des politischen. Zunächst hat sie sich als ein Korrektiv erwiesen gegenüber überindividualistischer Denk- und Fühlweise: der Schulmeister trachtet ja die Seelen mehr oder weniger parallel oder konvergent einzustellen; und in der Tat ist es dem preußischen Schulmeister gelungen, die Geister derart zu zügeln und mit seiner Art zu infiltrieren, daß sie selber schulmeisterlich geworden sind, daß eine Art Schul-meisterlichkeit für das ganze Leben dem preußischen Typus zur zweiten Natur wurde und daß darin eine gewisse Ausgleichung, Homogenisierung und Zusammenbündelung der ihrer germanischen Grundlage nach auseinanderstrebenden Glieder erzielt wurde; von der ethischen Seite sekundierte dem Taktstock des Schulmeisters der Pflichtbegriff, der, durch Kants Lehren geheiligt, sozusagen die ideale Folie für die parallelisierende Organisation der Geister abgab; der Schulmeister, der für den typischen Preußen alsbald zum „inneren” Schulmeister, zum personifiziert gedachten Gewissen wurde, wacht darüber, daß das sittliche Gebot pflichtgemäß zielbewußter, methodisch auf einen hohem Zweck hin eingestellter, also nicht so sehr individuellem als vielmehr der sozialen Gemeinschaft, dem Staatsganzen dienenden Nutzen zugewendeter Arbeit geheiligt und befolgt werde; er schafft jenes Evangelium der Arbeit, der tätigen Hingabe an eine Sache um ihrer selbst willen, darin der einzelne völlig aufgeht, dessen hoher sittlicher, überindividualistische Antriebe zügelnder Wert unmöglich verkannt werden kann, so wenig wie wir Deutsche verkennen sollten, daß das angelsächsische Seitenstück, der Puritanismus mit seinen mehr an biblische Satzungen anknüpfenden Lebensnormen auf seine Art überindividualistische Regungen zügelt (nur daß beim Angelsachsen der puritanische Prediger noch um ein gut Stück unpersönlicher ist als beim Preußen der Schulmeister und daß darum der Angelsachse in seinem Wesen den Predigerton — wenngleich er an ihm unverkennbar ist, etwa in den Reden angelsächsischer Staatsmänner mit ihren häufigen Anrufungen von Christentum und Moral — wenigstens nicht im Alltag dermaßen hervorkehrt wie der Deutsche, zumal der Preuße den Schulmeisterton). Kein Zweifel, daß das, was wir die preußische — im weiteren Sinne dann überhaupt die deutsche — Tüchtigkeit nennen, dem preußischen Schulmeister, der preußischen Schulmeisterlichkeit, direkt oder mindestens indirekt, zu danken ist; jene Tüchtigkeit, die dem Deutschtum soviel äußere Erfolge eingetragen hat und uns, wie wir alle zuversichtlich hoffen, aus unserem jetzigen nationalen und wirtschaftlichen Elend wieder heraushelfen wird, ganz ebenso, wie wir hoffen, daß die innere Stimme des preußischen Zucht-und Schulmeisters in uns, daß dieses unser personifiziertes Gewissen uns mit erhobenem Finger alsbald wieder zu zielbewußter Arbeit zurückrufen werde, auf daß das Wort wieder wahr werde, daß der Deutsche bei der Arbeit sein Bestes gebe; auf daß wir jene Arbeitsfreudigkeit um ihrer selbst willen wieder gewinnen, die unser deutscher Bürgeradel ist, den wir unserem Schul- und Zuchtmeister danken. Auch auf geistigem Gebiete, im Reiche der Gedanken, des wissenschaftlichen Forschens wie namentlich der angewandten Wissenschaft, schuldet das deutsche Volk seinem Schul- und Zuchtmeister unauslöschlichen Dank; war er es doch, der das Volk der individualistischen Dichter und Denker zweckbewußtes, zielstrebiges, organisiertes Denken gelehrt hat; das hat sich besonders segensreich erwiesen auf den Gebieten des Handels und Wandels; der deutsche Geist, vordem in den Wolken schwebend, hat sich gewöhnt, auch die Gefilde irdischen Gemeinwohles zu befruchten, er hat von da unschwer den Weg zur Technologie, zur Industrie, zur praktischen Medizin, zu hunderten und tausenden nützlichen und nutzbringenden Dingen gefunden; und indem er jene methodisch-wissenschaftliche Schulung mitbrachte, die er von seinem vorbildlichen Schulmeister empfangen hatte, dessen Art ihm selbst als vorbildlichem Musterschüler in Fleisch und Blut übergegangen ist, hat er alle öffentlichen Wohlfahrtseinrichtungen und Arbeitsstätten, hygienische, verkehrstechnische, verwaltungsrechtliche, kommerzielle, industrielle, kurz welcher Art immer sie noch sein mochten, zu einer Höhe entwickelt, die ihm die neidvolle Bewunderung aller Nachbarvölker eintrug, die sich nach und nach, wenn auch — wie namentlich Engländer und Franzosen — nicht ohne recht große Selbstüberwindung gewöhnt hatten, Deutschland als eine Art internationaler Musterfarm zu respektieren, die ausersehen schien, zur internationalen Hochschule für angewandte Wissenschaft emporzuwachsen, ein Italien, ein Hellas der Technologie zu werden und dergestalt eine hohe geistige und moralische Sendung in der Welt zu erfüllen. Es ist leider anders gekommen, nicht ganz ohne unsere eigene Schuld … Aber die Geschicke der Völker verlaufen nicht geradlinig, sondern in Wellenlinien, und so mag sich auch aus dem nationalen Elend unserer Tage bald wieder ein Weg finden in lichtere Höhen; und einst ein Tag wieder kommen, wo die Worte grenzenloser Bewunderung für unsere Kultur aufs neue wahr werden, die ich vor einigen Jahren aus dem Munde eines Deutschland bereisenden französischen Ingenieurs vernahm, von dem ein naher Verwandter zu unseren Scharfrichtern und Schergen von heute zählt. . .
Hart umstritten, heutigentags geradezu in Ungnade gefallen sind demgegenüber die Verdienste des preußischen Zucht- und Schulmeisters auf politischem und militärischem Gebiete. Nun, ich werde natürlich der Aufgabe, ohne Rückhalt die schier unerschöpflichen Quellen des Deutschenhasses, die gerade das politische und militärische „Preußentum” erschlossen hat, auf ihre Naturgeschichte zu untersuchen, nicht aus dem Wege gehen. Allein die Gerechtigkeit erfordert es — gerade von mir, dem Österreicher, erheischt sie es gebieterisch —, vorher mit Nachdruck auf das Gute hinzuweisen, welches der preußische Schul- und Zuchtmeister auch auf diesen Wegen geleistet hat und welches wohl auch ganz andere Früchte getragen hätte, wenn nicht…; aber davon werden wir später reden!
Zunächst war es das historische Verdienst des preußischen Zucht- und Schulmeisters, in diesem Falle verkörpert durch die Kolossalgestalt eines Bismarck, der politischen Zersplitterung des deutschen Volkes, sei es auch zunächst nicht ganz restlos dadurch Herr geworden zu sein, daß er mit ehernem Zugriff die politischen Energien der deutschen Stämme Österreich ausgenommen, zusammengebündelt und paralleli-siert hat; indem Bismarck, freilich auf die Vorarbeit der deutschen Wissenschaft, der deutschen Schule und zumal des Zeitalters von den Befreiungskriegen bis 1848 gestützt, der Wurf gelang, dem deutschen Volke ein gemeinsames politisches Ideal zu zimmern dank seiner Persönlichkeit, darin sich Schulmeisterart in einer im Preußentum nicht gewöhnlichen Verbindung mit psychologischer Menschenkenntnis paarte, darin eben die Größe seiner Diplomatie bestanden hat, hat er sozusagen in zwölfter Stunde noch aus ungezählten Einzel- und Kollektivindividualismen eine politische Nation geschaffen, wo bis dahin lediglich eine ethnographische Nation bestanden hatte. Bismarcks Nachfolger oder sagen wir genauer die auf ihn folgende Generation und ihre Menschen haben im einzelnen ganz gewiß nicht immer glücklich operiert; indes ist in den fast fünf Dezennien, die seit der Gründung des Deutschen Reiches verflossen sind, der Reichs- und Einheitsgedanke ein fester Bestandteil des deutschen Fühl- und Denksystems geworden. Kein Zweifel aber, daß es nur der preußischen Zucht, dem preußischen Schulmeister gelingen konnte, das Einigungswerk zu vollbringen; dies lehrt schon ein Blick auf das Jahr 1848, welches so recht dargetan hat, wie wenig geeignet zumal die süd- und westdeutsche Eigenbrötelei ursprünglich dazu gewesen waren.
Ein zweites, unleugbar großes Verdienst des preußischen Zucht- und Schulmeisters liegt — das muß wohl auch zugeben, wer grundsätzlich die militaristische Geschichtsepoche für eine überwundene hält, was sachlich keineswegs noch feststeht — in der fälschlich unter dem Schlagworte „Militarismus” zusammengefaßten Einpflanzung der Doktrin, daß sich der einzelne, körperlich und seelisch, gleichgültig, ob mit oder ohne Wehr, dem Ganzen, insonderheit dem Staats- und Volksganzen unterzuordnen habe, in die ursprünglich germanisch-individualistischen und germanisch-eigenidolatrischen Gemüter und Gehirne eines Siebzig-Millionenvolkes; diese Doktrin ist zweifellos durch den preußischen Zucht- und Schulmeister in extremer Weise überspannt worden und hat in den letzten Jahrzehnten deutschen Kulturlebens dieses in seiner Gesamtheit dermaßen durchdrungen, daß sie zu einer zweifellosen Überkompensation, zu einer Neu- und Altdeutschland recht scharf voneinander scheidenden Uniformierung auch der deutschen Geister geführt hat; gewiß nichts weniger denn zum Vorteile Neudeutschlands und des Hochwertes seiner Kultur, da sie Neudeutschland von Tag zu Tag mehr den Stempel des Plialan-steriums, der Präzisionsmaschinerie aufdrückte. Allein will man gerecht sein, dann darf man nicht vergessen, daß es sich eben um eine ihrer historischen Wurzel nach ursprünglich bewußte und gewollte Überdeterminierung gehandelt hat, der Intention entsprungen, ungebärdige, auseinanderstrebende, überindividualistische seelische Energien zielbewußt zu Paaren zu zügeln, in der Erkenntnis wurzelnd, daß die hinter uns liegende Geschichtsepoche im Verein mit der von uns bereits gewürdigten, so sehr gefährlichen geographischen Lage des deutschen Siedlungsgebietes solch eine harte Zügelung unerbittlich erfordert habe, sollte das deutsche Volk nicht auseinanderfallen und damit als Ganzes wie in allen seinen Teilen dem sicheren Untergange entgegeneilen. Gerade in England — vorübergehend (Boisdeffre!) sogar in Frankreich — hat man die nicht bloß deutsche, sondern geradezu europäische Notwendigkeit des „preußischen Generalstabsgeistes” vor nicht allzu langer Zeit recht wohl zu würdigen verstanden! Seit diesen „Honigmonden” ist freilich vieles anders geworden . . . Und gewiß haben daran die extreme Überspannung des Preußentums im Deutschtum und deren noch zu beleuchtende psychologische Folgeerscheinungen ein gerüttelt Maß von Schuld! Nur möge, wer wahrhaft gerecht sein will, nicht ganz daran vergessen, daß das angelsächsische Widerspiel des psychologischen Preußentums, der Puritanismus, mit etwas anderen Mitteln, aber doch in ähnlicher doktrinärer Starrheit und Extremheit seinerseits und auf seine Weise den ursprünglichen Individualismus des angelsächsischen Germanentums zurecht gezügelt und ihn durch eine Art seelischer Uniformierung überkompensiert hat, die an unerbittlicher Härte und Strenge der Unterwerfung unter bestimmte, religiös gefärbte gesellschaftliche Sittengesetze dem preußischen Militarismus in ihrer Art schwerlich etwas nachgibt; man vergesse nicht, daß das englische Sittengesetz, welches das Privat- und das Gesellschafts -leben von der Wiege bis zum Grabe unerbittlich reglementiert, an tyrannischer Orthodoxie dem preußischen „Drill” in jeder Hinsicht, sei es auch in vetternschaftlichem Abstande, seelenverwandt ist; daß der angelsächsische „Cant” und der angelsächsische „Glubismus” ebenso in direkter Linie von dem puritanischen Prediger abstammen wieder preußische „Gammaschendienst” und der preußische „Korporalston” von dem preußischen Schulmeister. Und man vergesse nicht, daß zwischen dem England Northcliffes und dem England Shakespeares eine ganz ähnliche Zäsur besteht — man kann darüber in dem schönen Buche von Schmitz manches Interessante lesen — wie zwischen dem Deutschland Goethes und dem Deutschfand Wilhelms II.
Nun müssen wir aber unserem ureigentlichsten Thema wieder näher an den Leib rücken: müssen, nachdem wir zuerst seine historischen Verdienste gewürdigt, daran gehen, zu zeigen, welche nachteiligen Einflüsse das Preußentum, insonderheit der preußische Zucht- und Schulmeister auf die deutsche Seele ausgeübt hat.
Zunächst hat er den Geist seiner Schulmeisterlichkeit dem deutschen Volke und gerade dessen gebildetsten und infolgedessen repräsentativsten Schichten eingeimpft; er hat so das deutsche Volk selbst zu einer Nation gemacht, der die Oberlehrerei und Musterschülerei heutzutage sozusagen zur zweiten Natur geworden ist. Nun ist aber nirgends in der Welt, nicht einmal unter den Deutschen selbst, soweit sie sich natürlichen Sinn gewahrt haben, der Schulmeister beliebt, ebensowenig wie sein Ziehkind, der Musterschüler; und so hat die Lehrerhaftig-keit des neudeutschen Wesens, hat diese seine ewige, oft geradezu unleidliche Sucht, zu dozieren, den lieben Mitmenschen erbauliche Vorlesungen zu halten und alles und jedes besser wissen zu wollen, den Deutschen von heutzutage ganz ebenso unter den anderen Menschen unbeliebt gemacht wie das unzertrennliche Seitenstück seiner Lehrerhaftigkeit, nämlich die schülerhafte Neugier und Lernbegier, die ja gewiß ihre unleugbaren Vorzüge hat, deren zähe Unablässigkeit aber und Unersättlichkeit in allen Lebenslagen anderen Menschenkindern sehr häufig lästig fällt. So sind diese beiden Auswüchse der Schulmeisterei zu Quellen des Deutschenhasses geworden.
Eine Schwestererscheinung, die zwar tief im germanischen Rechtssinn wurzelt, aber durch die Verschulmeisterung ihrer Zielrichtung aus einem ursprünglich sympathischen zu einem bei vielen Deutschen unsympathisch wirkenden Wesenszuge verzerrt worden ist, ist die eigensinnige Rechthaberei, die so vielen Deutschen anhaftet, in allen Fragen nicht nur des öffentlichen, sondern auch des geistigen und des Alltagslebens oft rücksichtslos sich äußernd, im Verkehre Deutscher mit Deutschen, aber auch Deutscher mit Nichtdeutschen. Das Recht bedarf, um sich nicht nur die Geister, sondern vor allem die Gemüter der Menschen zu gewinnen, durchaus der psychologischen Einkleidung, bedarf einer propagandistischen, werbenden Note, die sich schmiegsam dem Fühlen derjenigen anpassen muß, denen das Recht als Recht erscheinen soll; es bedarf dieses psychologischen Vehikels, ohne das es in die Tiefe der Seelen nicht zu dringen vermag, gleicherweise in sachlichen wie in formalen Belangen. Bezeichnend ist nun aber für den doktrinären Charakter — und der Doktrinarismus ist zumal in jener unerbittlichen Ausprägung, wie wir ihn in deutschen Landen kennen, ein echtes Kind der Schulmeisterei — des deutschen Rechtsinns der beinahe ostentative Verzicht auf alles Psychologische, auf alles Werbende in Ausprägung und Betätigung. Dadurch wird aber eben diese Betätigung nicht nur in oft wörtlichstem Worte unsympathisch, sondern sie ist gar nicht selten geradezu direkt geeignet, dem Deutschtum Feindschaften zu schaffen; namentlich tritt dieser Fall dann ein, wenn der gute Geschmack und der gesunde Menschenverstand, zwei Dinge, die außerhalb des deutschen Kulturkreises einen viel größeren Geltungswert haben, als deutsche Schulmeisterweisheit sich träumen läßt, bei der Geltendmachung des „Rechtsstandpunktes” außer acht gelassen werden. Der deutsche Schulmeistergeist, der das Rechtsprinzip in so sehr doktrinäre Formen gegossen hat, übersieht eben, daß es Situationen gibt, welche die Geltendmachung eines doktrinären Standpunktes überhaupt wenig angezeigt erscheinen lassen, mindestens aber nicht in unnachgiebiger und schroffer Form; namentlich gilt dies von zahllosen Alltagsbelangen; man denke nur an das Zusammensein der Menschen in öffentlichen Verkehrsanstalten, in Gastbetrieben oder sonstwo, woraus sich unzweifelhaft mannigfache größere und kleinere Reibungen ergeben, aus denen Funken gleich allerlei Rechtsfragen stieben. Der gute Geschmack aber und der „bon sens:’ verlangen, daß derlei Funken mit mehr weniger graziöser Geste gelöscht werden. Anders nur zu oft beim Deutschen: da wird aus irgend einer kleinen Querei eine großspurig verstandpunktete und verstandpünktelte Haupt- und Staatsaktion gemacht, da wird mit einem Aufwand von Energie, der einer größeren Sache würdig wäre, oft eine an sich geringfügige Angelegenheit zu einer „prinzipiellen” Rechtssache hinaufgedonnert und nach solchem „Rechtsstandpunkte” wird dann auch gehandelt, daß andere darob mit Lächeln, nur zu oft aber auch mit Ärger und Zorn erfüllt werden. Die Vorteile, die auf diese Art dem Deutschen aus seiner auf das korrekte Buchstabenrecht sich stützenden rechnerischen Genauigkeit und Sparsamkeit erwachsen, werden mehr als reichlich aufgewogen durch die Verhaßtheit, die ihm solches unterm internationalen Publikum sonst nicht übliche Verhalten einträgt; zumal die Verachtung ästhetischer Außenformen — auch so ein Schulmeistergewächs — das äußere Benehmen oft nur allzusehr vernachlässigen läßt. Aber auch in vielen anderen Belangen schadet die verbissene Rechtsstand-pünktelei dem Ansehen des Deutschen und wandelt sein Konterfei in den Augen der anderen zu einem Zerrbild; man denke etwa nur daran, mit welchem Ingrimm, mit welcher Verbissenheit die verschiedentlichen „Rechtsstandpunkte” deutscher politischer Parteien aufeinanderzuplatzen pflegen, Rechtsstandpunkte, deren Abstand voneinander oft nur dem ganz Eingeweihten überhaupt erkennbar ist; kein menschlich versöhnender Zug, kein Hauch liebenswürdiger Grazie oder fein? fühlenden Taktes, der diese so scharf unterstrichenen Frosch mäusestreitigkeiten mildern würde, die vielmehr von beiden Parteien mit einer fanatischen Wut ausgefochten werden wie nur der Kampf zwischen doktrinären, fanatischen Schulmeistern über die Abwandlungen irgend eines Zeitwortes oder über andere „weltbewegende” Fragen ähnlichen Kalibers ausgefochten zu werden pflegen. Welchen Eindruck auf das Ausland aber dergleichen machen muß, wenn es auf den kulturellen oder politischen Tribünen eines großen Volkes sich abspielt, und wieviel Material man damit selbst wider Willen den Feinden liefert, daran denken alle die Männer, so sich bei uns geistige Führer oder gar erst „Politiker” nennen, nicht einen Augenblick: das schimpft und speit und tobt aufeinander los, Gelehrte von Rang und Ruf beflegeln und befetzen einander gegenseitig ob irgend einer reinen Doktorfrage in der gemeinsten Weise, Künstler verschiedener „Richtung” spucken sich wechselseitig die unlautersten Gesinnungen an den Kopf, Volksvertreter, Politiker und andere führende Männer des öffentlichen und Kulturlebens fühlen sich verpflichtet, einander ganze Kübelladungen voll „Trotteltum” und „Verbrechergesinnung” entgegenzuschleudern, bloß, weil sie die Dinge und Belange rings um sich durch verschiedene Brillen sehen, sie verschieden verstandpunkten! Das ist so echte, rechte „Schulmeisterweis”, sicherlich aufgepfropft auf den gesunden Stamm deutscher Geradheit, Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe, aber im ganzen ein ganz scheußlicher Auswuchs an demselben! Und nun bedenke man, welches Grauen die anderen Nationen dieser Erde erfassen muß, die das alles als Zuschauer mitansehen müssen, wenn sie sich vorstellen, daß solche Art einmal in der Welt maßgeblich sein sollte, sich vorstellen, wie reizlos, wie verlassen von Schönheit und Grazie dann das Leben werden müßte!
Eine andere böse Frucht der Schulmeisterlichkeit, durch welche die deutsche Volksseele verkrüppelt worden ist, ist der vielberufene Hang der deutschen Geister zum Apriorismus. Durchaus entgegen jener natürlichen Affekt-, ja In stinktge tragen-heit, wie sie den Strebungen der Durchschnittsseele anderer* Völker eine so sehr sichere Führerin ist, läßt sich das deutsche Denken und leider auch das deutsche Tun und Lassen nur zu oft von blutleeren und. lebensfremden Hirngespinsten schulmeisterlicher Doktrinäre — und das sind auch die meisten deutschen Politiker, Volkswirtschaftler und geistigen Führer überhaupt, weil sie selber alle von Kind auf schulmeisterlich verbildet worden sind — bestimmen und leiten: Fiat doctrina, pereat mundus! Das ist wieder so echte, rechte „Schulmeisterweis”, die sich lieber in Stücke hacken, aber auch links und rechts lieber alles zusammenkrachen ließe, ehe sie einen Deut von dem abrückte, was ihr schulmeisterliches, doktrinäres Denken sich zurecht -gelegt hat! Nirgends — der Österreicher Grillparzer hat es schmerzlich beklagt — vermag ein schulmeisterlich-pseudowissenschaftlich eingekleidetes Schlagwort mehr Verwirrung und Verrückung in den Köpfen anzurichten als in Deutschland, nirgends scheiden sich die Geister schroffer nach derlei schulmeisterlichen Schibolethen als in Deutschland, nirgends gehen sie nach den Diktaten ihrer von echtem Schulmeisterfanatismus erfüllten Führer rücksichtsloser und blindwütiger aufeinander oder gegen andere los als in dem Lande der Nation der Musterschüler, in Deutschland! Das Unglück, welches die deutsche Schulmeisterei mit ihrer doktrinären Durchdringung, ihrer aprioristischen Durehgiftung der Seelen über das deutsche Volk — mit seiner, wie seine herrlichen Künstler und Tondichter erweisen, von Natur aus so überreichen Fühlsbegabung! — gebracht hat und bis auf die heutigen Tage mit ihren Schrecknissen bringt, spottet jeder Beschreibung! Sie ist es, die, den Begriff deutscher Ehrlichkeit, Treue und Beständigkeit im Dienste einer schlechten Maxime schandbar mißbrauchend, der deutschen Seele den grauenhaften Irrtum eingepflanzt hat, daß jeder denkende Mensch die Pflicht habe, von einem bestimmten Schlagworte, einer bestimmten Idee, einer bestimmten Theorie, einem bestimmten System, einem bestimmten Prinzip auszugehen und es für heilige Pflicht zu erachten, dieser vorgefaßten oder auf Grund vorwiegend theoretischer, schulmeisterlicher Spekulation ersonnenen Idee oder dem „Herzog” solcher Idee, der natürlich auch seinerseits wieder so ein blutleerer, theoretisierender Schulmeister mit Scheuklappen ist, bedingungslose Gefolgschaftstreue zu leisten, rücksichtslos und fanatisch und wenn es sein muß, bis in den Tod, den eigenen Tod und den Tod — der anderen! Wie die unbarmherzigen Vertreter der deutschen Schulmeisterzunft, von der Volksschule bis zur Hochschule, mit wütigem Fanatismus ihre „Theorien”, ihre „Systeme” hüten und verteidigen, ihre Scholaren darauf und nur darauf drillen und dressieren, jeden schüchternen Versuch, aus freiem, fühlenden, warmherzigen Menschentum selbständige Bahnen zu wandeln, als schwerstes Verbrechen mit ihrem Anathem belegen und, soweit ihre Macht reicht, auch ahnden — wieviele saftige und prächtige Seelen in deutschen Landen hat, von der ersten Stufe der Elementarschule bis hoch hinauf ins akademische Leben, dieser bösartig-orthodoxe Schulmeisterfanatismus nicht geknickt und zerbrochen! —: gerade so machen es dann die Zöglinge dieser Schulmeister, die selber schulmeisterlich durchseuchten geistigen (und politischen!) Führer des deutschen Volkes draußen im praktischen Leben! So ist Deutschland geistig zerrissen und zerklüftet durch tausend und aber tausend schulmeisterlich-aprioristisch ersonnene, lebensfremde und lebensfeindliche „Richtungen”, die einander bis aufs Messer bekämpfen und deren Vertreter schier außerstande sind, zu begreifen, daß der Volksgenosse von der „anderen” Richtung sozusagen auch ein vollblütiger und vollwertiger Mensch sei, daß überhaupt die FühlsVerwandtschaft als Wahlverwandtschaft hunderttausende Male schwerer wiege als alle Theorien, Schlagworte, Systeme und Prinzipien, daß die Affekt-, die Gefühlslogik und nicht die Yerstandeslogik das sei, was das wahrhaft Menschliche im Menschen ausmache, die Menschen eine und — wo es sein muß — scheide. Wer Charakter hat, braucht keine Prinzipien, wie es Wagner-Jauregg einmal so fein gesagt hat! Aber das wird eben leider nicht leicht in ein Schulmeistergehirn oder in ein solches, das schulmeisterlich verbildet ist, hineinzubringen sein, und hundertmal begeisterter wird der Zögling deutscher Schulmeisterweisheit selbst den Botokuden an sein Herz drücken, sofern er mit ihm über die Konstruktion irgend einer Präposition oder über das Prinzip irgend einer chemischen Strukturformel oder über das System der Sozialisierung bestimmter wirtschaftlicher Betriebe oder über jenes der Heiligkeit der Aufrechterhaltung gewisser Standesprivilegien oder Kon.fessions-belange — es ist ja nur ein Farben-, kein Wesensunterschied zwischen roter oder blauer oder schwarzer oder grüner oder gelber Schulmeistertyrannei — eines Sinnes ist, als daß er seinen Nebenmenschen, seinen Volksgenossen warmherzig als Bruder begrüßen möchte, dem die Natur dieselbe Art, dieselbe Richtung, dieselbe Begabung des Fühlens eingepflanzt hat wie ihm, mögen auch zufällig die Schulmeister, die jenen und ihn auf der Schulbank und im Leben im niederen und im höheren ABC unterwiesen hatten, verschiedenen doktrinären Sinnes gewesen sein!
Gewiß: wir deutschen Schulmeister, zu denen ja auch ich gehöre und mit denen auch ich gewiß gesündigt haben mag — homo sum, et humani nil a me alienum puto —, wir verdienen nicht alle und nicht alle Male die Geißel, mit der wir das deutsche Volk heimgesucht haben; auch unter uns sind warmherzige, warmfühlende Menschen in stattlicher Zahl, die es vermögen, sich ganz oder doch wenigstens teilweise über den engen Horizont schulmeisterlicher Seelenverballhornung zu erheben und ihren Jüngern den Weg ins Freie, den Weg zum deutschen Menschentum zu weisen. Allein die Sünden der Väter haben leider tiefe Spuren hinterlassen in der ganzen deutschen Volksseele, die heute in der Gesamtheit ihrer Gebildeten und Halbgebildeten (letzteres noch schlimmer, weil dank der hohen „Schulkultur” fast das ganze deutsche Volk heute aus Halbgebildeten besteht!) schulmeisterlich verbildet und verkrüppelt ist und schwer an der „Psychopathia apriori-stica” krankt, deren böse Frucht der blutige, der furchtbare Bürgerkrieg war, den wir nach der Katastrophe des Jahres 1918 in Schmerz imd Qual erlebt haben; ein Bürgerkrieg freilich, der, wenn auch nicht mit blutigen Waffen, Deutschlands Geister seit Jahrzehnten schon durchrüttelt hat; denn dem Kampfe der Geister fehlte bei uns jenes menschlich einende Band gemeinsamen, hoch über alle theoretisierenden Apriorismen sich erhebenden Fühlens, welches‘ die kämpfenden Geister anderwärts eint, in England, in Frankreich, in Italien oder bei unserem kleinen, nun so mächtig gewordenen tschechischen Nachbarvolke. Ist es doch dort allenthalben keine Seltenheit, daß ein und derselbe Mensch — darunter auch führende Köpfe — im Laufe seines Wirkens sehr verschiedene Stadien geistiger Richtung durchläuft, ohne daß es jemandem beifiele, ihm daraus einen Vorwurf zu machen; im Gegenteil, man findet es ganz selbstverständlich, daß — wenn nur die Logik des Fühlens sich nicht ändert! — die Logik des Denkens, die ja doch ein menschliches Artefakt ist, wandelbar ist in ihren Ergebnissen; findet es gar nicht auffallend, daß die Geister, wenn es Gefühl, Geschmack, Instinkt heischen, in ihrem Leben von links nach rechts und wieder nach rechts und nach links hin-und hergeraten, je nach den Anforderungen, die das lebendige Leben jeweils in seinen höchst wandelbaren Einzelnsituationen mit sich bringt; findet es ganz und gar nicht „charakterlos”, wenn der einzelne sich sagt, und sei er selbst ein führender und kein Geführter, daß das Leben, zumal das Leben der Völker, nicht für die Prinzipien da sei, sondern daß die Prinzipien für das Leben und für das Volksganze Krücken seien, die man je nach Bedarf zerbrechen und im Bedarfsfälle wieder leimen müsse; ganz wie ein guter Arzt seine Kranken nicht nach abstrahierten Prinzipien behandeln, sondern die Prinzipien klug, geschmeidig, taktvoll und warmfühlend dem Wohle des Menschen, das seinen Händen anvertraut ist, fallweise anpassen wird. Sage man aber derlei einem zünftigen Schulmeister, einem Doktrinär oder dem gelehrigen Zögling eines solchen! Er wird Zeter und Mordio schreien, er wird donnern und wettern und toben über Treulosigkeit, Gemeinheit, Verrat! Denn was ahnt seine Lebensfremdheit von der einenden Macht der Gefühlslogik! Die traurige Nutzanwendung auf unser deutsches geistiges und öffentliches Leben ergibt sich von selbst . . .
Meint man nun aber, die übrigen Völker dieser Erde wären blind gewesen und sie hätten diese tiefen
Schattenseiten unseres nationalen Charakters — ich bedaure, das Kind beim rechten Namen nennen zu müssen — nicht erkannt? Und hätten nicht daraus ihre Folgerungemgezogen? Wer das meint, müßte wahrlich selber schwer mit Blindheit geschlagen sein! Nein, die anderen Völker der Erde kannten und kennen recht genau diesen unseren ominösen Wesenszug, sie benützen ihn auch recht schlau und eifrig, um uns in Kenntnis unserer geistigen „Spaltbarkeit” mittels geschickter Agitation in Wort und Schrift tüchtig durcheinander zu mischen, so es ihren Interessen in den Kram paßt, denn sie wissen, daß es nirgends leichter als in Deutschland gelingt, die Geister durch geschickt „lancierte” sch ein wissenschaftlich oder scheinrechtlich begründete Schlagworte zu ködern und zu verwirren; allein bei alledem spotten sie unserer Tölpelhaftigkeit, die bar jeder innerlichen gefühlslogischen Steuerung regelmäßig auf solchen faulen Zauber hineinfällt, und verachten uns gründlich ob dieser unserer völligen Verlassenheit von allen guten Geistern individueller, sozialer und nationaler Psychologie. Und wiederum ist diese Verachtung nichts anderes als der Schrittmacher des Hasses. Denn daß solcher auch aus unserer Neigung zum Apriorismus Nahrungsstoff erhält, daß wir durch diese unsere fatale Geistesrichtung auch die anderen Völker aktiv beleidigen, dafür sorgt wiederum der eifervolle Fanatismus des Schulmeisters in ganz gleicher Weise wie dessen psychologisches Ungeschick: denn nie noch waren doktrinärer Apriorismus und wahrhafte psychologische Menschenkenntnis geschwisterlich vereint. Daher kommt es auch, daß unser Doktrinarismus, unser Apriorismus ebensowenig wie unsere Lehrhaftigkeit haltmachen an den Grenzen des eigenen Hauses, daß wir vielmehr in der unseligen Verblendung leben, als müßten wir auch zu den Geistern fremder Völker in unserer eigenen doktrinären, aprioristischen, dozierenden Denk- und Sprechweise reden! Leider jedoch sind wir völlig ahnungslos gegenüber der harten Tatsache, daß andersvölkische Menschen für diese unsere Methode des geistigen Rapports teils gänzlich unempfänglich sind, für sie weder Verständnis noch Einfühlung besitzen, teils auf sie geradezu mit ausgesprochenem Widerwillen reagieren. Daher kommt es, daß Deutsche und Nichtdeutsche so gewöhnlich aneinander vorbeireden, daher kommt es aber auch, daß wir Deutsche sozusagen oft nur den Mund aufzumachen brauchen, um schon die lebhafteste Abwehr seitens Nichtdeutscher zu erfahren. Oft sind wir dann verblüfft und aufrichtig gekränkt, ja oft von Schaudern erfaßt, wenn wir dessen gewahr werden, wie jedes Wort, wie jeder Satz, sofern er „made in Germany’’ ist, gerade die entgegengesetzte Wirkung erzielt, die wir darein zu legen beabsichtigten, wie jeder Versuch unserseits, im Rate der Völker zu diskutieren und zu argumentieren, die Ablehnung und zuletzt endlich die Feindschaft gegen uns immerzu aufs neue anfacht. Und doch liegt die Schuld bei weitem nicht so sehr an vorsätzlichem Nichtverstehenwollen der anderen, als wie an unserer eigenen schulmeisterlich verbildeten, psychologisch verkrüppelten Methode des Denkens und des sprachlichen und schriftlichen Ausdrucks im geistigen Verkehre, an unserer Mißachtung der natürlichen Affektlogik im Menschlichen und in den seelischen Beziehungen der Menschen untereinander, für die das Übermaß unserer schulmäßig gedrillten verstandeslogischen Art, mag es hunderte Male zu unserer technischen Ertüchtigung beigetragen haben, gar keinen Ersatz bilden kann, weil darin im Gegenteil nur eine neue Quelle jenes Weltenhasses gegen uns liegt, der ohnehin aus so sehr zahlreichen anderen Quellen gespeist wird.
Wir gelangen nun zu einem weiteren ominösen Dogma, welches Zucht- und Schulmeisterlichkeit als deutsche Erziehungs-. maxiine. aufgestellt hat: zu einem Dogma, welches in seinen Folgeerscheinungen ungeheuer viel dazu beigetragen hat, uns Deutsche, namentlich aber die dafür aus Anlage besonders empfänglichen Norddeutschen in der Welt verhaßt zu machen. Ich meine das Dogma von der Zurückdrängung des Affektiven aus dem Außenleben der Seele, worin ein Maßstab für Kulturhöhe erblickt wird, und das damit verschwisterte Dogma von der Minderwertigkeit exopsychischer Kultur gegenüber der Kultur der Endopsyche. Wiederum muß zunächst zugegeben werden, daß der Kult dieses ursprünglich seelenökonomischen, affektive Energie sparenden und dem Ungestüm roher affektiver Mächte steuernden Prinzips keineswegs nur dem deutschen, sondern allen germanischen Kulturvölkern eigen ist und beispielsweise im englischen Volke ganz außerordentlich hochgehalten wird. Allein wiederum springt sogleich der Unterschied zwischen dem angelsächsischen System der Beherrschung der Exopsyche durch die Endopsyche und dem deutschen System gleicher Tendenz in die Augen: auch das angelsächsische System hat nämlich, zumal von höherer Warte her betrachtet, schwere Mängel, der „Cant”, der „Clubismus”, der „Smokingismus”, den es züchtet, alle diese Dinge sind bei nicht wenigen Individuen dieser Rasse zweifellos ein mehr weniger glänzender Firnis für darunter sich verbergende sittliche Roheit; allein was immer man darüber sagen mag, das angelsächsische System hat den Vorzug, praktisch psychologisch zu sein und zu wirken, denn es geht darauf aus, das Exopsyehische nicht lediglich zu unterdrücken, sondern jenen Restanteil desselben, der sich bei keinem Menschen unterdrücken läßt, sorgsam zu kultivieren und so sehr mit lebendigen psychologischen Bedürfnissen in Einklang zu setzen, daß daraus ein wenigstens äußerlich und mindestens bestimmte Menschengruppen unter allen Völkern anmutender, ihnen sympathischer oder andernfalls wenigstens ihrem Geiste imponierender äußerer Lebensstil wird. Anders das deutsche System: dem guckt zunächst einmal und vor allem der Schulmeister mit seinem Stecken überall über die Achseln, und schon das allein wirkt weder sympathisch noch imponierend noch sonstwie im Sinne einer wirksamen Propaganda. Nicht genug damit aber hat das deutsche Erziehungs-.system die Affektzurückdrängung aus der Exopsyche zu einem dogmatischen Axiom erstarren lassen und dahin erweitert, daß die Kultur der exopsychischen Affektivität als etwas überhaupt Geringwertiges erachtet wurde; eine steife, schulmeisterlich geo-metrisierte Stilisierung der Manieren ward zum dürftigen Ersatz. Die Folgen nun müssen leider —namentlich beim norddeutschen Menschen, der dieser Dressur am meisten und längsten ausgesetzt gewesen ist — als höchst verhängnisvolle bezeichnet werden. Es stammt daher einmal jene Kälte, jene Härte, jene Schroffheit, jener absolute Mangel an äußerlich sympathiewerbender Art, der dem Norddeutschen zumal von außen anhaftet und der von ihm zu alledem noch mit einer gewissen Geflissentlichkeit, mit einem gewissen Selbstbewußtsein festgehalten und hervorgekehrt wird; es stammt daher die überstilisierte Überkorrektheit und Einförmigkeit des äußeren ‚Gehabens, die gleichwohl, mangels des Vorhandenseins einer nur durch sorgsame Kultivierung des Exopsychischen erzielbaren Eutaxie desselben, nur zu oft am denkbar ungeeignetsten Orte zur denkbar ungeeignetsten Zeit durchbrochen wird von beinahe explosiven, ungezügelten Rede- und Handlungsimpulsen; denn der alte Satz: naturam expellas furca, tarnen usque recurret, er bewahrheitet sieh auch hier! Man mag die Affektivität eines Menschen noch so arg einschnüren, mag ihr die Zwangsjacke noch so enge anlegen, wenn man ihr nicht ein exopsychisches Ventil läßt und dieses Ventil nicht psychologisch richtig konstruiert ist, dann schafft sie sich selber ihre Ventile, nur eben falsche Ventile, deren Öffnung alsdann mit allen Schrecken einer vulkanischen Eruption vor sich geht; man denke an das früher über den furor teutonicus Gesagte! Es kann darum denjenigen, der die künstlich angedrillte Schroffheit, Steifheit und Stilisiertheit des neudeutschen seelischen Exterieurs kennt, der aber auch weiß, wie unvermittelt schon in normalen Zeiten gelegentlich die künstlich zurückgestaute Affektivität gerade bei dem „korrekten” Norddeutschen mit gewaltigem Krach aus ihrem Kerker hervorbricht, ringsum alles erschreckend: es kann den demnach nicht wundern, wenn wir es heutigentags schaudernd erlebten, wie die vielbewunderte Disziplin unseres Volkes in einem Augenblicke der äußeren Not und,der inneren Fessellosigkeit mit einem Schlage von einer anarchischen Episode durchbrochen worden ist, deren furchtbare Gewaltsamkeit unserer Nation unter unseren Augen unausgesetzt die schrecklichsten Wunden schlug; denn diese Disziplin war zu sehr eine äußerliche, zu wenig eine innerlichfreigewollte.
Ist es nun aber ein Wunder, wenn solches Gehaben, wenn die Steifheit und Kälte des äußeren Menschen, seine künstlich gesteigerte Beherrschtheit ganz ebenso wie die fallweise durch sie verblüffend hindurchbrechende, durch keinerlei exopsychische Eutaxie gezügelte Unbeherrschtheit, wenn alles das den Deutschen als einen Menschen von unangenehmen äußeren Manieren, von fehlendem äußeren Takte erscheinen lassen mußte, der — im wörtlichsten Wortsinne — keine „Sympathie”, das heißt keine Einfühlung bei andersvölkischen Menschen zu finden vermochte?
Zu dem Bisherigen kommt noch ein weiteres: die Geringschätzung des Wortes, der Geste, dieser so eminent exopsychi-schen Ausdrucks- und Werbemittel und ihrer Kultur, wie sie, wenn auch wieder von gewissen Gegebenheiten nordischen Wesen s ausgehend, der Zucht- und Schulmeister dem deutschen Volke eingepflanzt hat. Sofern und soweit es sich freilich um das Wort als wissenschaftlich-logisierendes Beweismittel handelt und soweit das Wort nach Art eines wissenschaftlich-lehrhaften Behelfs verwendet werden kann, soweit erfreut es sich — als gesprochenes wie als geschriebenes — in Deutschland vielleicht mehr noch als anderswo höchster Schätzung. Allein Lehre und Wissenschaft sind „Kaviar” für einen sehr, sehr kleinen Kreis Auserwählter — wenigstens bei anderen Völkern —, und mit Lehrhaftigkeit und Wissenschaftlichkeit ist keine Sympathie zu gewinnen, denn der „Schulmeister” wirkt nun einmal ganz und gar nicht propagandistisch. Aber dieser Schulmeister, der so sehr unsere deutsche Geistigkeit durchdringt und mit seinem Geiste erfüllt hat, er hat unglückseligerweise gerade auch dort einen Platz gesucht und gefunden, wo es vor allem auf Propa-gandismus ankommt; er hat die ganze politische Tribüne, er hat das Zeitungswesen mit seinem Geiste völlig durchtränkt und hat es bewirkt, daß von dort, wo für Deutschlands und des deutschen Volkes Belange Stimmung gemacht, Sympathien geworben werden sollten, tauben Ohren gepredigt, ja oft genug Fensterscheiben eingeworfen wurden. Die lehrhafte Art deutschen Redens und Schreibens, die hölzerne, erzwungene, zuweilen fast hochmütige Korrektheit auf der einen Seite, der dafür kompensatorisch aus den schon bekannten Gründen hinwiederum zuweilen überraschend hindurchbrechende Ton brüsker Heftigkeit auf der anderen, das alles hindert jene sympathische Einfühlung für andere, hindert, daß das deutsche Wort nicht nur ins Ohr, sondern auch ins Gemüt anderer zu dringen vermag, mehr als das, es ist anderen Mentalitäten meist schier unverstehbar, verletzt sie und bewirkt so, daß oft trotz subjektiv redlichsten Willens das Wort des Deutschen geradezu das Gegenteil dessen bewirkt, was es bewirken soll. Ganz genau so, wie ein Arzt, der mit seinen Kranken wie ein Zucht- und Schulmeister umgeht, er mag sachlich noch so sehr recht haben und es noch so gut meinen, Erfolge schwerlich wird erzielen können, im Gegenteil sehr wahrscheinlich recht rasch des Zutrauens seiner Kranken verlustig gehen wird, ganz so ist es dem Schulmeister, er mag sachlich noch so sehr im Rechte sein, nicht gegeben, sich in Herz und Hirn der anderen Geltung zu verschaffen. Man überzeugt eben die Menschheit im allgemeinen nicht durch wissenschaftlich-lehrhafte Argumente, am allerwenigsten, wenn sie ungeschickt und unzweckmäßig in der Form vorgebracht werden, man überzeugt sie vielmehr dadurch, daß man ihre Sinne und ihr Gemüt gefangen nimmt, und das kann man nur, wenn echte Leidenschaft auch in der eigenen Außenseele, in der eigenen Exopsyche nicht nur ausnahmsweise, sondern jederzeit, von morgen früh bis abends spät und bei jeder Gelegenheit in einer Weise sich abzuzeichnen imstande ist, daß man den anderen Menschen als Mensch von ihrer Art erscheint, daß sie sich also in einen einzufühlen vermögen; sei es, daß diese Leidenschaft in so bewegter und unmittelbarer Form sich entäußert wie beim Romanen und beim Slaven, sei es, daß ihre Entäußerung in ein wohl temperiertes, in seiner psychologischen Außenwirkung auf andere wohldurchgedachtes System gebracht ist wie beim Angelsachsen. Jedenfalls aber ist ein Werben um die Sympathien anderer ohne seelische, insbesondere ohne affektive Außenkultur erschwert oder unmöglich, erschwert und unmöglich auch, wenn jenes Instinktivein der seelischen Fühlungnahme der Menschen untereinander, wie derlei ja erst durch exopsychische Kultur möglich ist, unterdrückt wird. Aber gerade dieses wie alles Exopsychische methodisch als angeblich minderwertig aus der deutschen Seele auszurotten oder es, da dies doch nicht vollständig möglich war, nach Kräften in den Hintergrund zu drängen, hat sich der Zucht- und Schulmeister seit Generationen angelegen sein lassen, aufs eifrigste bemüht, an dessen Stelle das hohe Evangelium innerer geistiger Arbeit und das leider minder hohe Evangelium äußerer Überbeherrschtheit, Überkorrektheit und Verachtung alles Affektiven und Stimmungsmäßigen, also alles praktisch Psychologischen in die deutsche Seele einzupflanzen. Ist es da ein Wunder, wenn der Deutsche als ein in allem praktisch Psychologischen verblüffend naiver Stümper durch die Welt gegangen ist, wenn er den andersvölkischen Menschen als ein völlig anderer erschienen ist und wenn die auf diese Art und Weise aus der Empfindung des Andersseins, des Fremdseins erwachsene Abneigung am Ende wieder in tödlichen Haß umgeschlagen hat angesichts des ungeheuren Wachstums der deutschen Macht, welches die anderen befürchten ließ, daß liebgewordene Lebensgewohnheiten künftighin in das Prokrustesbett deutsch-schulmeisterlicher Unpsychologie gezwängt werden könnten, sobald dieser die Hegemonie zufallen würde? Wohl hat der Deutsche anderen Völkern gegenüber hinzuweisen vermocht auf die tiefe Innerlichkeit und Wahrhaftigkeit der in ihm und durch ihn verkörperten seelischen Werte und hat gehofft, durch diesen Trumpf über die „Kinderei” der anderen obsiegen zn können, die den Menschen nun einmal nach dem Außenmenschen beurteilen, den seine nationale Erziehung teils recht kurz hielt, teils arg vernachlässigte: es ist ihm aber dabei gegangen wie dem „Manne mit der Tausendpfandnote in der Brieftasche’’, der gleichwohl verhungern mußte, weil derlei im alltäglichen Verkehre des Lebens keinen Kurswert besitzt: denn so wie die ungeheure Mehrzahl der Menschen wirtschaftlich untereinander von Angesicht zu Angesicht nur im Kleingeldverkehr steht und sich danach beurteilt, so steht sie untereinander auch psychologisch sozusagen nur im Kleingeld verkehre, das heißt, beurteilt einander nach der Außenseite und nicht nach dem, was im innersten Gehäuse der Seele verborgen ist.
Kann es nach all dem Ausgeführten wundernehmen, wenn es mit der exopsychischen Eutaxie, unter uns Deutschen so ganz und gar nicht gepflegt, bei uds so vielfach im argen liegt, und wenn das äußere Benehmen, der sichtbare Ausfluß der Sicherheit exopsychischer Mechanismen, beim Deutschen so vielfach ein unsicheres ist, so daß, um es erneut zu sagen, so vielfach der äußere Eindruck der Manierlosigkeit entsteht? Da ein Zuviel, dort ein Zuwenig, und nur zu oft alles und jedes Tun und Lassen am unpassendsten Ort, zu unpassendster Zeit!
Aber auch andere schwere Mängel unserer Psychologie wurzeln in dieser Vernachlässigung der exopsychischen Kultur. Wie anderen nämlich die Einfühlungsfähigkeit in uns, so gebricht es uns dank unserer extrem vergeistigten und verinnerlichten Erziehung, dank unserem Fehlen jeglicher exopsychischen und jeglicher Instinktpflege und Instinktschulung an der Fähigkeit, die Dinge rings um uns mit natürlichem Sinne erfassen zu können. Wir Deutsche legen auch unserseits an alles den Maßstab unserer schulmeisterlichverbildeten Mentalität an, wir kritisieren alles aus diesem Gesichtswinkel und machen uns damit oft recht mißliebig; aber wir lassen uns ebenso oft auch von Dingen blüffen, die uns großartig, überhaupt aber in ganz falschem Lichte erscheinen, eben weil uns die exopsychische Einfühlungsfunktion dafür — die Gefühlslogik ist hierin ungleich treffsicherer als die Verstandeslogik — so sehr abgeht. Darum das so erstaunliche Neben- und Durcheinander von völkischer Überheblichkeit und völkischer Würdelosigkeit, von sinnlosem Übernationalismus und ebenso sinnlosem allerweltsseligen Anationalismus bei uns, oft genug in dichtem zeitlichen Nacheinander in der Seele ein und derselben Person! Wir sind eben als echte, rechte Schulmeisterzöglinge Prinzipien- und Doktrinfetischisten, wir vergeuden das Teuerste unserer Seele, unsere ganze Affektivität, weil sie der Schulmeister dahin gebannt und aus der Außenseele streng verbannt hat, an abstrakte Lehrsätze ohne gesunden Sinn für deren Abstand von den wirklichen, lebenswarmen psychologischen Tatsachen. Und wenn dann — wie es nur zu oft der Fall ist — vorgefaßte Theoreme und lebendiges Leben nicht zusammenstimmen, dann stehen wir psychologiefremde große deutsche Schulmeister und Schulknaben (beide Geist von einem Geiste) hilf- und ratlos da, und entweder verbeißen wir uns dann blind ins vorgefaßte Prinzip und lassen uns für dessen Heiligkeit erschlagen oder aber wir verschreiben uns, als wären uns Schuppen von den Augen gefallen, nach Apostatenart ebenso blind dem gegnerischen „Prinzip”, um dessen wütigste Apostel zu werden. Die Geschmeidigkeit der Anpassung an das praktisch Psychologische in seiner lebendig-wechselvollen Gestaltung fehlt uns aber in hervorragendem Maße. Darum sind wir ja auch‘so herzlich schlechte Politiker und Diplomaten. Die Hauptsache aber: wir müssen immer irgend ein „Programm”, irgendein „Prinzip hochhalten”, ja selbst die Prinzipienlosigkeit erstarrt bei uns Deutschen zum Prinzip! Und immer müssen wir irgend einem das uns heilige Prinzip verkörpernden äußeren oder inneren Oberlehrer (kann auch anders heißen) Gefolgschaftstreue leisten, weil wir gerade darauf unglückseligerweise gedrillt sind und weil uns die Selbststeuerung des Instinktes und des Gefühles von früh auf verpönt und vergällt wurde und darum vielfach gänzlich fehlt. Kein Wunder, wenn auch dieses uns hohnvoll mißachtet und in weiterer Folge verhaßt gemacht hat, schienen wir doch Leute, welche andere so wenig „verstanden”, wie sie uns verstehen konnten, und vor denen man darum ein mit Spott gemischtes Grauen empfand. Denn ungleich eher verzeiht die Welt ungeschminktes Naturmenschentum, verzeiht sie selbst völkische Hysterie als den — Schulmeister-und Schulknabenton; darum ist der Slawe, der Lateiner trotz mancher Roheiten, trotz mancher Übertreibung tausendmal beliebter als der verdrillte Deutsche.
So hat auch das, was man — im Zuviel wie im Zuwenig —
das „üble deutsche Benehmen”, den „Mangel an Takt” bei uns Deutschen nennt und was uns im Kreise der anderen Völker soviel an Abneigung und Haß eingetragen hat, seine, wie ich meine, ganz bestimmte Wurzel. Es liegt selbstverständlich in dieser,Einschätzung, die uns dazuteil wird, ein riesenhaftes Unrecht, wie es immer ein Unrecht ist, die Menschen nach ihrer Exopsyche zu beurteilen, statt nach ihrer Endo-psyche; denn würden die Menschen und die Völker nach ihrer Endopsyche, in geistiger wie in gemütlicher Hinsicht, beurteilt, das deutsche Volk, das Volk der größten Dichter und Tonschöpfer, der reichsten Denker, der gewaltigsten Forscher, dieses unser ganzes, wie kein anderes der großen Völker rechtliches, wahrhaftiges, charaktervolles, durchbildetes, durchgeistigtes, zu allertiefst und allerinnerst seelenvolles Volk, es müßte das von allen geachtetste, von allen gepriesenste, von allen geliebteste sein. Allein, was hilft das alles, wenn — und wir werden das auf absehbare Zeit nie ändern — die ungeheure Mehrzahl der fast zwei Milliarden Erdbewohner einander zum weitaus größten Teile nur ganz äußerlich — und zudem auch da fast nur indirekt — kennen lernen können und einander daher nur nach dem Außenmenschlichen, dem Exopsychischen beurteilen? Denn darin kommen wir Deutsche aus den angeführten Gründen leider ganz schlecht weg, weit, weit schlechter als der letzte tschechische Hintersasse mit seiner halb derben und ungehobelten, halb listigen und hysteroiden, aber doch ursprünglichen und durch Schuldrill unverbildeten, darum einfühlbaren und sich einfühlenden Art, von dem Romanen und dem nach praktisch-psychologischen Richtlinien temperierten Angelsachsen gar nicht zu reden. Hinc illae lacrimae . ..
b) Ursachen des Deutschenhasses, bedingt durch die Psychologie der anderen Völker.
Sicherlich beantworten sich die Fragestellungen dieses Kapitels zu einem Großteil schon aus dem Inhalte des früheren Abschnittes: denn naturgemäß ist das Konterfei des Deutschen in der Seele der anderen Völker, wie es darin dank seiner Wesensart sich spiegelt, ein sehr wesentliches psychologisches Element in allen diesen Völkerseelen geworden, ein um so wesentlicheres, je beträchtlicher die Macht des deutschen Volkes und damit dessen sichtbare und fühlbare internationale Geltung angewachsen war.
Gleichwohl aber wäre es natürlich grundfalsch zu glauben, dieses Spiegelbild sei unabhängig von der Beschaffenheit des Spiegels, aller der Spiegelfassetten sonder Zahl, daraus es reflektiert. Vielmehr kommt eben dieser Beschaffenheit, eben der völkerpsychologischen Reaktionsart der anderen, eine ganz außerordentlich hohe Bedeutung zu, ohne deren Würdigung unser Fragenkomplex keiner restlosen Lösung zugeführt werden könnte.
Es liegt in der Natur des Gegenstandes, daß da ins einzelne gegangen werden muß. Es sei darum versucht, die seelische Reaktionsart der wichtigsten Nationen, die mit uns in völkerpsychologischen Beziehungen stehen, auf uns Deutsche einer näheren Betrachtung zu unterziehen und zu sehen, inwieweit sich auch daraus das Haßphänomen, der internationale Weltenhaß gegen uns erklärt, der, wenn auch in gänzlich anderen Motiven wurzelnd, analogisch wenigstens nur noch in dem ebenso internationalen Judenhaß seinesgleichen hat.
Beginnen wir mit unseren „Erbfeinden”, mit den Franzosen. Das Thema des Gallierhasses gegen das deutsche Volk ist uralt, hat aber dennoch bis auf den heutigen Tag ein vielbearbeitetes Kapitel abgegeben; Historiker, Kulturforscher, Literaten, Psychologen und Psychiater, so zuletzt noch Löwenfeld, Weygandt u. a., haben sich daran gemacht, und gerade das letzterwähnte deutet auf wichtige Grenzbeziehungen zum nächstfolgenden Kapitel hin, darin wir von der Psychopathologie des Deutschenhasses handeln werden. In der Tat kann man sagen, die seelische Stellungnahme Frankreichs zu uns zähle zu jenen Dingen, deren Wurzeln Geschichte und Forschung eigentlich hinreichend freigelegt haben, so daß darüber hier wenig Neues gesagt zu werden braucht. Zum Teil darf auch an früher herangezogene historische Umstände erinnert werden: Frankreich und Deutschland sind von alters her nicht so sehr Rassengegner denn vielmehr geschichtlich rivalisierende „Schwestern”, zwischen denen es seit über einem Jahrtausend Grenzstreitigkeiten gegeben hat. Frankreich hatte vor Deutschland von alters her das eine voraus, daß es die ältere Tochter der antiken Zivilisation war und daß es daher ursprünglich Vermittlerin derselben an Deutschland gewesen ist; freilich, die Lehren der klassischen Antike wie der späteren Renaissance
haben im deutschen Geistesleben ungleich tiefere Wurzeln geschlagen als im französischen, haben bei uns ungleich schwerere Frucht getragen als drüben, wo die verderblichen Einflüsse Spätroms überwucherten. Allein, an äußerer Zivilisation war uns Frankreich, eben als echte Tochter Spätroms, bis fast in die Gegenwart hinein ,überlegen .und in Belangen des dekorativen Geschmacks und der überfeinerten äußeren Lebenskultur ist diese Überlegenheit zweifellos bis auf den heutigen Tag geblieben. Dazu kommt noch, daß durch die ganze Geschichte wie ein roter Faden das „Gesetz” sich zu ziehen scheint, daß neben Frankreichs politischen und kulturellen Wellentälern ebensolche Wellenberge Deutschlands sich erheben — und umgekehrt; daß Deutschlands Erniedrigung in Macht und Kultur stets noch überstrahlt wurde vom Glanze und vom Ruhme Frankreichs und seiner Macht, wie nach dem Dreißigjährigen Kriege und zur Napoleonszeit, indes die Aufstiege Deutschlands in Macht und Kultur, wie ihn die beiden Gipfel des Reformationsjahrhunderts und der Hohenzollern-kaiser bezeichnen, auch eine politische und kulturelle Depression Frankreichs bedeuten.
Wer nun an den von Cäsars Zeiten her sprichwörtlichen ehrgeizigen und eitlen Charakter des Galliers denkt, der wird es durchaus verständlich finden müssen, daß der Aufstieg der „jüngeren”, ein wenig über die Achsel angesehenen, mehr als Stiefgeschwister betrachteten „Tochter der Zivilisation”, als die dem Franzosen Deutschland gilt, für die „ältere”, „legitime” Tochter der Zivilisation, für Frankreich, ein Gegenstand der Eifersucht werden mußte. Eben jener kulturelle Legitimitätsglaube, den man vielleicht ohne allzuviel Übertreibung Legitimitätsdünkel nennen darf, der in jedes echten Franzosen Kulturbewußtsein steckt, spiegelt ihm vor, daß jede Kultur, jede Macht, die nicht von Frankreich komme, nicht für Frankreich wirke, etwas „Illegitimes” sei; es ist dies eine uralte Idee des Franzosentums, schier unausrottbar in seiner Mentalität wurzelnd, die aus den Tagen des antiken Spätrom noch — dessen letzter politischer Überrest im Abendlande, in dem letzten römischen Statthalter Syagrius sich verkörpernd, ja Gallien gewesen ist — herstammt und durch die ganze französische Geschichte hindurch liebevoll gepflegt wurde; in ihr wurzelt der uns Deutsche so oft naiv anmutende, wenn nicht gar unverschämt scheinende französische Glaube an den Anspruch — der gleichwohl kaum aus einer echt französischen Seele, da tief in ihrem Wesen verankert, gerissen werden könnte —, daß Frankreich Dinge erlaubt seien, die, von anderen Völkern verübt, „Verbrechen” gleich werteten; daß Frankreich ein „heiliges” Recht besitze auf alles, worauf es sein Auge geworfen, auf alles, was es für sich brauche, denn „Frankreich”, „Recht”, „Zivilisation”, das sind dem Stockfranzosen Dinge, die für ihn einfach unlösliche Identitäten darstellen; Frankreich hat vor gar nicht so langer Zeit das urdeutsche, durch tausend Bande mit der deutschen Geschichte und Kulturgeschichte verknüpfte Elsaß „reuniert”, „folglich” hat es ein „heiliges” „Recht” darauf, es „gehört” ihm, „weil es einfach ihm gehört” (eine nur aus französischer Mentalität begreifbare Tautologie), und wer es da wagt, diesen Anspruch auch nur theoretisch anzuzweifeln, der ist nach französischer Überzeugung schon darum ein „Verbrecher” oder mindestens unzurechnungsfähig; am Rhein haben vorübergehend einmal früher wie leider auch jetzt französische Fahnen geweht, der Rhein scheint Frankreichs „natürliche” Grenze zu sein, folglich „hat Frankreich darauf ein Recht”; daß Millionen Deutscher an seinen Ufern wohnen, Stätten uralter deutscher Geschichte und Kultur zu beiden Seiten des Rheins liegen, das wiegt so wenig für den Stockfranzosen, wie etwa der urdeutsche historische Charakter Straßburgs und des Elsässer Alemannentums; was der Franzose will, glaubt er nicht nur gerne, er hält es auch für sein „Recht”, ja für ein „Gebot der Zivilisation” der ganzen Menschheit. Sogar das urdeutsche, ja deutschnationalistische Saargebiet, die urdeutsche Rheinpfalz hat nach seiner Auffassung Deutschland ihm „gestohlen”, weil dort einstmals vor Jahrhundertfrist für etliche Jahrzehnte französische Truppen gehaust haben!
Da unter sotanen Umständen in jeder Hinsicht ein realer Ausgleich zwischen objektiv begründeten deutschen Belangen und Lebensnotwendigkeit und subjektiv begründeten französischen Ansprüchen gewiß nicht zu den leichtesten Dingen gehört, da aber die französische Psyche seit mehr als einem Jahrtausend daraufhin eingestellt ist, in Frankreich das privilegierte Land, die privilegierte Nation schlechthin zu erblicken, und da dieser Glaube unausrottbar in jeder Franzosenseele eingewurzelt ist — auch in der Seele solcher Franzosen, die subjektiv des redlichsten Willens sind, auch anderen und gerade selbst uns Deutschen gerecht zu werden —, konnte es nicht fehlen, daß schon der geistige Aufschwung, den Deutschland nach dem tiefen Sturz des 17. Jahrhunderts vom 18. Jahrhundert an nahm, den inneren Protest, die Eifersucht und nur zu bald auch den leidenschaftlichen Haß Frankreichs wachrufen mußte, desselben Frankreich, welches als „Garant” des westfälischen Friedens, als das Land des Sonnenkönigs Ludwigs XIV. durch mehr als ein Jahrhundert sich gewöhnt hatte, Deutschland als sein Glacis, die Deutschen selbst aber, das Volk Gutenbergs, Luthers und Keplers, das Volk Walthers von der Vogelweide, Gottfrieds von Straßburg und Hans Sachs’, als nachäfferische Halbbarbaren sehr von oben herab zu betrachten und dementsprechend auch zu behandeln; und nun wuchsen aus diesem „rohen”, verachteten Volke, wuchsen in dem von den Reiterstiefeln französischer Kürassiere durch mehr als ein Jahrhundert als „pied ä terre” benützten Lande, wuchsen unter diesen „ungeschlachten” Menschen, die bis dahin wie hypnotisiert hingestarrt hatten nach dem Strahlenglanze von Paris, von Versailles, wuchsen da mit einem Male, wie einst im 16. Jahrhundert schon, aufs neue in hellen Haufen Geister heran in einer Kraft, in einem Blühen und Prangen, in einer reichen, herrlichen Fülle, dergleichen die Welt in verblüfftes Erstaunen setzte: Goethe und Schiller, Herder, Lessing, Wieland, Klopstock, Kant, Leibniz, Bach, Gluck, Händel, Haydn, Mozart eröffnen den Reigen, Grillparzer, Kleist, Uhland, Heine, Hebbel, Hegel, Fichte, Schopenhauer, Beethoven, Weber, Richard Wagner, schließen sich in ununterbrochener Reihe an, und den Philosophen, den Dichtern, den Heroen der Tonschöpfung begegnen die Bahnbrecher der Wissenschaft und Forschung, begegnen Humboldt und Johannes Müller, Mayer, Helmholtz, Bunsen, Virchow, Koch, Röntgen und ungezählte andere, deren Ruhm die Welt erfüllt. Die Seele der Franzosen erfaßte Verblüffung: wie, was, die „deutschen Barbaren” wollten, durften es überhaupt wagen, etwas anderes sein zu wollen als „Barbaren”, durften es wagen wollen, ihnen, den Franzosen, die doch „legitimer” Weise allein befugt waren, der Menschheit „ voranzuleuchten ”, Ebenbürtige aus ihrer Mitte an die Seite zu stellen, durften — mehr als das — sogar das „Verbrechen” verüben, in erklecklichen Belangen die Meisterschaft der Weltkultur zu erstreben und auch zu erreichen? Nein, solches vertrug die überlieferte gallische Eitelkeit nicht, solches durfte sie ja gar nicht dulden, und konnte sie es physisch schon nicht hindern, mißlang der napoleonische Versuch dauernder Nieder-tretung und Knechtung deutscher Vermessenheit, dann gab es doch ein Gebiet, dahin das Schwert deutscher Abwehr, dahin die Waffen deutschen Geistes nicht zu dringen vermochten: es war die französische Seele, die sich in leidenschaftlichem Proteste aufbäumte gegen die deutsche „Anmaßung”, die Anmaßung dieses Volkes, das es gewagt, sich nach dem tiefen Verfall des 17. Jahrhunderts wieder zu erheben zu einem Glanze, wie einst im 13. Jahrhunderte der Minnesänger und im 16. Jahrhundert der Meistersinger und der Reformation, des Volkes, dessen „Barbarei” Frankreich für alle Zeiten zu verewigen gedacht hatte ad majorem gloriam Galliae!
Indes, es war am Ende gerade eben noch zu ertragen, solange Deutschland auf dem Gebiete des Geistes, des Gemütes Werke und Werte schuf: denn was es da schuf, war ja nicht für die große Masse der anderen Menschen zugänglich, die nach wie vor in die Strahlenstadt an der Seine als nach ihrem Mekka wallfahrteten, war Höhenkultur, dahin nur die Auslese der Geister anderer Nationen den Weg finden konnte; und dankbar wollen wir anerkennen, daß unter diesen erlesenen, führenden Geistern auch Franzosen waren, die — soweit fianzösischer Subjektivität derlei überhaupt möglich — ehrlich sich mühten, dem deutschen Geiste, dem deutschen Volke gerecht zu werden und die gallische Wahnidee zu zerstören, als wäre es das unabänderliche Los, ja die Pflicht der Deutschen, „Barbaren’* bleiben zu müssen, bestimmt, vom Glanze Frankreichs überstrahlt zu werden, dessen Staffage abzugeben, um allenfalls stückweise — nach dem Vorbilde des Elsaß — zur „Adoption” durch Frankreich „würdig” befunden, natürlich aber zu dieser Ehre gleich auch „befohlen” zu werden; wäre es doch auch nichts als züchtigungswerte Vermessenheit, wollte ein staubgeborener Plebejer spröde sein, so eine purpurgeborene Fürstin ihn zum Dienste befiehlt… Solcher Franzosen jedoch, die — sagen wir — nüchterner, objektiver dachten — Jaures war einer der letzten dieser Großen — waren stets nur wenige, und heute sind es wohl kaum mehr denn die paar um Romain Rolland, um Barbusse und um Longuet. Es ist hart, solches aussprechen zu müssen, hart für den zumal, der, ohne freilich je blind gewesen zu sein für die Schwächen des französischen Charakters, vor dem Kriege ein aufrichtiger Freund und Bewunderer französischen Geistes war, hart für den, der, bei aller heißen Liebe zur eigenen deutschen Gemeinschaft, noch immer fest daran glaubt, daß es einmal doch zu einer innigen Arbeitsgemeinschaft aller Kulturvölker kommen werde; aber es ist notwendig, sich über diesen Tatbestand keiner Täuschung hinzugeben, und ich halte es darum für fast verbrecherischen Leichtsinn, wenn bei uns manche Politiker, Schöngeister und Schwarmgeister, geblendet durch die paar weißen Raben, die es jenseits der Vogesen gibt, uns einreden möchten, das französische Volk hege keinen Haß gegen uns“ oder dieser Haß sei nur ein Kunstprodukt, Nein! Wenn je wirklich ein ganzes Volk ein anderes Volk als Ganzes gehaßt hat, gehaßt ans tiefster Seele, so war und ist es das französische Volk, welches das deutsche Volk seit Jahrhunderten haßt und gehaßt hat mit der ganzen leidenschaftlichen Glut seines Herzens! Selbsttäuschung — grauenvolle, verhängnisvolle Selbsttäuschung — war es und wäre es heute noch mehr denn je, zu glauben, daß es anders sei, weil man es selber anders wünscht, oder in nächster Zukunft anders werden könnte! Erst fernen Zeiten mag es Vorbehalten sein, hier Wandel zu schaffen, und wir wollen redlich daran arbeiten, daß sie sich erfüllen mögen; das kann aber am wenigsten geschehen durch Selbsttäuschung und — Würdelosigkeit!
Nun aber vergesse man nicht: dieses selbe Deutschland, dessen kulturelles „Risorgimento” allein schon hell lodernden Gallierhaß herausgefordert hatte, dieses selbe Deutschland „vermaß” sich, sich endlich zu einer Nation, die es innerlich stets war, auch äußerlich zusammenzufinden und so durch eine alte politische Rechnung Frankreichs einen dicken Strich zu ziehen; vermaß sich, als nunmehr zahlreichstes Volk des Kontinents den Platz in der Reihe der Großmächte einzunehmen, den bis dahin Frankreich innegehabt; vermaß sich, in der Folge mit Riesenschritten zu einer Höhe auch materieller, zumal technischer Zivilisation emporzusteigen, die in allem, wras nicht „esprit” und „guter Geschmack” war, darin Frankreichs Hegemonie nach wie vor unbestritten blieb, Frankreichs Glanz bedenklich zu überstrahlen begann! Nicht mehr Paris allein war das Haupt der geistigen Menschheit, auch Berlin und München, Dresden und Leipzig — unser Wien blieb leider abseits — begannen zu Zentren emporzuwachsen, dahin die internationale Kulturwelt ihre Blicke richtete, dahin die Jünger aus Ost und West, aus Nord und Süd in hellen Scharen zogen, um sich zu bilden. Da konnte Frankreich nicht ruhig bleiben! Mochte Sedan, mochte Elsaß die hörbare Parole sein, das, was den Deutschenhaß in Frankreich zu solch elementarer Kraft emporpeitschte und ihm solche fanatische Zähigkeit lieh, das war — wenn wir von der gewollten Agitation seitens bestimmter Staatsmänner und spezifisch französischer Freimaurerkliquen absehen — vor allem die alteingewurzelter, französischer Ehr- und Ruhmsucht unerträgliche Tatsache, daß da im ..Barbarenlande” jenseits der Vogesen ein gewaltiges, machtvolles Leben brauste und dröhnte, dem *— ungeachtet aller Mängel, die ihm anhafteten — im Gesamteffekte doch eine weitaus gewaltigere Durchschlagskraft innewohnte als jenem Frankreichs und vor dessen Energien Frankreichs Glanz mählich verblaßte. Solches konnte aber kein Franzosenherz leiden. Macht, Ehre, Ruhm, Zivilisation sind der französischen Seele ausschließlich „legitimer” französischer Besitz, höchstens können Frankreichs Helfer damit „belehnt” werden; und so drängte alles zur „Revanche” an dem deutschen „Usurpator”; zu einer Revanche, die, dank unserer eigenen Schuld und dank Frankreichs 20 Bundesgenossen gerade eben noch zur Not gelungen ist. Ob für immer . . . ?
Gehen wir von den Franzosen zu deren lateinischer Schwesternation, zu unseren Nachbarn im Süden, den Italienern über; wenn von diesen und deren Antipathie gegen uns Deutsche weder nach Art noch nach Intensität das nämliche gilt wie von all dem bei den Franzosen, wiewohl auch Deutsche und Italiener im Laufe von mehr als D/s Jahrtausenden und, wenn wir bis ins klassische Altertum zurückgreifen, seit 2 Jahrtausenden sehr vielfach als Gegner einander gegenübergestanden sind: dann rührt das wohl einerseits von dem weit geringeren Anteil des keltischen Einschlages bei den Italienern, anderseits aber daher, daß die Italiener mit den Deutschen durch viele Jahrhunderte das Los politischer Zersplitterung geteilt haben; dazu kommt noch, daß ein geschichtlicher Zufall die Gleichzeitigkeit der staatlichen Einigung des größten Teiles der Italiener und des größten Teiles der Deutschen gewollt hat. Alles Momente, welche, wie namentlich die Schicksalsverwandtschaft, es bewirkt haben, daß der an und für sich unleugbare Antagonismus zwischen Welschen und Deutschen nicht derart schroffe und unversöhnliche Formen angenommen hat wie jener zwischen Deutschen und Franzosen. Aber noch ein weiteres psychologisches Moment ist hier maßgebend gewesen: der Umstand, daß jenes Deutschtum, mit dem das italienische Volk dauernd in unmittelbarer Berührung steht und von dessen Beherrschern auch -weite Teile Italiens durch geraume Zeit beherrscht worden sind, das österreichische Deutschtum gewesen ist. Wieder aber war es eine Fügung des Schicksals, daß dieses österreichische Deutschtum nicht nur geographisch und administrativ die Rolle des Puffers gespielt hat zwischen dem italienischen und der Hauptmasse des deutschen Volkes, sondern daß seine Beherrscher gerade in einer der Gegenwart nicht zu fern abliegenden Zeitperiode sozusagen in gleicher Weise gegen die italienische wie gegen die deutsche Einigung Stellung nahmen. Dies ergab einen gewissen Parallelismus zwischen deutschen und italienischen politischen Interessen, der sich selbst durch die heutige politische Feindschaft hindurch nicht völlig verleugnet, ja heute sogar bereits manche Verbreiterung seiner Grundlage erkennen läßt. Auch die durch Fremdenverkehr und andere Umstände gegebenen wirtschaftlichen Berührungen im Vereine mit dem nüchternen Handelsgeiste des italienischen Volkes, endlich aber die alten Beziehungen zwischen Künstlern und Gelehrten diesseits und jenseits der Alpen, das alles waren und sind Dinge, die einigermaßen in der Volksseele verankert sind und es bewirken, daß die auch in Italien keineswegs fehlende Antipathie gegen uns Deutsche im allgemeinen weniger heftig, weniger unversöhnlich, sozusagen sordinierter klingt als in Frankreich; und auch keineswegs unheilbar erscheint.
Von den Lateinern wenden wir unsere Blicke unseren slawischen Nachbarn im Osten zu. Nun — vielleicht mit der einzigen Ausnahme der Ukrainer — gehören wohl die Slawen zu unseren ältesten und unversöhnlichsten Hassern. Es ist dies ein Haß, so abgrundtief, so sehr Glaubensbekenntnis jedes Slawen geworden, daß die schlichte Tatsache nachbarschaftlicher Reibungen und Rivalitäten allein nicht genügt, um ihn hinreichend zu erklären. Es ist notwendig, tiefer in der Psychologie des Slawentums und ihrer Ontogenese zu schürfen, um seine Art des Deutschenhasses richtig zu verstehen.
Da ist die erste Tatsache, auf die wir stoßen, jene, daß der Slawe zum Germanen, und zwar vor allem zum Deutschen durch viele Jahrhunderte in einem Hörigkeits- und Abhängigkeitsverhältnisse gestanden hat; ist doch das deutsche Wort „Sklave” bekanntlich nichts als eine Verdeutschung von „Slave”; damit ist schon ungeheuer viel erklärt. ,.! Durch lange Jahrhunderte war der Slawe in den Augen der Deutschen der Knecht schlechthin, und auch die Tatsache, daß einzelne Slawenstaaten im Mittel-alter nicht ohne Macht und Blüte waren, einer davon, Böhmen, sogar von alters her den Rang eines deutschen Kurfürstentums innehatte, dessen Herrschergeschlechter nach der deutschen Königs- und der damit verbundenen Kaiserkrone des römischen Reiches deutscher Nation gestrebt und sie vorübergehend auch erlangt hatten, hatte an der persönlichen Einschätzung und Geringschätzung des Slawen seitens des Deutschen wenig zu ändern vermocht. Kein Wunder auch! Des Deutschen Idol war ursprünglich der Herrenmensch in Wehr und Wappen, der Herrenmensch aber auch im Dichten und im Denken, des im Goetheschen Geiste hochsinnigen und hochgemuten — leider auch nur zu oft hochmütigen — höchstpersönlichen . Eingängers; das Ideal des Slawen war von alters her weit eher die unpersönliche Gemeinschaft Gleicher, die Gemeinschaft des Lebens und — so es unbedingt sein mußte — auch des Ringens. Singens und Sagens. War des Deutschen Hochziel — im Leiblichen wie im Geistigen — stets ein Streiten und Kämpfen, ein Ringen und Schaffen, so war des Slawen Liebstes stets das seßhafte, friedliche Beharren und eine in grüblerischer Melancholie sich verlierende Beschaulichkeit. Kein Zweifel: das differenzierende Individualisieren, der kampfeslustige deutsche Schaffens- und Tatendrang stellte und stellt — im Physischen wie im Geistigen — eine höhere Zerebrationsstufe und einen ungleich gewaltigeren Kulturfaktor dar als die slawische Beharrlichkeit und Melancholie, deren Frucht im ganzen und großen — von einzelnen leuchtenden Meteoren am Slawenhimmel abgesehen — jene „improductivite slave” ist, die ja bekanntlich am wenigsten von slawischer Seite selbst geleugnet wird; wenngleich niemals vergessen werden darf, daß auch, dem Slawentum mancher hohe allgemein menschliche Kulturwert zu Buch geschrieben werden muß. Jedenfalls aber konnte es gar nicht fehlen, daß deutscher Taten- und Arbeitsdrang und ursprüngliche slawische Beschaulichkeit, so enge benachbart, hart auf hart gegeneinander geraten und daß, einzelne Rückschläge abgesehen, im Laufe der Jahrhunderte,, solange die Grundsätze der französischen Revolution noch nicht Gemeingut und daher zur Waffe aller Menschen ohne Unterschied geworden waren, der Slawe überall zunächst den kürzeren ziehen mußte.
Die Folgewirkungen dieses chronischen, erst mit physischen, später mit geistigen und moralischen Waffen durchgefochtenen Kampfes mußten aber naturgemäß in der Seele der Westslawen — um die es sich ja vor allem handelt —, der Polen, der Tschechen, der Slowenen gewisse reaktive Erscheinungen zeitigen; primäre sowohl wie sekundäre.
Und diese Reaktionsphänomene sind leicht zu verstehen! Der Druck des deutschen Hammers löste einen Gegendruck aus. Der ursprünglich friedliche und gutmütige, aber geistig bedürfnislose slawische Bauer, Hirte und Händler wurde zunächst mit Furcht vor dem deutschen Krieger, aber auch vor dem rastlosen deutschen Arbeiter erfüllt, einer Furcht, die, weil der Deutsche zunächst auch als Träger und Übermittler des Christentums und römischer Zivilisation in Erscheinung trat, nicht ohne Beisatz von Bewunderung war, sobald einmal die slawische Seele dafür zugänglich geworden; freilich, diese Slawenseele war. schon als eine im wesentlichen bäuerliche, beharrlich und trotzig; und so hat es Jahrhunderte gekostet, von schweren Kämpfen auf Leben und Tod erfüllt, Jahrhunderte blutiger Vernichtung ganzer Slawenstämme, ehe Christentum und Zivilisation im deutschen Gewände in slawischen oder vorher slawisch gewesenen Gauen dauernd festen Fuß fassen konnten; einmal unterworfen, sah sich aber der Slawe einem Herrenvolke gegenüber, dem er zunächst weder physisch noch geistig gewachsen -war; die Waffen des Sclrwächeren aber, gerade jenes, der vom Hause aus friedlich ist — es gibt keinen heißeren Zorn als den des Friedsamen und Rückständigen, dem man seinen Frieden und seine Rückständigkeit nicht läßt —, sind von jeher List, Verstellung, Lüge gewesen. Bei den Höherstehenden unter den Slawen gesellte sich dazu aber noch eines: Neid!
Und so nährte und nährt bis auf den heutigen Tag der Slawe einen aus tiefster Tiefe hervorquellenden Haß in sich gegen den früheren deutschen Herrn und Zuchtmeister; einen Haß, der seine Unerbittlichkeit und Unauslöschlicbkeit gerade daher schöpft, daß er aus jahrhunderte alten, tief in die Volksseele eingegrabenen, von Generation zu Generation überlieferten, zum Teil kaum mehr vollbewußten seelischen Engrammen immer wieder neue Nahrung empfängt. Es ist in dem Sinne sogar recht bezeichnend, daß gerade jenes slawische Volk, welches nach Sitte und Kultur dem deutschen am nächsten steht und ihm dank einer gewissen Arbeitstüchtigkeit äußerlich ziemlich angeglichen ist, das tschechische, den glühendsten Haß gegen seinen einstigen „Lehrmeister” empfindet: der Instinkt in jedem Tschechen, er mag durch sekundäre Erziehungseinflüsse noch so tüchtig und arbeitsam geworden sein, drängt seine Seele doch mit Macht hin zur naiven und nativen slawischen Geruhsamkeit und Beschaulichkeit, wie man beim tschechischen Einzelmenschen häufig genug unter Verhältnissen beobachten kann, wo er sich sozusagen „konkurrenzlos” weiß; im Gegensätze zu dem oft sehr gewaltigen, von Neid gepeitschten Eifer, den er bekundet, wo er sich der deutschen Konkurrenz ausgesetzt sieht, der er dann in krampfhaft-verbissenem Aufraffen vorübergehend sogar erfolgreich zu begegnen weiß, um aber nur zu bald in die native slawische „Unproduktivität” zurückzusinken, sobald er sich „endlich allein” sieht; der primäre Schaffensund Arbeitsdrang, die Schaffensfreude um ihrer selbst willen, beim Germanen so häufig, fehlt dem sonst, zumal musikalisch so reich begabten Slawen in der Regel; und eben darum quillt ein unerschöpflicher Strom von Haß — halb unbewmßt — aus der Tiefe seiner Seele hervor gegen den Deutschen, dessen Erscheinung ihn auch heute noch tagtäglich nicht nur an den „Herrenmenschen” erinnert, der jener oft noch seinen Großvätern gewesen ist, sondern ihm wider seine Slawennatur als Zwinger zu produktiver Arbeit gilt; darum die Tendenz, das Deutschtum zu vernichten, damit „Ruhe” sei. Natürlich sind historische Momente, zumal solche aus der historischen Romantik dann noch etwas, was im Reiche des Oberbewußtseins für den Nationalhaß die Folie abgibt, zumal bei den Gebildeten, Polen wie Tschechen; und gerade sie fühlen doppelt, dreifach und neiderfüllt die ungeheure geistige und kulturelle Überlegenheit des Deutschtums. Und jener leicht hysteroide Zug, der — wenigstens aus dem deutschen Gesichtswinkel gesehen — der slawischen Seele anhaftet, bemächtigt sich natürlich mit besonderer Vorliebe derart romantischer Elemente. Eben dieser Zug aber leiht dem Slawen auch die Gabe, ein brillanter Advokat und Dialektiker seines Deutschenhasses zu sein; Hysterische und Hysteroide haben ja bekanntlich eine Meisterschaft darin, nicht allein autosuggestiv die eigenen subjektiven, vor allem aus ihrer eigenen Anlage herstammenden Leiden sich selbst zu vergrößern, sondern sie auch dritten Menschen als ungeheuer groß hinzustellen, ihre unschuldigen Mitmenschen aber als angebliche Quälgeister zu denunzieren. Nun ist der Deutsche dem Slawen gegenüber sicherlich nicht so einfach ohne „Schuld’1, allein ebenso sicher ist, daß diese Schuld objektiv eigentlich recht geringfügig ist, oft nur auf einem Mißbrauch deutschen Namens durch finstere Mächte beruht oder auf entschuldbaren Irrtümern, und daß sie reichlich aufgewogen wird durch das ungezählte Gut an Kultur, das der Deutsche dem Slawen vermittelt hat; aber Dankbarkeit ist bekanntlich keine Tugend der Hysterie und alles dessen, was danach aussieht; sie ist darum — wie Slawen selber oft zugestehen — beim Slawen eher geringer als bei andersvölkischen Menschen; zumal wo Neid ihr wirksam Konkurrenz macht.
Die Beziehungen zu dem größten slawischen Stamme, den Russen, sind für uns Deutsche nicht so sehr nachbarschaftlicher denn politischer, kultureller und wirtschaftlicher Natur; gleichwohl haben sie hingereicht, um eine ganz bestimmt orientierte Antipathie russischerseits gegen die Deutschen zu erzeugen. Begreiflicherweise nämlich mußte die nicht nur slawisch geruhsame, sondern dank ihrer Rassenzusammensetzung und Geschichte auch mit einer gewissen „breiten”, orientalischen Weitherzigkeit (und Unschärfe) im Denken und Fühlen ausgestattete russische Seele gegen den deutschen Zucht- und Schulmeisterrationalismus besonders intensiv im Sinne instinktiver Abweisung reagieren. Dazu kam, daß deutscherseits — wenigstens soweit es sich um das offizielle Deutschtum handelte — mit einem unpolitischen Ungeschick, das gar nicht einmal innerer Absicht entsprang, eine Parteinahme für das zaristische Regiment markiert wurde, die Deutschland in den Augen der russischen Intelligenz zu einer Art Büttel machte. Darum der in dieser Stärke sonst schier unbegreifliche Haß gerade dieser Schichten gegen das Deutschtum, dessen Lehr-, Arbeits- und Organisationstalent — und nicht der französische Opportunismus, der nur politisch meisterhaft schlau zu operieren verstand — der natürliche Führer der aus der Nacht zum Licht emporstrebenden russischen Intelligenz zu werden berufen gewesen wäre; daß dann wieder politische Momente — der Panslawismus, der Drang nach dem Osten und dem Balkan — die oberbewußte Folie für die halb instinktive Fühlsantipathie abgaben, ist nur eine Parallelerscheinung zu früher Ausgeführtem.
Nun zu dem traurigsten Kapitel, zu dem Hasse anderer germanischer Völker, vor allem der Angelsachsen gegen das deutsche Volk. Wenn die Antipathien der anderen Nationen gegen uns zu einem sehr großen, ja überwiegenden Teile ihren Grund in gefühlsmäßigen, halb und halb unterbewußten Vorgängen oder in uralten Engrammen der nationalen Geschichte haben, dann darf gesagt werden, daß die Antipathie der germanischen Bruder- und Vetternvölker gegen das deutsche Volk ihren Grund vor allem in rationalistischen Erwägungen finde und weit weniger in gefühlsmäßigen Regungen. Für den altgermanischen Sippenhaß ist ja wohl in Ansehung der getrennten Staatlichkeit kein Platz. In der Tat bietet die Geschichte nur wenig Raum für die Annahme einer genuinen, einer ursprünglichen Feindschaft der anderen germanischen Völker, insonderheit der angelsächsischen, wider das deutsche. Diese Feindschaft ist vielmehr im Grunde recht jungen Datums. Sie fußt natürlich einerseits auf der klar erkennbaren Grundlage ökonomischer und politischer Konkurrenz und dadurch hervorgerufener Gegnerschaft, wobei das traditionelle Ungeschick des Deutschen in allen politischen Dingen — davon wir schon an früherer Stelle gesprochen — das Möglichste dazu beigetragen hat, diesen Gegensatz, der sich vielleicht sonst in erträglicheren Grenzen gehalten hätte, zu verschärfen und bis zum Bruche emporwachsen zu lassen. Aber eine andere Wurzel noch kommt für die Antipathie der anderen germanischen Völker, und zwar gerade nicht zuletzt eben der Angelsachsen in Betracht: nämlich die innere, politische Verfassung Deutschlands. Denn es gibt kein, germanisches Volk, bei dem die seelische „Bindungstendenz ” den Charakter des Politischen, des sogenannten „Militarismus” (der meines Erachtens freilich ganz fälschlich so genannt wird; eigentlich sollte es heißen: System der pflichtgemäßen Unterordnung des einzelnen unter den Staatsbegriff) angenommen hätte wie bei den Deutschen. Dem Deutschen ist der Staat, was derm Angelsachsen (und den anderen, von Tag zu Tag mehr angelsächsisch sich orientierenden germanischen Völkern) Sitte und Klub sind; während aber Sitte und Klubzwang bei aller ihrer Tyrannei dem Angelsachsen etwas Selbstverständliches, weil ihm sein eigenes Ich Widerspiegelndes sind, daher als seelische Sklaverei von ihm gar nicht empfunden werden, gilt seinem historischen Freiheitsdrange jeder staatliche Zwang als ein Greuel. Als personifizierter Repräsentant dieses „preußisch-militärischen Zwanges staatlicher Gewalt” erscheint ihm aber der Neudeutsche. Darum war es der Angelsachse, welcher der Herold des Weltkampfes gegen das System des „preußischen Militarismus’’ geworden ist, weniger aus nationalem und Rassenhaß denn aus politischem Prinzip; auch das jedoch erst, als dieses ihm unsympathische Prinzip als sein Konkurrent in der Weltpolitik auftrat und drohte, das eigene System in seinen weltumspannenden Prärogativen zu gefährden. In diesem Sinne war denn auch der Kampf zwischen Deutschtum und Angelsachsentum ein Kulturkampf zwischen zwei, wie wir gesehen haben, innerlich eigentlich wenn auch nur entfernt verwandten, im Effekte freilich weit voneinander abstehenden germanischen Erziehungsprinzipien um die Weltherrschaft; ein Kampf, darin das leider „unpsychologische” deutsche System unterlegen ist . . .
Wir begreifen jetzt, warum angelsächsischerseits (die anderen germanischen Völker wie die Skandinavier, Holländer, auch die Deutschschweizer sind so sehr im Banne angelsächsischer Mentalität, daß wir, Ausnahmen abgerechnet, deren öffentliche Meinung als einen Appendix der angelsächsischen ansehen dürfen) die Abneigung gegen das Deutschtum in so auffallender Weise politisch motiviert worden ist; gewiß, es war in diesen größtenteils journalistischen Stimmen vor dem Kriege und während desselben ein ganz gewaltiges Stück bewußter agitatorischer Übertreibung enthalten, und unmöglich darf übersehen werden, in welch weitem Umfange das traditionelle diplomatische Ungeschick der Deutschen, die Unfähigkeit, Sprechen und Schweigen richtig zu dosieren, die unausgesetzte Vermengung von Mitteln und Zielen, die echt deutsche Sorglosigkeit in punkto Wahrung des nationalen Gesichts,dieser ganze jammervolle Mangel an exopsychischer Eutaxie deutscherseits, von dem so eingehend die Rede war, wie alles das den angelsächsischen Anklägern Deutschlands und deren Nachbetern die wirksamen Stichworte der Deutschenhetze so recht erst eigentlich geliefert hat: „preußischer Militarismus”, „preußischer Absolutismus”, „sozialistische Vaterlandslosigkeit”, „bajuwarische Roheit” und vieles andere an „Schlagern” solcher und ähnlicher Art, die im politischen Kampfe wider Deutschland eine so verhängnisvolle Rolle gespielt haben, sie alle haben auf den politischen Tribünen Deutschlands oder in den Spalten der deutschen Tagespresse das Licht der Welt erblickt, sie sind da weidlich breitgetreten und — bedenkenlos und unbekümmert um das aufhorchende Ausland — von Deutschen im Meinungskampfe gegen Deutsche gebraucht worden; man denke nur an die „Zabernaffäre”! Bedenkenlos im Reden, bedenkenlos, wie in den letzten Kriegsjahren, im Schweigen und unfähig, Mittel und Ziele in der Politik scharf auseinanderzuhalten, das ist Deutschlands politisches Ungeschick, fußend in seiner allzu „linearem‘ Mentalität, der alles praktisch Psychologische fremd ist! So haben denn auch die Angelsachsen sehr vielfach nur aufgegriffen, was Deutsche selber angestiftet haben. Allein, darüber hinaus darf unmöglich verkannt werden, wie die demokratischen Sitten der Angelsachsen und der anderen Germanen von der sei es auch nur ganz äußerlichen Militarisierung neudeutschen Wesens in der Tat sich abgestoßen gefühlt haben und es als ein Übel empfunden hätten, wenn diese zur Weltgeltung gelangen würde. Darum die Äußerung selbst deutschfreundlicher Kreise in solchen Ländern: -wenn die Deutschen schon siegen, mögen sie nicht zu sehr siegen . . .
Es läßt sich natürlich nicht bestreiten, daß das Deutschenhaßphänomen auch bei anderen Völkern in Erscheinung tritt; ganz frei ist ja davon kaum ein Volk der Erde, mag es unmittelbar an das deutsche angrenzen oder nicht; es handelt sich da indes mehr um eine Art „Induktion” von Nachbarvölkern her oder auf dem Wege der Weltpresse, die ja fast zur Gänze im Besitze der primär deutschfeindlichen Nationen ist oder unter deren Kontrolle steht; in einigen Fällen — wie bei den Magyaren — handelt es sich so gut wie ausschließlich um eine Übertragung der Abneigung gegen lokale (in dem Falle österreichische) Administrativbehörden auf das dem Namen nach von diesen mißbrauchte Gesamtdeutschtum, ohne daß darum so etwas wie ein wirklicher Deutschenhaß ins Volksbewußtsein eingedrungen wäre. Soweit endlich bei den Juden — wenigstens bei jenem Teile derselben, den man als „Nation” betrachten mag — von einem Deutschenhaß gesprochen werden kann, handelt es sich teils um eine vielleicht primäre, vielleicht talmudisch gezüchtete Abneigung gegen das nordisch-arische Element, die eben an vielen Stellen gerade das deutsche Element trifft, teils aber um eine sekundäre Reaktion auf die antisemitische Bewegung, die fast keinem nichtjüdischen Volke fremd ist, deutscherseits aber in so schulmeisterlich-doktrinärer Art gepredigt und praktiziert wird, daß sie in der Form ebenso gehässig und ungerecht auftritt, wie sie in der Sache unwirksam bleibt, auch insoweit, als sie besser nicht unwirksam bliebe; davon noch später.
Vergessen wir zuletzt aber an eines nicht: daß ein Gutteil des Deutschenhasses bei fast allen Völkern in einem halb unterbewußten Komplexe wurzelt, dessen Substrat die moralische und intellektuelle Überlegenheit des deutschen Volkes und der deutschen Kultur in vielen Stücken ist. „Es liebt die Welt das Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den Staub zu ziehen!” Sie liebte es in den Tagen des Aristides, des Sokrates, in den Tagen von Golgatha, sie liebt es heute noch und wird es noch auf lange hinaus lieben. Das ist schließlich der allertiefste Grund, warum unser edles deutsches Volk so Ungeheures leiden muß und zum Hohne auch noch so ungerecht beschuldigt wird von den anderen, die nach der alten Diebsmoral schreien und handeln: haltet den Dieb! Denn so wahr diese ganzen Zeilen dartun, daß es Deutsche gibt, die ein offenes Auge haben für die schweren Fehler und Mängel der eigenen Nation und für die Vorzüge der anderen, so sehr ist es Pflicht ihres Schreibers, laut und vernehmlich den anderen das moralische Recht abzusprechen, über unsere Fehler zu Gericht zu sitzen und uns dafür zu strafen; richten und strafen mag uns, wer besser ist als wir, und das sind die anderen weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit. Wir Deutsche haben uns schwer vergangen, aber die anderen haben unsere Vergehen mißbraucht, um noch ärgere Verbrechen an uns zu verüben, Mord, Raub und — was am schlimmsten ist — Verleumdung. Es wird der Tag kommen, da die Menschheit bitter bereuen wird, was sie an uns gefrevelt!
Psychopathologische Momente im Deutschenhasse und seinen Erscheinungen und deren agitatorische
Verwertung
Das Phänomen des Weltenhasses gegen uns Deutsche hat gewiß vor allen Dingen seine psychologische Begründung; allein unvollständig wäre seine Analyse ohne die Würdigung seiner Psychopathologisehen Grundlagen.
Denn die Existenz solcher läßt sich unmöglich bestreiten. Schon die Psychologie des Deutschenhasses bei manchen Völkern streift zum mindesten hart an das Gebiet des Krankhaften. Vor allem gilt dies vom Deutschenhasse der Franzosen und der ihnen stammverwandten Wallonen. Zugegeben, daß die traurigen Begleiterscheinungen dieses Krieges es mit sieh brachten, daß das belgische Wallonien und weite Gebiete Frankreichs darunter besonders schwer zu leiden hatten, müssen wir dennoch sagen, daß dieses Maß und diese Art von Haß, wie sie sich dort uns gegenüber geoffenbart hat, vom Standpunkte normaler Psychologie allein wenigstens nicht restlos erklärt werden können. Zum Vergleiche genügt wohl der Hinweis auf all das namenlose Leid, welches Deutschland im Laufe der Jahrhunderte durch Frankreich erfahren hat: die gewaltsame „Reunion” des Elsaß durch Ludwig XIV., die Verwüstung der Pfalz links und rechts vom Rhein durch Melac (die „ruine accusatrice” des Heidelberger Schlosses klagt davon noch heutigentags…!), die sadistische Niederpeitschung Deutschlands durch Napoleon und seine Söldner und weiter und weiter ein endloses Lied von Blut und Tränen . . .; aber gleichwohl: von einem wilden, unversöhnlichen, brutal-sadistischen Hasse, wie ihn Frankreich gegen uns hegt, ist in uns niemals etwas lebendig gewesen, und war der Feind aus dem Lande draußen, streckte ihm Deutschland noch stets die Hand zur Versöhnung hin. Anders Frankreich: Hier ist die Idee, um jeden Preis an der Spitze der Zivilisation marschieren, das heißt Europa beherrschen zu müssen, zu einer fixen überwertigen Idee geworden, und da die harte Tatsache der höheren Zahl, der größeren Lebenskraft, der emsigeren Schaffensfreude und der durchgeistigteren Bildung Deutschlands dieser überwertigen Idee im Wege stand, hat die französische Mentalität mit einem Komplex weiterer überwertiger Ideen, und zwar persekutorischen Inhaltes, sekundär darauf reagiert; aus der „grande nation” wurde, seit Deutschland zur Großmacht erwachsen, der eifernde „persecute persecuteur . .
So, nur so ist zu verstehen, wie sich ein Land wie Frankreich, dessen allgemeine Volksbildung auf so bescheidener Stufe steht, soweit versteigen konnte, Angehörige des gebildetsten Volkes der Welt als „wilde Tiere”, als „Barbaren”, „Hunnen”, „wilde Bestien”, „Boches’’ zu beschimpfen und sie — als wehrlose Gefangene — physisch und moralisch in einer Art zu martern, die einen Schandfleck der Gegenwart bildet. Frankreich glaubt sich aber dabei felsenfest im Rechte, ja es ist überzeugt, daß es die Deutschen noch viel zu gut, noch viel zu edel behandle, wenn es ihnen auch nur die Titel von Menschen „schenke”; wer z. B. (nur ein Fall von vielen!) gelesen hat, wie französische Richter sich ihres „Edelmutes” rühmten, weil sie im besetzten Gebiete Deutschlands einen jungen Menschen, der mit einem Stein nach einem französischen Auto geworfen (schrecklich!), zu „nur” fünf Jahren Zuchthaus (!) verurteilt hatten, der ist überzeugt, daß hier offenbar eine krankhafte Mentalität vorliegen müsse, ein schon fast wahnhafter Komplex überwertiger Ideen; anders ist ja solches schlechterdings nicht zu erklären; denn gegen die Annahme, eine Nation von der Höhe der französischen sei bewußter Unsittlichkeit fähig, sträubt sich unser besseres Selbst.
Sollte sich bestreiten lassen, daß die überwertige Ideenbildung, die für den Deutschenhaß der Gallier eine so wesentliche Komponente abgibt, auch noch andere krankhafte Blüten getrieben habe? Sollte bestritten werden können, daß ein französischer Arzt, Berillon, in einem ernsthaften französischen Fachorgane eine Abhandlung „über den spezifischen Geruch der Deutschen” veröffentlicht habe, darin er mit feierlichem Ernste die These entwickelt und begründet hat, alle Deutschen — versteht sich mit Ausnahme der Elsässer — seien gekennzeichnet durch eine spezifisch riechende Schweißabsonderung, die zwar gewisse Stammesunterschiede erkennen lasse, z. B. beiden Bayern und Schwaben nicht ganz identisch sei mit jener bei den Preußen, Sachsen und Mecklenburgern, immerhin jedoch für alle Arten Deutscher so sehr charakteristisch, daß z. B. der französische Geruchsinn noch jahrelang nachher mit untrüglicher Sicherheit zu unterscheiden vermöge, ob ein Gemach einmal von einem Deutschen bewohnt gewesen sei oder nicht? Darin der gelehrte Verfasser neben anderen höchst merkwürdigen Dingen auch die „Theorie” zum Besten gab, daß dieser „spezifische” Schweißgeruch dadurch zustandekomme, daß bei der deutschen Rasse die Schweißdrüsen zum großen Teile die Rolle der Nierenfunktion übernommen hätten? Sollte sich bestreiten lassen, daß die französische Öffentlichkeit diese Art Wissenschaft ungeheuer ernst genommen habe? Und daß es dafür nur eine Signatur geben könne, nämlich: Psychose einer infolge ihrer psyeho-pathologischen Diathese für alles dem Inhalte des überwertigen Ideenkomplexes Angepaßte stets induktionsbereiten Volksmasse? Es dürfte bei genügender Objektivität schwer halten, dies zu bestreiten. Es soll uns übrigens ein späterer Abschnitt nochmals auf Ähnliches zurückführen.
Übrigens: sicherlich wäre es ein Unrecht anzunehmen, als wäre nur französischer- und wallonischerseits so vieles Seelische „pathologisch” gewesen; die Untersuchung der Mechanismen der Kriegslegendenbildung hat uns gelehrt, daß auch auf unserer Seite der Seelenzustand der Massen während des Krieges zu Zeiten recht seltsame, an Massenhysterie und überwertige Massenideenbildung erinnernde Blüten getrieben hat; im Hause des Spartakismus dürfte man vielleicht auch nicht zuviel von Massenpsychose reden, will man doch beanspruchen, auf der Warte der Objektivität zu stehen, trotz des eigenen Bekenntnisses zum Deutschtum. Auch auf unserer Seite gab es ‚ Märchenbildungen aller Art, gab es Massensuggestionen, darin goldbeladene feindliche Kraftwagen, fabelhafte Spionitis, apokryphe französische Flieger, Brunnenverseuchungen durch französische Ärzte, die über Metz bis in die — Karpathen vorgedrungen sein sollten, eine erhebliche Rolle spielten! Allein immerhin: die Krone haben doch die Legendenbildungen auf französischer und wallonischer Seite erreicht! Man denke da nur an die unterschiedlichen Greuelgeschichten! Zugegeben, daß es — wie denn auch schließlich nicht in einer Millionenarmee? — im deutschen Heere nicht wenige Rohlinge und Auswürflinge gegeben haben dürfte, darf es doch als glattweg ausgeschlossen bezeichnet werden, daß deutscherseits etwa planmäßig blutrünstige Grausamkeiten und Akte sadistischer Perversität gegen Wehrlose, Greise, Frauen und Kinder unternommen worden wären, wie dies die wallonisch-französische Greuellegende gleich in den ersten Kriegswochen bekanntlich behauptet hat; jeder Kenner des deutschen Nationalcharakters — für dessen Fehler und Schattenseiten ich, wie ja aus dem früher Ausgeführten genugsam hervorgeht, gewiß nicht blind bin — wird zugestehen müssen, daß dem Norddeutschen wohl Schroffheit, Kälte, selbst eine gewisse Härte, dem Süddeutschen Grobheit und Rauflust sicherlich nicht abgesprochen werden können, daß jedoch — immer abgesehen von einzelnen, nirgendswo fehlenden Ausnahmen — dem deutschen Volks Charakter als solchem, gleichgültig, ob es sich um Gebildete oder Mindergebildete handelt, eine wollüstige Freude an sadistischer Roheit absolut fremd ist; was auch der größte Bewunderer französischer Kultur vom Galliertum gewiß nicht behaupten könnte . . .; ich erinnere nur an Voltaires Zeugnis. Mir scheint es vielmehr klar, daß — abgesehen von den Früchten planmäßiger Entstellung, von denen weiter unten noch die Rede sein wird — die Greuellegende großenteils als Folge eines bereits ans Pathologische streifenden Charakterzuges der gallischen Völker zu werten ist, als eine Art Projektion ihres eigenen, in der Geschichte so oft auch im eigenen Hause entsetzensvoll zutage getretenen Sadismus nach außen hin, als eine Art jenes seelischen Transitivismus, den ich einmal politischen Transitivismus genannt habe, eine Art des „als ob”, nur hinausprojiziert aus der eigenen Seele in die Seele der — anderen, der Feinde! In der Tat, wer da, nicht aus unkontrollierbaren Legenden, sondern aus verläßlichen Quellen, weiß, wie Belgier und Franzosen deutschen Gefangenen gegenüber und später in deutschen Landen gehaust haben, der wird gewiß den hier angegebenen seelischen Mechanismus nicht abenteuerlich aus der Luft gegriffen finden; denn die praktische Psychologie und namentlich die praktische Psychopathologie lehren, daß derlei bei Hysterischen — man denke nur an die unwahren Denunziationen Hysterischer, die vielfach einer Projektion der eigenen Wünsche in anderer Seelen hinein entsprechen — ein ganz alltägliches Vorkommnis ist, ganz ebenso wie enorme Suggestibilität, Leichtgläubigkeit und phantastisches Sich-selbstbelügen nirgends in solchem Maße wuchern wie auf dem Boden der Hysterie. Aber gerade von hysterischen und hysteroiden Zügen ist die gallische Volksseele bekanntlich am wenigsten frei! Ganz gewiß hat aber phantastische Pseudo-logie zu der Legendenbildung im Kriege — deren Mechanismen von mir an an derer.Stelle ausführlich zergliedert worden sind — ebenso viele Bausteine geliefert wie zu dem der feindlichen Legende zugrunde liegenden Deutschenhasse.
Wir erkennen also in einer ganzen großen Motivenreihe des Deutschenhasses bei den Galloromanen ausgesprochen pathologische Züge oder doch solche, die hart ans Pathologische streifen. Mit dem Deutschenhasse der Wbstslawen steht es nun nicht viel anders. Auch hier hat eine gewisse hysteroide Dia-these der Volksseele mitgeholfen, bestimmte Ideenkomplexe überwertig werden zu lassen. Insbesondere hat sich die Idee des „Unterdrücktwerdens” durch die Deutschen unzweifelhaft zu einer derartigen Idee ausgewachsen, in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht. Die historische Wurzel dieses Ideenkomplexes ist uns bereits bekannt, bekannt auch, daß sich die Erinnerung an die in früheren Jahrhunderten tatsächlich deutscherseits oder im deutschen Namen geübte Unterdrückung gleich einem Engramm in halb unterbewußten Tiefen der Volksseele verankert hat; allein das Merkwürdige und lediglich psycho-pathologisch Verstehbare beruht in der Tatsache, daß für weite Kreise des Westslawentums, mindestens für deren lebende Generation, von einer Unterdrückung durch die Deutschen in der Jüngstvergangenheit gar keine Rede mehr sein konnte; im Gegenteil lehrt die Geschichte der letzten Jahrzehnte des alten Österreich mit Deutlichkeit, wie die Westslawen, voran gerade die grimmigsten Deutschenhasser unter ihnen, die Tschechen, nicht nur in jeder Weise in ihrer wirtschaftlichen und geistigen Entwicklung gefördert worden sind, sondern wie diese Förderung geradezu auf Kosten der Deutschen geschehen ist, in einem Maße, daß diese sich aufs Schwerste bedrückt fühlen durften und ein — internationaler Sozialdemokrat vor einer Reihe von Jahren von den Tschechen geradezu als von der „regierenden” Nationalität des alten Österreich reden konnte! Und gleichwohl und trotz alledem die fixe Idee von den „unterdrückten” Slawenvölkern Österreichs, eine Idee, die zumal die Tschechen in echt hysteroider Plastizität nicht nur Fremden, sondern vor allem — sich selbst hartnäckig einredeten! Denn gewiß wäre es Unrecht zu glauben, daß die Masse der Slawen nicht wenigstens subjektiv vollkommen überzeugt war, unterdrückt zu sein, wiewohl im alten Österreich sie längst zu Herren und die Deutschen zu ihren Tributären geworden waren. Allerdings, die mächtige physische Expansionstendenz der Slawen und die durch zweckbewußte Agitation genährte pan-slawistische Romantik trugen das Ihrige dazu bei; und nicht minder trug die durch die habituelle Schwäche und Ungeschicklichkeit des deutschen Widerstandes genährte Begehrlichkeit der Slawen dazu bei, jeden noch so schüchternen Versuch einer Versteifung desselben als „Herausforderung” zu empfinden und mit Ausbrüchen von Wut und Haß darauf zu reagieren; allein es ist ja gerade für alles hysteroide seelische Geschehen besonders kennzeichnend, daß ihm ein instinktiver Respekt vor allem Ganzen eignet, dagegen eine instinktive, leicht zu krankhaftem Haß gesteigerte Respektlosigkeit vor allem, was halb ist. Mit der slawischen Seele ist darum nur auszukommen, indem man ihr entweder in allem restlos nachgibt oder in allem restlos entgegentritt (letzteres der tiefere philosophische Sinn der vielverlästerten, freilich etwas drastischen WorteMommsens), keinesfalls aber durch Kompromisse. Die unheilvolle Kompromißsucht des jeder klaren Lösung aus dem Wege gehenden verflossenen, leider, wiewohl fälschlich zu Lasten des Deutschtums gebuchten altösterreichischen Regimes war darum ganz ebenso eine unerschöpfliche Quelle eines ins Krankhafte gesteigerten Deutschenhasses in den so leicht hysteroid reagierenden slawischen Gemütern wie die doktrinäre, unpsychologische Halbheit der deutschen Abwehr gegenüber dem slawischen Ungestüm, eine Abwehr, die, zum Teil freilich durch die unverzeihliche Schuld der insgeheim deutschfeindlichen altösterreichischen Behörden, nirgends schlagkräftig auszuwirken vermochte, aber auch in ihrer schulmeisterlichen Anlage und Anwendungsweise allein schon einen meist verpfuschten Versuch mit psychologisch untauglichen Mitteln und meist ein unmögliches Kompromiß darstellte zwischen resigniertem Zurückweichen vor eingebildeten Hindernissen und eigensinnigem Beharren auf verlorenen Posten: Halbheiten über Halbheiten! Und nirgends die geschmeidige seelische Eutaxie echter Diplomatenart!
Aber auch dem modernen Deutschenhaß der Angelsachsen fehlt, so merkwürdig dies bei einem Menschenschläge von so kühl rechnerischem Verstände sein mag, keineswegs der pathologische Einschlag. Kenner Englands und Amerikas vermelden, daß sich im öffentlichen Leben auch der angelsächsischen Nationen in den letzten Jahrzehnten immer mehr und mehr ein hysteroider Einschlag — der ja auch unserer deutschen, einheimischen Dekadenz nicht gefehlt hat — geltend gemacht habe; ein Phänomen, dem eine gewisse, auf Wechselwirkung beruhende Beziehung zu dem gerade in angelsächsischen Landen sehr mächtigen Feminismus nicht abgesprochen werden kann; man erinnere sich nur an die Suffragetten und ihr Vorgehen. Überhaupt aber ist der bedeutende feminine Einfluß und Einschlag im gesellschaftlichen Leben weder in England noch in Nordamerika zu verkennen; das hat natürlich seine geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Gründe; über diese aber haben wir uns im Rahmen dieser Abhandlung nicht zu verbreiten, da ja unser Thema anderswohin zielt; es genügt für unsere Zwecke vielmehr, von dieser ja ziemlich gut bekannten Tatsache des stark dominierenden Feminismus in der angelsächsischen Gesellschaft einfach auszugehen. Feminismus und hysteroides Reagieren aber sind untrennbare Geschwister: wo Feminismus,
dort eine besondere Disposition zu derartigem hysteroiden Geschehen im Einzelfall wie im Gesellschaftlichen, im Einzelleben wie im Leben der Gesamtheit. Und so sehen wir denn, wie die ursprünglich kühler ökonomisch-politischer Erwägung entsprungene antideutsche Bewegung in England und Nordamerika darum, weil auch in diesen Ländern die Volksseele in den letzten Jahrzehnten einen feminin-hysteroiden Einschlag angenommen hatte — ich halte allerdings dafür, daß die Angelsachsen die Krise des Feminismus überwinden werden, — ein von pathologischen Zügen nicht freies seelisches Reagieren gezeitigt hat. Die Gesetze der Massenpsychologie aber haben es bewirkt, daß aus den vielen seelischen Einzelreaktionen in der heutigen demokratischen (um nicht zu sagen: demagogischen) Ära rapide ein seelisches Massenreagieren geworden ist. Daher kommt es, daß heute auch die große Menge der Angelsachsen von einer seelischen Epidemie besessen ist, daß gewisse bittere Vorkommnisse des Krieges in fanatischer Einseitigkeit verzerrt worden sind, daß die angelsächsische Volksseele heute erfüllt ist von der krankhaft überwertigen Idee, die Nachfahren Kants, Goethes, Beethovens seien „Hunnen”, seien „Ungeheuer”, seien „bar jeder Ehre” (Northcliffe), verdienten den Fluch des Himmels (Bischof Bury), müßten zum Heile der Menschheit samt und sonders, Männer, Frauen, Kinder gleich wildenBestien „ausgerottet” werden (Rudyard Kipling). So sprechen die Enkel Shakespeares zu den Enkeln Goethes … Es ist in diesem Zusammenhänge besonders bemerkenswert festzustellen, daß, wie manche Erscheinungen der Jüngstvergangenheit dartaten, unter den leitenden Volks- und Staatsmännern Englands und Amerikas, die sich als nüchtern denkende, verantwortliche und vorausschauende Einzelmenschen doch einen klareren Blick bewahrt haben, der Deutschenhaß bereits merklich „abzubauen” beginnt, indes die breiten Massen auch unter den Angelsachsen darin noch tief befangen sind und die Stunde der Erkenntnis für sie noch sehr lange nicht geschlagen haben wird. Auch wir Deutsche sind ja heute noch verblendet, auch wir erkennen noch nicht .den tieferen Sinn unserer politischen Sendung . . .
Des weiteren nun aber ein Wort über eine seltsame Art der Antipathie gegen das Deutschtum, die eines krankhaften, leicht paranoiden Einschlages nicht entbehrt, der Antipathie seitens einer Menschengruppe, die in ihrem östlichen Anteile größtenteils ein selbständiges Volk zu nennen, in ihrem westlichen zu einem wenn auch kleinen Bruchteile unzweifelhaft in einem fließenden Anpassungsprozeß an ihre Wirtsvölker mitten darin ist: ich meine die Antipathie gegen das Deutschtum seitens des Judentums (wobei ich mir, um es nochmals zu unterstreichen, vollauf bewußt bin, daß das westliche Judentum seelisch keine Einheit mehr darstellt und übrigens auch physisch langsam einschmilzt oder durch Taufe und fortschreitende Vermischung langsam von den Wirtsvölkern eingesogen wird). Ich nenne die Antipathie schon darum seltsam, weil — allerdings unter breitester Anwendung des Grundsatzes: mutatis mutandis — eine gewisse Schicksalsgemeinschaft zwischen Deutschtum und Judentum insoferne besteht, als beide auf dem weiten Erdenrund so ziemlich die verhaßtesten Menschentypen sind, als ferner — ungeachtet der ungeheuren physischen und seelischen Unterschiede — dem deutschen wie dem jüdischen Denken gemeinsam eine Neigung zu abstraktem Apriorismus eigen ist, freilich hier aus ganz anderen historischen und kulturgeschichtlichen Voraussetzungen entstanden, wie dort und auch der Art und den Zielen nach recht verschieden, doch immerhin da wie dort ähnlich genug, um eine eigenartige, namentlich auf literarischem und wissenschaftlichem Gebiete auffällige, auf eine gewisse Konvergenz hinweisende Symbiose zu bewirken, über die ein positives oder negatives Werturteil abzugeben — es ließen sich in diesem wie in jenem Sinne Argumente anführen — abseits von den Zielen dieser Abhandlung liegt, in der wir lediglich schlicht und nüchtern tatsächliche Gegebenheiten registrieren, um an diese anzuknüpfen. Tragen wir uns, woher der Deutschenhaß bei den Juden und woher dessen pathologischer Einschlag stamme, so wird die Antwort allerdings nicht schwer: er stammt aus Komponenten der deutschen wie solchen der jüdischen Art! Aus der deutschen, weil der unglückselige deutsche Doktrinarismus aus dem bei keinem Volke fehlenden Antisemitismus natürlich wieder eine jener Doktrinen geformt hat, deren in der Praxis barocke Konsequenzen, zumal im Gewände der deutschen exopsychischen Formlosigkeit, alle Welt heillos vor den Kopf stoßen; der brutale Pogromismus bei den slawischen Völkern, von den Tschechen bis zu den > Russen, hat darum bei den Juden keine grundsätzliche Feindschaft gegen den Volksgeist dieser ihrer blutigen Peiniger erzeugt, vergleichbar jenem der Zionisten gegen den deutschen Geist; denn dieser Pogromismus birgt in aller seiner‘ Entsetzlichkeit einen Zug psychologischer Natürlichkeit, ihm fehlt, wie überhaupt dem Antisemitismus der Slawen, der grundsätzliche, abstrahierende, doktrinär-unpsychologische Zug, wie er den in praxi meistens harmlosen deutschen Antisemitismus kennzeichnet, wie er aber gerade eben wegen seines aprioristischen Charakters so sehr verbitternd wirkt. Der Slawe schlägt mit der einen Hand, um mit der anderen zu streicheln, er löst das Judenproblem auf seine Weise rein fühlsmäßig und frei von jeder vorgefaßten Doktrin oder theoretischen Abstraktion sozusagen von Fall zu Fall; der Deutsche tut dem Juden faktisch nicht das geringste, er schlägt ihn weder physisch noch wirtschaftlich tot, aber er — „schneidet” ihn, nicht so sehr -etwa vom Herrenstandpunkte aus oder aus „ästhetischen” Gründen (es gibt ja auch einen von aufgeklärten Juden selbst stark gefühlten „ästhetischen” Antisemitismus), sondern aus „Prinzip”; und gerade das ist es, was die Menschen am tödlichsten verletzt und verbittert! Nun nehme man aber auf ¦der anderen Seite die auch im Unterbewußtsein vieler aufgeklärter Juden schlummernde Idee von der „Auserwähl t-heit” der Juden und die daraus sich ergebende, einmal von •Schnitzler fein angedeutete paranoide Disposition der jüdischen Mentalität: und man wird begreifen, daß und warum der Haß gegen die doktrinär umkleidete Geringschätzung, die deutscherseits so vielfach dem Judentum gegenüber nicht nur still, sondern in Wort und Schrift mit aller Offenherzigkeit zum Ausdrucke gebracht wird, in diesem einen schroffen Antagonismus gerade gegen den deutschen Volksgeist mehr als gegen andere, praktisch weitaus wirksamer antisemitische Nationen erweckt hat! Auch bei deutschsprechenden Juden! Bei den internationalen Beziehungen des Judentums namentlich im Schrifttum und Geldwesen hat diese Art Haß gegen das Deutschtum, der weite Kreise jenes beherrscht, gewiß keine ganz geringe Rolle in der Mechanik des Weltenhasses gegen das deutsche Volk gespielt!
Der Haß der Völker untereinander ist ein uraltes, im Daseinskämpfe der Geschöpfe wurzelndes Phänomen; es erklärt sich darum schon oberflächenpsychologisch eigentlich unschwer, wenngleich natürlich zuzugeben ist, daß auch das Eindringen in die seelischen Tiefensphären, in das Reich des
Unterbewußtseins, vieles einzelne erst so recht verständlich machen dürfte. Auch in den vorangegangenen Kapiteln sind wir ja um solche seelischen Tiefenrelationen, oft uralte, halb unterbewußten Engramme der Volkssele, von den Müttern den Kindern sozusagen schon in der Kinderstube übertragen, nicht herumgekommen, namentlich, wo vom Deutschenhasse der Slawen die Rede war. Natürlich ist nicht zu leugnen, daß — wenn auch vielleicht in weitem Abstande — ähnliches auch von dem Völkerhasse überhaupt gilt. Es hat denn auch bereits die durch Freud inaugurierte sogenannte psychoanalytische Richtung, der ich — trotz vielfacher grundsätzlicher und fast noch mehr praktischer Gegnerschaft — ein sehr großes Verdienst um die Wiederbelebung und in vielen Belangen auch Neuerforschung der Tiefenpsychologie nicht absprechen möchte, bereits zu dem Problem des Völkerhasses Stellung genommen (wenn ich nicht irre, war es A. Adler, der sich hiezu geäußert hat).
Wir dürfen jedenfalls aussprechen, daß, wie ja auch gar nicht anders zu erwarten, die allgemeinen Erscheinungen des Völkerhasses auch in den Erscheinungen des Deutschenhasses hindurchschlagen. Es gilt dies sowohl für das Gebiet des öffentlichen wie für jenes des gesellschaftlichen und privaten Lebens. Wo immer gegnerische Völker aufeinandertreffen, im Frieden wie im Kriege, ertönen Haßgesänge und bilden sie das Leitmotiv für das Tun und Lassen und oft genug auch für das geistige und literarische Schaffen der einzelnen wie ganzer Gesellschaftsgruppen innerhalb der Völker, soferne sie sich nicht frei halten von nationalem Chauvinismus.
In dieser letzteren Hinsicht sticht freilich bereits ein sehr wesentlicher Unterschied in die Augen zwischen dem Völjrer-haß im allgemeinen und jenem der anderen Völker wider das Deutschtum. Wenn Polen und Russen, wenn Griechen und Türken, wenn Südslawen und Italiener, wenn Rumänen und Madjaren, wenn Irländer und Engländer einander, sei es auch noch so leidenschaftlich, noch so blutig, noch so grausam befehden, so handelt es sich doch so gut wie immer nur um Fehden, deren Ursprung im Grunde rein politischer oder wirtschaftlicher Natur ist, um Fehden, denen der Stachel in der Tiefe der Seele wurzelnden Hasses von Mensch zu Mensch, wenn überhaupt, meist nur in geringer Stärke eignet. Aber seltsam: gerade gegen uns Deutsche, deren Nationalhaß gegen andere, soweit es einen solchen überhaupt gab, stets nur eine ephemere Erscheinung war, niemals aber ein Attribut der Volksseele gewesen ist — wie etwa bei den Tschechen, deren wichtigstes seelisches Lebenselement, ohne das ihre Volksseele gar nicht mehr gedacht werden könnte, der Deutschenhaß bildet — und vor allem niemals rein persönliche Beziehungen von Mensch zu Mensch vergiftet hat, gegen uns, deren Nationalgefühl ein zum Glück nun endlich beständig und unauslöschlich gewordenes, aber doch nur ein bescheidenes Flämmchen ist und kein lodernder Feuerbrand, gegen uns richtet sich der zumal bei den Galliern vielfach zur Fratze boshaften Wahnsinns verzerrte Haß der anderen mit einer wütenden, auch alles rein Menschliche vergiftenden und verheerenden Vehemenz, die man zunächst wohl nur verstehen kann, wenn man das in den vorangegangenen Ausführungen Dargelegte in allen Punkten im Auge behält.
Allerdings ist doch auch noch einiges hinzuzusagen. Man erinnere sich dessen, was ich vorhin „politischen Transitivismus” genannt habe. Transitivismus ist ein Wort, ein Begriff, den ich aus der Psychiatrie herübernahm: wir Psychiater nennen so im Sinne unseres großen Meisters Wernicke die Eigentümlichkeit gewisser Geistesgestörter, nicht so sehr sich selbst als vielmehr andere Personen ihres Gesichtskreises für geistesgestört zu halten. Der Transitivismus ist aber über das Bereich der eigentlichen Psychopathologie hinaus ein sehr gewöhnliches Phänomen seelischen Geschehens, er beschränkt sich nicht nur auf die Alternative „Krank” oder „Gesund”, er findet sich auch im normalen Seelenleben und noch mehr in jenem Seelenleben, welches an der Grenze ist zwischen Normal und Abnormal (namentlich im hysterischen Seelenleben), insbesondere auch im Seelenleben der Massen, denn die Massenpsychologie mit ihrer steten seelischen Epidemisierungsbereitschaft nähert sich bereits auf ein gutes Stück dem Reiche seelischer Krankheit. Massenpsychologie ist denn auch, zumal bei gegebener hysteroider Disposition, der üppigste Nährboden jener Form des Transitivismus, die ich die „politische” nenne und die darin besteht, daß im Gehirne einzelner oder der Massen ein großenteils unterbewußter seelischer Prozeß sich vollzieht, dessen Ergebnis ist, daß Eigentümlichkeiten der eigenen Seele, natürlich — den bekannten Wunschtraumgesetzen gemäß — vor allem üble Eigenschaften der eigenen Seele und Volks
seele in die Seele und in die Volksseele der anderen, zumal der — Gegner hineinprojiziert werden.
Wir begreifen jetzt wieder um ein Stück mehr die Psychologie eines Großteiles der Greuelgeschichten, von denen gewiß das Allermeiste auf dem Boden phantastischer (und agitatorisch gewollter! Davon wird noch die Rede sein) Lüge erwachsen ist: man hat in der aufgepeitschten Phantasie den Gegner so handeln lassen, wie man es selber — vielleicht nicht getan — aber im Wunschtraum sich vorgestellt hat; dafür zeugen zumal französische und belgische — leider aber auch einzelne,angelsächsische! — Soldatenbriefe, die in der „ gelben” Presse mit breitem Behagen veröffentlicht worden sind; und auch mancher feindliche Amts- und Heeresbefehl! Es sei nur erinnert an die vielfach vom ersten Kriegstage an — also lange bevor noch von deutschen „Grausamkeiten” die Rede sein konnte — unerhört brutale Behandlung eines Großteiles der deutschen und österreichisch-ungarischen Zivilpersonen (darunter Frauen und Kinder) im feindlichen Auslande, Dinge, die dokumentarisch feststehen! Es sei ferner erinnert an das satte Behagen, mit dem — leider, dreimal leider! — ein Teil der englischen (!!) Presse es ausgemalt hat, wie Gurkhas und Sikhs (Farbige gegen Weiße, analphabetische „Natives” gegen das Volk Goethes, Kants und Beethovens . . .!) in Deutschland „Ordnung” machen und die Deutsehen „zu Paaren treiben” würden! Es sei erinnert an die berüchtigten „Nettoyeurs”, welche den antezipativen (!) Befehl hatten, wehrlose deutsche Verwundete (!) niederzumetzeln! Lauter Dinge, die objektiv feststehen! Von den in der Geschichte der neuzeitlichen Menschheit wohl einzig dastehenden systematischen Martern, denen so viele Kriegsgefangene deutscher Nationalität im zaristischen Rußland, später seitens der slawischen Legionäre (die einmal 15 deutschösterreichische Ärzte — !! — ohne jeden Grund niederknallten) und seitens anderer Feinde ausgesetzt waren, gar nicht zu sprechen. Alle diese Dinge tun uns dar, daß, wenn es bei uns Deutschen Übeltäter gab — und politische Übeltäter gab es bei uns sicherlich —, unsere Feinde auf einen Schelmen anderthalbe setzten, und daß in ihren Seelen unzweifelhaft der Haß gegen uns gewisse ausgesprochen sadistische Züge geoffenbart hat, und zwar von allem Anbeginn an. Es ist darum — wenn wir uns das vorhin Ausgeführte wieder ins Gedächtnis zurückrufen — mehr als wahrscheinlich, daß nicht wenige, verbale wie tätliche Äußerungen deutschenhasserischer Anschuldigungen wider uns, darunter wir schon vor dem Kriege — namentlich durch die Westslawen —, namentlich aber im Kriege zu leiden hatten, letzten Endes nichts anderes sind als halb unterbewußte transitivistische Umformungen sadistischen Fühlens und Denkens unserer Feinde selbst. Ein Prozeß, wie er der Psychologie des Alltags nicht fremd ist, hat sich hier in riesenhaftem Maßstabe ins Massenpsychologische und Völkerpsychologische umgesetzt. Woher kommt nun aber dieser „Sadismus” in den Seelen unserer Feinde? Bei den Galliern ist er vielleicht am ehesten als eine „primäre” seelische Eigenschaft des Nationalcharakters zu verstehen, dieser hat sich seit Julius Cäsars, Ammianus Marcellinus’ und — Voltaires Zeiten wenig geändert, hat stets bewirkt, daß Frankreich bald zu den Sternen sich erhob, bald tief im Blute watete; das gilt ja auch von der inneren französischen Geschichte: die Bartholomäusnacht, die große Revolution, die Pariser Kommune (neben den „Communards” sind unsere deutschen „Spartakisten” wahre Waisenknaben), alles Marksteine französischer Geschichte, umbrandet von einem Meer von Blut und Greueln…! Doch auch aus der Psychologie der Slawen ist das Phänomen ganz gut zu verstehen. Den Slawen eignet bekanntlich ursprünglich — wie kein objektiver Beurteiler der slawischen Volksseele bestreiten kaun und wie es neuerdings wieder von Hanslik hervorgehoben worden ist — eine unverkennbare Gutmütigkeit und Gutherzigkeit, die zwar bei engerer Berührung mit westlicher Kultur nicht selten erschreckend rasch ins Gegenteil umschlägt, jedenfalls aber einen primären Charakterzug der slawischen Seele darstellt. Nun hat aber auf dieser Volksseele unzweifelhaft durch Jahrhunderte ein deutscher Druck gelastet und hat „in ihr, bei ihrer labilen, affektiven Artung kein Wunder, unzweifelhaft Wandlungen gezeitigt; die nahe psychologische Verwandtschaft aller Kontraste aber hat es mit sich gebracht, daß diese Wandlungen solche bis zu ausgesprochener Bösartigkeit geworden sind, die Bösartigkeit dessen, der dem Drucke des wahren oder vermeintlichen Unterdrückers — und in den letzten Jahrzehnten war der „Druck” der Deutschen auf die Slawen nichts mehr denn eine krankhafte Idee — sich zu entwinden trachtet; eine Bösartigkeit, die um so größer ist, je ursprünglicher die seelische Friedfertigkeit des Unterdrückten war. Nun erinnere man sich aber an früher Ausgeführtes! Und man wird leicht verstehen, wie es kommt, daß der Deutschenhaß der Slawen, zumal der Westslawen, schon vor dem Kriege und noch mehr in und nach dem Kriege zu so scheußlichen Verzerrungen emporgewachsen ist, daß Lüge, Verdrehung, Betrug und selbst Mord zu den der slawischen Seele durchaus erlaubt scheinenden Mitteln gehörten und noch gehören, sobald sie im Kampfe gegen das Deutschtum als Waffe gelten, und daß nach dem bitteren Ausgang des Krieges die Slawen Blutorgien der Rachsucht an den unglücklichen, ihrer Gewalt ausgelieferten Deutschen gefeiert haben, wie sie nicht oft in der Geschichte zivilisierter Völker sich finden; einer Rachsucht, die selbst in den Reden offizieller slawischer Persönlichkeiten unverhohlen zutage trat; stellte doch der tschechische Priester (!) Zahradnik deutschen Kulturträgern mit triumphierender Geste den — Galgen in Aussicht! Dem Gedächtnis der Nachwelt erhalten zu bleiben verdient auch eine Szene, die aus dem untersteirischen Marburg berichtet worden ist: danach haben slowenische Priesteramtszöglinge (!) der jugoslawischen Soldateska jubelnden Beifall gespendet, als sie die zur Begrüßung einer amerikanischen Schiedsrichterkommission versammelten deutschen Bewohner dieser Stadt, darunter Frauen und Kinder meuchlings überfiel und unter ihr ein fürchterliches Blutbad anrichtete .. .
Wir haben gesehen, daß und warum diese psychologischen Kontraste keineswegs solche Widersprüche sind, als die sie sich dem Oberflächenblicke darstellen. Und also darf es uns auch nicht wundern, wenn der Deutschenhaß der Slawen, vorab der Polen, Tschechen und Slowenen in Gesinnungen und Handlungen sich ausdrückt, die jedes auf anderen Wegen faßliche Maß überschreiten. Alle die Lügen, Entstellungen, Verdrehungen, alle die zahllosen Angriffe, die dann hinterher mit dem Brustton der Überzeugung abgeleugnet wurden und werden, all das innerlich unwahre Klagen und Jammern über deutsche „Provokationen” oder deutsche „Bedrückungen” (die seit Jahrzehnten nur noch historische Reminiszenzen waren), all dieses Gebräu von Trug, Hinterlist, scheinheiliger Angeberei, von Unschuldsbeteuerungen und brutalen Gewalttaten, es sind Folgen der „zerbrochenen Sklavenkette”, einer Kette, an deren Zerbrechung übrigens — 1848! — die Deutschen selber am werktätigsten, aber, wie in allen Belangen, auch hiebei durchaus unpsychologisch vorgehend
mitgewirkt haben; denn bei uns Deutschen war und ist leider noch immer alles und jedes Tun Ausfluß aprioristischer Doktrin, und als ehrliche, aber schulmeisternde Doktrinäre, die alles in ihre Doktrinen pressen wollten, handelten wir auch an den Völkern, die wir selbst befreit haben; darum wissen sie uns für die Befreiung nicht nur keinen Dank, sondern die befreiende Tat erhöhte womöglich noch den Haß der von uns psychologisch „unverstandenen” Völker. Namentlich an den Slawen hat sich dies reichlich erwiesen. Deutsche haben das meiste getan, direkt und indirekt, um den auf den Slawen lastenden geistigen und politischen Druck zu lösen, aber sie sind dabei und nachher so schwunglos, so temperamentlos, so schulmeisterlich-pedantisch und auch schulmeisterlich-phrasenhaft zu Werke gegangen, so unfähig, die Seele des Slawen zu verstehen und zu „nehmen”, daß eben diese allem Doktrinären abholde und meilenferne, lebenswarm pulsierende slawische Seele nur noch viel mehr abgestoßen wurde und statt mit Dank dem Lehrer und Befreier auf ihre sicherlich minder charakterbeständige, menschlich, affektlogisch jedoch verstehbarere Art mit Undank quittiert hat. So erklärt sich auch die Tragik, die wir im Augenblicke durchleben: der unerhört brutale Undank der Polen gegen uns Deutsche, ohne deren Siege und Opfer sie das russische Joch — trotz aller „preußischen” Bedrängnisse doch ihren allergrößten Feind — niemals hätten abschütteln können! Aber die Entente, selbst die Moskowiter haben sieh besser auf die praktische Psychologie und deren Erfordernisse verstanden, sich ihr flinker und behender angepaßt als wir Deutsche mit unserem Gemisch von schulmeisternder Besserwisserei und sei es noch so wohlmeinender, aber für andere unerträglicherBevormundungstendenz und hinwiederum schwächlicher Unentschlossenheit und Nachgiebigkeit oder gar Blindheit in allem und für alles, was sich schulmeisterlich nicht erfassen und nicht lösen läßt; und das ist nun einmal das meiste!
Unter den Äußerungen des Deutschenhasses spielt bekanntlich der gegen uns schon lange vor dem Kriege immer wieder erhobene Vorwurf eine große Rolle, als seien wir eine „agres-sive” Nation, als sei unserseits von ehedem der Krieg, Krieg überhaupt systematisch vorbereitet worden, ja als sei Krieg und Kriegsvorbereitung dasUm und Auf unserer nationalen Seelenverfassung. Nun wird ganz gewiß kein verständiger und gerecht denkender Mensch leugnen wollen, daß es in deutschen Landen allüberall eine „Kriegspartei”, ja eine starke und mächtige Kriegspartei gegeben habe — ganz wie in Frankreich und England, in Italien und Rußland; und daß diese Kriegspartei auch eine recht laute, ausgiebige und keineswegs erfolglose Propaganda im Volke entfaltet habe — ganz wie in Frankreich und England, in Italien und Rußland; nur daß sie dabei ungeschickter, unpsychologischer und in rücksichtsloseren Formen aufgetreten ist und in der Heimat eine ebenso ungeschickte, unpsychologische und rücksichtslose Opposition gefunden hat, ist aus dem „privi-legium odiosum” deutscher Fehlerziehung, darüber ein trauriges Kapitel dieses Buches handelt, leicht erklärlich, erklärt aber allein schon ein Großteil der Wut des Auslandes gerade gegen die deutsche Kriegshetzerei; denn das Ausland war selbstverständlich weder taub noch blind, und gerade die plumpe, ungeschlachte, das Gold des Schweigens und das Silber der Rede niemals geschmeidig gegeneinander abtönende, kurz unpsychologische und nie auf die psychologische Auswirkung und Ausstrahlung jeder Einzelpbase des Meinungskampfes nach innen wie nach außen hin bedachte Art, wie in Deutschland Kriegsund Friedensparteiler miteinander geradeso schulmeisterlich herumgerauft haben, wie alles, was in Deutschland miteinander diskutiert, haben die nämliche, mit hohnvoller Verachtung gemischte Erbitterung bei den anderen Völkern gegen uns geweckt, wie sie im Gesellschaftsleben etwa gegen die zur un-rechten Zeit Lauten oder zur Unrechten Zeit Schweigenden, gegen die Ungeschickten überhaupt zu entstehen pflegt; denn Ungeschick wirkt an und für sich schon als „Störenfried”; und daran haben wir es — daß Gott erbarm — nur zu wenig fehlen lassen! Allein, es wäre Oberflächenpsychologie, zu glauben, daß diese Momente allein uns, das im Grunde seiner Seele doch friedlichste unter allen großen Völkern der Gegenwart, in den Geruch der Friedensfeindlichkeit gebracht hatten; die Ursache muß vielmehr, zum Teil wenigstens, noch um einiges tiefer gesucht werden, wie ich schon einmal an anderer Stelle ausgeführt habe; sie wurzelt nämlich nicht zum Letzten in einer eigenartigen Summationswirkung unserer gefährlichen geographischen Lage und unserer ausgezeichneten Organisationsfähigkeit der Seelen, einer unserer anerkannt hervorragendsten Eigenschaften; erwuchs nämlich aus der ersteren allein schon ein Zwang für Deutschland zu besonders erhöhter militäricher Wachsamkeit — von einem „Völkerbund” war ja noch nicht die Rede —, so bewirkte die letztere, daß unsere Volksseele, ganz insbesondere in den stürmisch bewegten Jahren vor dem Beginne des Weltkrieges, von dem Gedanken steter Bereitschaft zum Äußersten organisch durchgedrungen wurde, daß eine ernste, ruhige, planvoll gerüstete, innerlich stets bereite Entschlossenheit, Volkstum und Vaterland zu verteidigen — im äußersten Notfall mit den Waffen in der Hand zu verteidigen — sozusagen Gemeingut jedes Deutschen wurde. Da wir Deutsche aber leider keine praktischen Psychologen sind, wähnten wir alle anderen Nationen von unbedingtem Angriffs- und Vernichtungswillen wider uns erfüllt — in der Tat waren es höchstens die für sich allein ohnmächtigen Tschechen und im übrigen nicht einmal die breiten Massen der Franzosen und auch gewiß nicht die Angelsachsen, deren einzige Sorge war, daß wir ihnen nicht zur See und im Handel allzu nahe an den Leib rücken! —, während wir durch das, was wir in dem Belange für bare Münze hielten, nur geblufft werden sollten, um — da es auf direktem diplomatischen Wege nicht gelungen war — auf dem Wege eines indirekt geführten diplomatischen und Pressefeldzuges gefügig gemacht zu werden für den jedem Sehenden klar zutage liegenden Plan Englands, uns in Übersee bescheidener zu machen, aber als Landmacht und Gleichgewichtsfaktor in Europa, wenn wir uns damit beschieden, kompensatorisch eher Förderung angedeihen zu lassen. Wir aber starrten wie hypnotisiert nach Marokko und sahen nicht, was sich etwa in — Prag wider uns vorbereitete! Genug an dem! Wir haben uns schwer geirrt — heillose UnPsychologen, die wir nun einmal sind —, haben für „Provokation” genommen, was nur „Bluff” war, und haben in dem Sinne auch gehandelt. Vor allem haben wir aber eines vergessen: bei den anderen Völkern waren trotz ihres Hasses wider uns die Massen weder kriegslustig noch überhaupt kriegsbereit, ihre dafür umso skrupelloseren Kriegsparteien hatten erst Mühe und mußten zu einem gewaltigen Agitationsaufwand greifen, um dort die Kriegsströmung auf breitere nationale Grundlagen zu stellen; das konnte aber nur geschehen, indem man den bei der gegebenen Unterlage des Hasses wider uns doppelt begreiflichen Ingrimm der friedlichen und darum bös aus ihrer Seelenruhe aufgescheuchten Völker gegen die vorgeblich kriegslüsternen Deutschen noch mehr und sei es auch durch Lug und Trug aufpeitschte; gegen die Deutschen, deren verblüffende Angriffs- und Schlagbereitschaft aber wiederum keineswegs Ausfluß von Angriffslust, sondern lediglich durchdachterer seelischer Organisation gewesen ist, weil der Deutsche, wenn er sich einmal, sei es auch ungerne, zur Lösung eines Problems entschließt, es gleich ganz, gründlich und gewissenhaft tut: ein Vorzug der Schulmeisterlichkeit seiner Erziehung und der Musterschülerhaftigkeit, die ihre Frucht ist! Für den Deutschen war aber der Krieg einfach eine, sei es auch riesengroße „Aufgabe”, die ihm der ,oberste Schulherr”, der kategorische Imperativ der Pflicht zu weisen schien, eine Aufgabe, die seiner innersten Friedensbereitschaft hart und schwer ward, die er aber, da er, sei es auch zu Unrecht, ihre Erfüllung für unvermeidbar geboten hielt, mit jener strengen, pflichtbewußten, ja, sobald es einmal ernst geworden, arbeitsfreudigen Entschlossenheit auf sich nahm und schon vorher vorbereitete, wie er jede andere, ihm von den inneren Schulmeistern Erkenntnis und Gewissen (sie werden und wurden natürlich vielfach durch Personen verkörpert, wie Regierende, Parteiführer, Professoren etc.) vorgezeichnet scheinende Aufgabe auf sich nahm und nimmt und nach besten Kräften ihrer Lösung zuzuführen gewohnt ist; uns Deutschen erschien der Krieg die gebieterisch gewordene Lösung einer bitterschweren Aufgabe, davor es kein Entrinnen gab; etwa so wie es gilt, einen Seuchenherd zu assanieren. Also: wenn schon, denn schon gründlich und unverzagt! Sicher, wir haben uns schwer geirrt, aber wir haben geglaubt, uns nicht geirrt zu haben! Doch: für unsere Mentalität fehlt den anderen jedes Verständnis — wir wissen schon, warum —, sie sahen in dem, wie an jede schwere und harte Arbeit, so auch an diese entschlossen, ja mit Sang herantretenden und dank seiner planmäßigen inneren Organisation so viele Jahre erfolgreich vorarbeitenden Deutschen einen angriffslustigen Wüterich, bloß, weil er, im Grunde mindestens so friedlich wie sie selbst, innerlich besser gerüstet und organisiert war und sie sich darum meuchlings überrumpelt wähnten. Auch eine Frucht der bekannten krankhaften Ideen!
Es kann schon angesichts aller dieser und insonderheit der psychologischen und psychopathologischen Vorbedingungen, wie sie deutscherseits und seitens der anderen Völker gegeben sind, eigentlich nicht wundernehmen, wenn der Deutschenhaß solche Wellen geworfen hat, in Wort und Schrift und Tat. Dazu kommt nun aber als verschärfendes Moment die Art und Weise der Reaktion unserseits auf die Haßausbrüche der anderen. Auch da wieder hat uns die uns so tief im Genick sitzende Schulmeisterei geritten und aufs übelste beraten. Abwehr und Bekämpfung menschlichen Hasses erfordern praktische Psychologie und an dieser mangelt es uns an allen Ecken und Enden. Haß kann in mehrfacher Weise bekämpft werden: indem man ihn erwidert, gleich glühend, gleich temperamentvoll, Aug um Aug, Zahn um Zahn; indem man ihn zielbewußt, zweckbewußt und ostentativ ignoriert; oder indem man ihn geschickt pariert, unter Ausnützung aller Schwächen und Blößen des anderen. Keine dieser drei praktisch-psychologischen Methoden haben wir befolgt. Unsere Unpsychologie hat uns immer wieder vermocht, zu reden, wo wir schweigen sollten, zu schweigen, wo wir reden sollten, zu handeln, wo wir passiv bleiben sollten, untätig zuzusehen, wo aktives Zupacken des Augenblickes Forderung war. Wir haben in der Abwehr des Hasses und der Haßpropaganda nie nach den Mahnungen des Instinktes, des Geschickes, des Temperamentes gehandelt, wir haben uns wie bald lächelnde, bald strafende, bald wieder trockene und pedantische Schulmeisterseelen gegenüber ungebärdig scheinenden Schulkindern benommen und haben dabei vergessen, daß das, was wir für „Kinderei” der anderen nahmen und so zu nennen uns nicht entblödeten, blutiger Ernst natürlicher (nicht wie wir schulmeisterlich und schülerhaft verdrechselter) Temperamentsmenschen war, denen die gewisse sich überlegen dünkende Schulmeistermentalität mit ihrer gewohnheitsmäßigen, dünkelhaft anmutenden Temperamentlosigkeit nicht nur nicht der Gipfel menschlicher Hochkultur scheint, sondern in tiefster Seele zuwider ist. Genau wie unsere Schulmeisterlichkeit im Kulturvermitteln es war, die uns als Kulturträger und Kolonisatoren verhaßt gemacht hat. Wenn wir aber — Menschen, denen trotz aller schulmeisterlicher Geistesbindung nichts menschliches fremd ist — gelegentlich doch mit menschlicher, natürlicher Parade der Haßausbrüche hervorplatzten, dann wirkte dies, gerade weil man derlei von uns so wenig gewohnt war und weil solche Paraden — ungeübt, wie wir in allem Exo-psychischen sind — natürlich in der Regel recht ungeschickt geführt erschienen, nur noch verstärkend auf den Haß der anderen. Dem aber, was darin an pathologischen Motiven steckt, suchten wir allerdings gelegentlich mit ärztlichen Hilfs-mitteln beizukommen; aber es waren dann meist weit mehr jene des doktrinären ärztlichen Theoretikers als jene des im Leben für das Leben wirkenden ärztlichen Diplomaten.
Überhaupt brachte ja unsere Schulmeisterkultur eine gänzliche, fast hochmütige Vernachlässigung aller jener Mittel und — Mittelchen mit sich, die nun einmal unentbehrlich sind, wo es sich darum handelt, wirksame Propaganda zu machen oder feindlicher Propaganda wirksam zu begegnen. Solidität der Leistung allein ist kein Propagandamittel gegenüber den breiten Massen anderer Völker und konnte es um so weniger sein, je größer — aus schon bekannten Motiven — Nebenbuhlerschaft und Neid der anderen gegen diese Leistung sich erheben mußten; wollte man diesen Reaktionserscheinungen wirksam begegnen, so mußte man alles liebevoll kultivieren, was psychologisch die SeeleH anderer beeinflußt. Dafür aber fehlte uns und fehlt uns auch bis heute noch jeder Sinn . . . Soll man an das Kapitel Presse erinnern? Sicher, die deutsche Presse übertrifft jede andere an Gründlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Ehrbarkeit, aber leider auch an —psychologischem Ungeschick! Man vergleiche die propagandistischen Methoden etwa der „Times’’ oder des „Matin”, des „Corriere della Sera” oder der „Närodni Listy’’, man vergleiche das werbende, wirksame, berauschende, blendende psychologische Brillantfeuerwerk der Schreibweise aller dieser und ähnlicher Organe mit den oft fast gelehrten und fast tiefgründigen, aber schulmeisterlich trockenen, dozierenden, blutleeren Leitaufsätzen etwa in der „Vossischen Zeitung”, im „Berliner Tageblatt” oder in der „Kölnischen Zeitung’’, in der „Täglichen Rundschau” oder selbst in großen süddeutschen Blättern, etwa in den „Münchner Neuesten Nachrichten”; selbst die etwas temperamentvollere, gerne französische Allüren kopierende Wiener Presse ist zu trocken, zu wenig werbend im Tone nationaler Propaganda und Abwehr, verglichen etwa mit dem, was in Prag, in Laibach, in Krakau gedruckt wird. Wo aber deutsche Presseleute — und besonders gerne tun sie es untereinander, wir wissen ja, aus welchen eigenidolatrischen Neigungen heraus, die so grell abstechen gegen die eiserne nationale Disziplin der französischen oder englischen Presse . . . polemisch werden, da kommt nur zu oft ein durch doktrinären Apriorismus noch „geheiligter” Rüpelton oder ein bösartig schneidender Sarkasmus heraus, der, jedes ästhetischen Beiklanges entbehrend, geradezu aufreizend wirkt, den Feinden aber meist noch Material und Stichworte für ihre deutschenhasserische Propaganda liefert. Uns gebricht es eben nur zu sehr an nationaler (und zugleich von nationalem Verantwortlichkeitsgefühl sozusagen mit Selbstverständlichkeit durchdrungener) Pressekultur; dieser Mangel ist aber im Grunde nichts anderes als eine Folgeerscheinung jener hochnäsigen Verachtung, die unsere schulmeisterliche Mentalität, aus der auch unsere Zeitungsleute nicht herauskommen, so barock das auch klingt, allem entgegenbringt, was nicht sachlich durch sich selbst wirkt; also auch jeglicher echt pressemäßigen Propagandistik und der Psychologie ihrer Mittel. Wir denken heute mit Schaudern daran, mit welch unverantwortlicher Gleichgültigkeit, ja Ablehnung die deutsche Regierung sowohl wie die deutsche öffentliche Meinung Deutschlands der Forderung gegenüberstanden, dem deutschen Volke mit Hilfe einer psychologisch richtig fundierten Propaganda in der Inlands-wie in der Auslandspresse seinen ihm gebührenden Platz an der Sonne zu verschaffen; und wie dann — viel zu spät und mit den untauglichsten; ja mit gefährlich untauglichen Mitteln — das -Versäumte und zu spät als versäumt Erkannte nachzuholen versucht wurde; natürlich ohne Erfolg, ja geradezu mit dem Gegenteil eines Erfolges .. .! Es war das die nämliche Geschichte wie mit der „Verschwörertaktik”. Diese Verschwörertaktikmeisterten und meistern die Slawen, die Tschechen und Polen zumal, so vortrefflich und wissen sich damit die Sympathien der Welt zu sichern, weil sie bewußt und unbewußt die Psychologie des Unterdrücktseins mit allen ihren Finessen, dieses unfehlbare Mittel, Mitgefühl zu werben, in natürlicher Weise — dank ihrer auf der Grundlage des Temperaments aufgebauten nationalen Erziehung — in sich und für sich spielen lassen; wir Deutsche aber wachen in allem ängstlich darüber, in uns und vor anderen irgendwie wenigstens ein Restchen des Gesichtes von „Herrenmoral” zu wahren, und das ist eine schwache Seite in uns, denn „Herr” und „Verschwörer”, das verträgt sich nicht miteinander, das muß aufreizend wirken. Darum die ungeheuren Wutausbrüche, sobald deutscherseits auch nur ein Bruchteil von alledem an Heimlichkeiten und Konspirationen verübt wurde — lange vor dem Kriege so gut wie erst recht im Kriege —, was den „armen” Tschechen und den „armen” Polen offen oder mit wohlwollendem Augenzwinkern gerne verziehen wurde; indes es Deutschen nicht einmal — Deutsche verzeihen wollten . . . Darum sind ja Revolutionen in Deutschland — wenn nicht das Ausland half — in der Regel mißglückt, weil das deutsche Herrenbewußtsein sich wohl mit der Vorstellung des Soldatentodes verträgt, nicht aber so leicht mit jener des Märtyrertodes des Revolutionärs, dem der Makel des „Illegitimen’‘ anklebt. Aber dieser Mangel revolutionären Temperaments, dieses Sichanklammern an die Herrenmoral im Guten wie im minder Guten und an die Legitimität hat noch eine viel bösere Folge: wenn Millionen Lateiner oder Slawen unter Fremdherrschaft kämen, es verschlüge ihnen nichts, sie blieben eben als „Rebellen” weiter Lateiner oder Slawen und sorgten, daß dieser Rebellensinn sich forterbe bis zur Stunde der nationalen Befreiung; geraten aber Deutsche unter Fremdherrschaft, dann ist dank dem mangelnden Rebellensinn leider immer wieder Schlimmes zu befürchten . . .; denn Herrensinn rebelliert nicht, er protestiert allenfalls gemessen und feierlich, aber es zieht ihn am Ende doch immer wieder zu der Gemeinschaft der Herrschenden, seien es auch fremde Herrschende, weil er vor allem sich selbst behaupten will. Schulmeistersinn jedoch bosselt Programme und Resolutionen und streitet sich um den Punkt auf dem I ihres Wortlautes, wo jenseits aller gedrechselten „Richtlinien” nur Herzen und Münder in heimlichem und doch lebensvollem Instinkt den Weg zueinander finden müssen und können.
Das Ungeschick unserer Außenseele, dieses üble Gewächs unserer Schulmeisterkultur, ist es, welches unser nationales Schiff so hilflos, so steuerungslos dahintreiben läßt in den Strömungen der Völkerpsychologie wie in den Stürmen der Völkerpsychopathologie.
Es ist unter diesen Umständen recht verständlich, wie es kommt, daß gerade die internationale Presse eine der Hauptstützen und Hauptverbreiterinnen des Deutschenhasses geworden ist. Es ist dies zu verstehen aus dem Instinkt der Abwehr gegenüber einem seelischen System, zu dessen — im endo-psychischen Sinne genommen — Vorzügen, im exopsychischen Sinne verstanden jedoch Nachteilen die weitgehende Verachtung und Vernachlässigung der Ausdruckskultur gehört, von der die Pflege der Presse im Grunde einen Teil vorstellt. Instinktiv mußte es der Weltpresse aufdämmern, daß das Aufkommen und vollends der Sieg der auf Versachlichung des Denkens und Verinnerlichung des Fuhlens gerichteten, das Endopsychische pflegenden, das Exopsychische vernachlässigenden deutschen Kultur ihrem Wesen und Sinn abträglich sein müsse; und dieses instinktive Aufdämmern, diese instinktive, zunächst mehr passive Antipathie mußte sich mit Naturnotwendigkeit zu einer bewußten und aktiven Feindschaft aus-wachsen in dem Maße, als Deutschland alles tat, um sein System in allem und jedem, im Tun und Unterlassen, förmlich zu unterstreichen; und in dem Maße, als sie mit den anderen Zuflüssen des Deutschenhasses zu einem reißenden Strom sich vereinigte. Und nun übertrage man alle diese Unbewußtheiten und Bewußtheiten auf die spezifische Mentalität romanischer, slawischer und angelsächsischer Zeitungstechnik (die ja eine so ganz andere ist, als die schulmeisterlich aufgebaute deutsche), die — auch in anderen Dingen — von Gegebenheiten des Temperaments ausgeht, diese allerdings — eine Frucht alter exopsychischer Zivilisation — mit Meisterschaft beherrscht, halb bewußt und halb unbewußt dabei propagandistisch im Sinne der von ihr vertretenen Interessen sich auswirkend; ganz, wie wir dies bei so vielen, ich will nicht geradezu sagen hysterischen, aber doch hysteroiden Persönlichkeiten sehen; und sicherlich — wir wissen es bereits — haben viele der uns feindlichen Völker im Vergleiche zu uns nicht wenige hysteroide Charakterzüge an sich, wenngleich „hysteroid” und Hysterie im klinischen Sinne nicht ohne-weiters gleichgesetzt werden dürfen; aber es gibt da Übergänge, wie überall im Seelischen.
Sicherlich ist es die gegnerische Presse, die ungeheuer viel, ja das allermeiste beigetragen hat zur massensuggestiven Steigerung des Weltenhasses gegen das Deutschtum; Instinkt und bewußte Interessenwahrnehmung haben zusammengewirkt, um sie zu einer Phalanx wider uns zusammenzuschließen, ohne Rücksicht auf sonstige Gegensätze. Vor den schauderhaftesten Übertreibungen, Unwahrheiten, Entstellungen, Totschweigungen wurde dabei nicht zurückgeschreckt; allein derlei gehört nun einmal wenigstens bis zu einer gewissen Grenze zum Handwerkszeug der Presse; auch die ehrenhaftesten Pressemänner — selbst innerhalb der spezifisch deutschen Presseatmosphäre — sind der Ansicht, daß es ohne eine Spur Parteilichkeit in der Journalistik nicht gehe; Parteilichkeit aber begreift schon die Wurzel der Entstellungstendenz in sich; und damit erscheint all das Ungeheuerliche an Fabeln, was die Weltpresse gegen uns zusammen trug, lediglich als eine freilich ins Gigantische erhöhte quantitative Steigerung einer schon de norma sozialpsychologischen Gegebenheit.
Der Presse, diesem wichtigsten Ausdrucksmittel des Deutschenhasses, kam zu alldem noch Sukkurs von anderen Interessentengruppen, die ihr vielleicht nicht einmal durchgehends wohlgesinnt gegenüberstehen, im Kampfe gegen das Deutschtum aber mit ihr bewußt und unbewußt zusammengeführt wurden. Wir sprachen bereits von dem — angesichts einer gewissen Schicksalsähnlichkeit und einer freilich nur sehr äußerlichen Affinität der Denkgewohnheiten, der gemeinsamen Vorliebe zum Abstrahieren und zum Apriorismus fast seltsam anmutenden — Antagonismus zwischen deutscher und jüdischer Kultur; einem Gegensatz, der von hüben und von drüben her reichlich verbittert wurde, von hüben durch das Hervorkehren des „Herrenstandpunktes” und die doktrinärdogmatische, beleidigende Art des deutschen Antisemitismus, von drüben durch den traditionellen jüdischen Auserwählt-heits- und geistigen Überlegenheitswahn und die daraus und aus dem Ghetto geborene leicht paranoide (teils megalo-manisch, teils persekutorisch-paranoide) Fühls- und Denkrichtung. Nun ist bekanntlich das Judentum mit seinen, wenn auch vielfach überschätzten internationalen Zusammenhängen sowohl in der Weltjournalistik wie in der mit dieser bekanntlich in ziemlich engen Beziehungen stehenden Finanzwelt stark vertreten und einflußreich; und ebenso bestehen bekanntlich mancherlei Fäden zwischen gewissen international orientierten jüdischen Kreisen und der allerdings sehr einflußreichen Pariser Freimaurergruppe mit ihren verzweigten Beziehungen, einer Gruppe, die allerdings mehr eine Art traditionsgeheiligter Kliquenbrüdersehaft mit gewissen kommentmäßigen Satzungen und Tendenzen — per analogiam mag man an gewisse feudale Studentenkorps denken, um ein Vergleichsobjekt heranzuziehen — darstellen dürfte als eine Gott weiß wie teuflische Verschwörerkohorte, als die sie manche hinstellen. Sei dem wie immer, jedenfalls haben alle diese sozialen Energien mitgewirkt, um der jahrelangen, im Kriege ins Ungeheure gestiegenen deutschfeindlichen Presseagitation einen womöglich noch verstärkten Widerhall zu gewährleisten, und zwar gerade in jenen Schichten, deren Intelligenz und Kulturstufe sie eigentlich, selbst ungeachtet der durch gewisse Maßnahmen — Monopolisierung der Nachrichten, im Kriege Durchschneidung der Kabel — bedingten geistigen Abschnürung Deutschlands immun oder doch mindestens skeptisch hätte machen müssen gegenüber den Einwirkungen des internationalen deutschfeindlichen Pressefeldzuges. Wenn aber selbst in diesen der Massensuggestion doch minder zugänglichen Schichten jedes Gegenargument gegen die Deutschenhetze am Ende wirkungslos verhallte, dann ist dies wohl vor allem das Werk jener intellektuellen Kreise, die uns grundsätzlich antipathisch gesinnt sind, die darum selber nur das vermeintlich Böse an uns erkennen wollen und erkennen können, welche die unleugbaren Schattenseiten deutschen Wesens ins Maßlose übertreiben, für unsere Vorzüge aber blind sind und sein wollen; Kreise, die freilich dank der sorgsam gepflegten und glänzenden Dialektik jenes Milieus, darin sie wurzeln, und der Empfänglichkeit hiefür bei jenem Milieu, darin sie wirken, es meisterhaft zuwege brachten, den Deutschenhaß gewissermaßen zu rationalisieren. Einen gewaltigen Bundesgenossen fanden sie dabei in der puritanischangelsächsischen Mentalität, der aus uralter Tradition jede Energie als „verbrecherisch” und „gottlos” gilt, daher „esse delendam” erscheint, die ihre nach unerschütterlicher angelsächsischer Auffassung gottgewollte Interessensphäre kreuzt; Homer Lea hat das trocken, aber wirksam dargelegt; darum mußte ihr auch die Energie deutscher überseewirtschaftlicher, vor allem aber marinepolitischer Kraftentfaltung „ruchlos” erscheinen, um so mehr, als in diesem Belange deutscherseits in der Tat wider das ureigenste tiefere Interesse gefehlt worden ist. Und zu alldem kam noch die Furcht, dem behaglichen Leben des englischen Komforts und der romanischen Charme würde, in den Kreisen der Bourgeoisie wenigstens, das letzte Stündlein geschlagen haben, sobald das spartanisch harte System des Zucht- und Schulmeisters, „preußischer Militarismus” genannt, sobald dieses Evangelium der „Arbeit um der Arbeit willen” einen herrschenden Einfluß gewonnen hätte. So schloß sich der Ring der Antipathie auch der internationalen Intellektuelle gegen das Deutschtum, mochten in ihrer eigenen Mitte auch latente oder manifeste Gegensätze bestehen; in der Deutschenfurcht, im Deutschenhasse fanden sich aber alle zusammen, von der äußersten Linken bis zur — äußersten Rechten der Geister! Wieder aber erkennen wir, wie selbst im Agitatorischen psychologische und psychop atholo-gische Beweggründe ineinanderfließen!
Denn dieser Bund der Deutschfeinde, der von den Freimaurern bis zu den — Jesuiten hinüberreicht, er ist von einer fast barock scheinenden Paradoxie! Und doch ist er psychologisch erklärlich! Denn auch der intiernationale Klerikalismus mußte in einem Volke einen starken Widersacher erblicken, das nicht allein überwiegend protestantisch ist — die Angelsachsen sind es ja in noch viel weiterem Umfange und die von der Politik der Kirche begünstigten Jugoslawen großenteils orthodoxgriechisch —, sondern dessen ganze Mentalitätsein-stellung auch in den breitesten Kreisen seines katholischen Anteiles jener diplomatischen Geschmeidigkeit und Anpassungsfähigkeit des Geistes und des Gemütes entbehrt, wie sie die klerikale Politik traditionell erfordert. Daher das Sonderbare, daß die ultramontane Politik, wie sie vor allem im Jesuitismus sich verkörpert, ungeachtet der so sehr treuen Gefolgschaft, die ihr gerade der deutsche Katholizismus leistet, dennoch allüberall ziemlich ungescheut und unverblümt gegen das Deutschtum Stellung nimmt und seinen Bestand untergräbt, ja auch mit „ketzerischen” Nationen und Regierungen sich verbündet, sobald es sich um eine Zweckgemeinschaft zu gemeinsamer Bekämpfung des Deutschtums handelt; man beachte insbesondere, in welchem Ausmaße die ultramontane Politik den integralen Nationalismus, ja den Chauvinismus aller anderen Völker, auch solcher, die höchstens „halbkatholisch” sind (Jugoslawien!), begünstigt, während sie durch ihre politischen Organe das integrale Nationalitätsbewußtsein bei den ihr religiös Untertanen Deutschen untergräbt, indem sie — ein besonderer Beweis ihrer grundsätzlichen Deutschenfeindlichkeit — differenzierende, partikularistische Bestrebungen innerhalb des Deutschtums in der liebevollsten Weise begünstigt und unermüdlich bestrebt ist, den katholischen Volksteil Deutschlands, Bayern, Österreich, die Rheinlande gegen seinen evangelischen auszuspielen und so die deutsche Einheit zu zerstören; allerdings, Erfolg ist diesen zersetzenden Bestrebungen nicht beschieden, denn heute ist selbst in den Reihen des deutschen katholischen Klerus das deutsche Nationalgefühl und Zusammengehörigkeitsbewußtsein doch bereits ein seelisches Moment geworden, dessen Stimme sich nicht einfach zum Schweigen bringen läßt; ja es gibt katholische Priester, Gestalten wie Ottokar Kern stock oder Pater Drexel, die an nationalem Edelmut und nationalem Sinn den besten deutschen Männern in nichts nachgeben, und gewiß sind noch andere tausende römischer Priester deutscher Zunge, denen ein unentwegt deutsches Herz im Busen schlägt Allein, dies kann an der Tatsache nichts ändern, daß die ultramontane Politik und deren Drahtzieher zu den Schürern und Nutznießern des Deutschenhasses gehören und dem Arsenal des Weltenhasses gegen das Deutschtum viele der wirksamsten Waffen geliefert haben. Wieder aber erkennen wir, wie im tiefsten Grunde nicht das Luthertum, nicht die „Ketzerei” führender Köpfe, sondern der dem deutschen Volke eignende Mangel diplomatischer Einstellungsfähigkeit der Seelen, dergleichen die ultramontane Politik erfordert, es ist, der dem deutschen Volke als Volksgesamtheit auch diese Gegnerschaft eingetragen hat. Wäre der deutsche Katholizismus so diplomatisch, wie es der französische, der italienische, der slawische ist, wären seine deutschen Gegner bei aller Schärfe weniger aprioristisch und doktrinär, als sie es sind — kein tschechischer Hussit nimmt Anstand, mit einem . katholischen Tschechen auch geistig sich zu verbünden, sofern es ums nationale Ganze geht —, UDd wäre der deutsche Katholizismus selber weniger philosophisch als praktisch-psychologisch gerüstet: die Gegnerschaft bestünde nicht oder beiweitem nicht in dem Maße, wie sie besteht. So aber darf es denjenigen, der die psychologische Methodik der ultramontanen Propaganda kennt, ganz und gar nicht wundern, daß der Deutschenhaß schon seit langem auch religiöse Ausdrucksmittel gefunden hat; und die Priester der anderen Kirchen sind in der durch den Weltkrieg geschaffenen Atmosphäre seelischer Ansteckung dem Beispiele gefolgt.
Am seltsamsten vielleicht sind die Äußerungen des Deutschenhasses auf dem Gebiete des wissenschaftlichen Betriebes. Sicherlich, sie wurzeln zu einem nicht geringen Teile darin, daß schließlich und letztlich auch das sonst grundsätzlich vorurteilsfreie Denken des- Gelehrten der nationalen Umwelt, darin es wurzelt, unmöglich sich zu entziehen vermag. Wer vor dem Kriege internationale Beziehungen zu nichtdeutschen Pach-genossen unterhalten hat, weiß, wie mächtig zumal bei französischen und tschechischen Gelehrten die nationale Note auch durch das wissenschaftliche Wirken von je hindurchgeklungen hat, wie oft derlei nationale Beweggründe mitbestimmend waren für die Sympathie oder Antipathie gegenüber rein Wissenschaftlichen Richtungen und Bestrebungen, insonderheit solchen, deren Symbole die Namen deutscher Gelehrter waren. Der Weltkrieg hat aber diese Antipathien gegen den deutschen Geist, die deutsche Wissenschaft unter den Gelehrten der Feindesländer zu einer Heftigkeit anschwellen lassen, wie man sie vorher für unglaublich, für unmöglich gehalten hätte. Sehr möglich, daß vielfach ein gut Stück von hausbackenem Konkurrenzneid darin steckt, denn davon sind bekanntlich auch — und gerade! — Gelehrte nicht frei; sehr wahrscheinlich, daß die vielberufene Kundgebung deutscher Gelehrter zu Kriegsbeginn, deren Form in ihrer diplomatischen Ungeschicklichkeit, ihrer psychologischen Ahnungslosigkeit eben — echt deutsch war, als ein Funke gewirkt hat, der in ein offenes Pulverfaß fiel; und natürlich konnten sich auch Gelehrte nicht den Wirkungen epidemisierender psychischer Infektion entziehen, denn Menschen, Menschen sind wir alle, selbst wir Ärzte und Professoren, und wenn deutsche Arzte vorübergehend an die Brunnenverseuchungsexpeditionen französischer Ärzte geglaubt haben, darf es uns am Ende nicht wundern, wenn Berillon in Paris seine „wissenschaffliehe” Abhandlung über den „spezifischen Geruch der Deutschen” publiziert hat und wenn englische Gelehrte die Tatsache der Stammverwandtschaft und seelischen Wahlverwandtschaft zwischen Angelsachsen und Deutschen (zumal Norddeutschen) *wissenschaftlich” zu widerlegen versucht haben. Allein, in der Hauptsache gehen auch diese Äußerungen des Deutschenhasses zurück auf die Unfähigkeit der Deutschen, auch exopsychisch, auf dem Wege seelischer Ausdrucksmittel, deutschen Geist wirksam zur Geltung zu bringen. Ist es doch eine kaum bestreitbare, ja von vielen deutschen Gelehrten mit einem gewissen Stolz förmlich gerühmte Tatsache, daß deutsche Forschung, deutsche Wissenschaft auch nicht den allergeringsten Wert legt auf Schönheit, auf Geschmeidigkeit, auf psychologisch wirksames Werben im sprachlichen und schriftlichen Ausdruck; denn ist auch der Wahrheitsfanatismus ein Adelsprädikat der deutschen Gelehrsamkeit, so wirkt er durch seine im einzelnen so oft doktrinaristisch – eigensinnige Verzerrung auf andere Menschen, auch auf Gebildete, nur zu oft abstoßend, und durch die bewußte Verachtung aller äußeren Form, darin das Werben um Menschenseelen, um Menschensinne, um Menschenherzen sich bewegen muß, beraubt er sich selbst der Waffe, um sich in der Welt jenen ersten Platz zu erringen, der ihm gebührt. In der Gelehrtenwelt der anderen Nationen ist das aber ganz anders. Und daher das so häufige „Aneinander-Vorbeireden” deutscher und nichtdeutscher Gelehrter auf internationalen Kongressen, welches keineswegs einfach linguistische, sondern viel mehr noch psychologische Gründe hat. Kein Wunder also, wenn es zu einer wahren Seelengemeinschaft zwischen deutschen und nichtdeutschen Gelehrten nicht hat kommen wollen, wenn der Krieg das dünne Band äußerlicher Konvention zwischen hüben und drüben mit jähem Ruck zerrissen hat und auch aus den feindlichen Akademien unversöhnlicher Haß uns entgegenschlug wie aus Feindeslanden überhaupt.
Freilich, auch diesem Haß ist ein gutes Stück Verachtung beigemischt, und leider läßt sich nicht behaupten, daß sie ganz unverdient wäre. Denn die deutscherseits natürlich wieder recht schulmeisterlich doktrinär verzerrte Auslegung des Begriffes der „Internationalität” der Wissenschaft — international sind die Ergebnisse, ist die äußere wissenschaftliche Technik, national aber sind die Methoden des Anschauens, des Denkens und der Intention, also gerade die kostbarsten Antriebe des Forschertums! — brachte und bringt ein oft geradezu würdeloses Nach- und Hinterherlaufen deutscher Gelehrter gegenüber dem Auslande, auch dem feindlichen Auslande mit sich, welches nicht einmal im Kriege ganz aufgehört und knapp nach dem Waffenstillstände erneut eingesetzt hat; vielfach — noch schlimmer — steckte dahinter auch die unglückselige deutsche Eigenidolatrie, das eitle Sichetwaszugute-tun auf internationale „ Beziehungen” gegenüber dem konnatio-nalen Kollegen, der solche nicht hat. Wenn auf Anbiederungen, die aus solcher Verblendung oder — noch ärger — aus solchem verächtlichen Egoismus erfolgt sind, feiudlicherseits Fußtritte und Schmähungen antworteten, dann dürften wir den Feinden für solche verdiente Lektion eigentlich nur sehr dankbar sein. Vielleicht lernt die deutsche Geisteswelt denn doch noch einmal, ohne darum mit geschmacklosem Chauvinismus heimzuzahlen, ihre Würde gegenüber dem feindlichen Auslande, mit Einschluß seiner geistigen Vertreter, zu wahren. Wir haben und wir brauchen niemandem nachzulaufen, wir können warten, denn gerade die geistige Welt braucht uns, braucht den deutschen Geist und wird früher den Anschluß an ihn suchen, als die meisten ahnen; bis dahiu aber haben wir in ruhiger Würde und Entschlossenheit für uns zu arbeiten, und kommen
dann die anderen, dann dürfen wir unsere „Bedingungen” stellen; sie werden bei Gott kein „Versailles” sein, aber wirksame Abbitte für die uns deutschen Gelehrten, die wir geirrt, aber nicht gesündigt haben, angetanen Bosheiten und Gemeinheiten werden wir verlangen müssen, ehe wir die lernbegierigen Jünger aus allen Ländern der Erde in jenes Allerheiligste deutschen Geistes wieder einlassen, daraus sie ehedem so viel Saft und Kraft gezogen haben, davon aber nur wir allein den Schlüssel bewahren, den kein noch so niederträchtiger Zwangsvertrag uns mit Gewalt abtrotzen kann; denn es gibt keine Gewalt im Reiche der Geister, und kann mich das Gesetz zwingen, Pflichtkollegien zu halten, nie kann es mich zwingen, in meine eigentlichste geistige und Forscherwerkstatt solche einzulassen, die ich nicht mag; nur in diesen kleinsten Kreisen, in diesen oft gar nicht systemisierten engsten Seminarien wächst das Köstlichste deutschen Geistes, und da hinein sollte künftig kein Fremder mehr dringen, der nicht vorher Buße getan für das, was in dem einen Versailler Vertrag an uns gesündigt worden ist: und das ist riesenhaft viel mehr, als das deutsche Volk in den ganzen zweitausend Jahren seiner Geschichte, in denen es die Menschheit mit Wohltaten überhäuft hat, an Irrtümern — und es hat wohl oft genug geirrt, doch nie bewußt Verbrechen verübt— begangen hat.
Schon weniger wunderbar ist die Feindseligkeit, der Haß der fremden Künstler gegen uns. Denn im tiefsten Wesen der Kunst liegt die Subjektivität, liegt das Thymopsychische der Einzeln- wie der nationalen Seele, und da müssen die Gegensätze zwischen Nichtdeutsch und Deutsch scharf und schroff aufeinanderprallen; auch ist es weiter gar nicht wunderbar, wenn der Haß, wie er uns von dieser Seite her entgegenschlug, namentlich im Kriege groteske Formen angenommen hat, wenn ein Maeterlinck, ein Verhaeren, ein Rudyard Kipling, ein d’Annunzio (von den Franzosen gar nicht zu reden) sich zu Ausbrüchen des wildesten, blutrünstigsten Sadismus verstiegen haben. Gewisse Exaltiertheiten gehören ja nun einmal zur „poetischen Lizenz” der dem Pathologischen in vielem doch so nahen Künstlerseele. Freilich, die „Haßgesänge” unserer Künstler hielten sich allerschlimmstenfalls in sehr respektvollem Abstande von den Ungeheuerlichkeiten der Ausbrüche der uns feindlichen Künstlerwelt. Doch liegt dies einmal in der nationalen Charakterverschiedenheit begründet und dann daran, daß der Künstler naturgemäß dem Milieu, darin er lebt und wurzelt, sich kaum zu entziehen vermag; die Romain Rolland, Barbusse und Bernard Shaw sind Ausnahmserscheinungen, nach denen zu verallgemeinern man sich hüten sollte; und zwar besonders auf unserer Seite; denn ich behaupte, daß es unseren deutschen Künstlern — ganz wie unseren deutschen Gelehrten — vielfach an der seelischen Eutaxie in nationalen Belangen gebricht, daß sie nur zu oft steuerungslos hin- und hertorkeln oder daß unter ihnen unvermittelte Extreme nebeneinanderbestehen zwischen geschmacklos deutschtümelndem „furor teu-tonicus” und völkisch grenzenlos würdeloser, ja verhängnisvoller ästhetelnder Weltbürgerei. Beides aber macht uns geistige Führer des deutschen Volkes und durch uns unser ganzes Volk verachtet und verhaßt. Es wird unser Ziel sein müssen, jene ruhige, selbstverständliche Würde in nationalen Dingen zu finden, die mit richtigem Instinkte stets die vom Standpunkte des nationalen Interesses zweckmäßigste Haltung annimmt, die gleichweit entfernt ist von rüder nationalistischer Pöbelei wie von serviler Kosmopoliterei und Nachkriecherei, die niemanden beschimpft, aber noch weniger jemandem nachläuft, sondern — ihres inneren Wertes und ihrer Weltbedeutung sich bewußt — wartet, bis die anderen zu uns zurückfinden wollen, alsdann aber, ohne gerade engherzig und kleinlich zu sein, doch deutlich erkennen läßt, daß sie nichts von dem vergessen hat, was uns angetan worden ist. Es wäre schlimm, wenn wir die krankhafte Rachsucht manches unserer Feinde mechanisch kopieren wollten, aber es wäre noch schlimmer, wenn wir vergeßlich würden. Wir müssen vieles vergeben, denn auch uns wird von manchen manches zu vergeben sein; aber vergessen — nein, niemals!
Und nun noch ein Wort über jene bewußt-agitatorische Aufpeitschung deutschenhasserischer Instinkte, darin bedauerlicherweise die angelsächsische Presse den Weltrekord geschlagen hat, vor dem Kriege wie — in riesenhaftem Ausmaße — im Kriege; jene bewußte Agitation, die den Äußerungen und Ausbrüchen des Weltenhasses gegen das Deutschtum die charakteristischeste Signatur verliehen hat. Hier, wir dürfen es getrost sagen, hat bewußte Entstellung, hat bewußte Lüge Orgien gefeiert wie nirgendwo anders. Gewiß, es ist unbestreitbar, daß deutscherseits gröbliche Mißgriffe begangen worden sind, vor dem Kriege wie im Kriege. Tanger, Agadir, Zabern sind nur einige Namen, welche die grenzenlose Unpsychologie deutscher Politik im Innern wie nach außen hin kennzeichnen; und was an groben Fehlern im Kriege begangen worden ist, was für — milde ausgedrückt — Mißgriffe die Verletzung der Neutralität Belgiens, die Maßnahmen in Löwen, die Versenkung der Lusitania, die Erschießung einer Miß Cavell oder eines Kapitän Fryatt gewesen sind, das auszusprechen ist wohl heute traurige Überflüssigkeit. Nun jedoch kommt das große Aber: um wie vieles besser sind denn, seit es eine Geschichte gibt bis auf den heutigen Tag, unsere Herren Feinde verfahren? Allen Respekt vor Englands weltbeherrschender Psychologie, allein auf dem Weg zu Englands Größe sind Ströme von Blut und Tränen — der anderen geflossen, und mit der Neutralität dritter Staaten hat es England stets verdammt wenig genau genommen, wenn sie ihm gerade nicht paßte: vom Bombardement Kopenhagens durch die englische Flotte weiß doch jeder Schuljunge, und jeder Zeitungsleser erinnert sich noch mit Grauen der himmelschreienden Maßregeln englischer Heerführer gegen unschuldige Frauen und Kinder im Burenkriege, deren würdiges Seitenstück die in der Welt einzig dastehenden Grausamkeiten gegen die aufständischen Mahdisten in Nubien und die Fenier in Irland darstellen; wenn also englischerseits Klage geführt wird über deutsche Grausamkeit und schon gar über Roheit deutscher Kolonialsoldaten oder Kolonialbeamten, so weiß ich — bei aller hohen Einschätzung der vortrefflichen Eigenschaften des Angelsachsentums — dafür keinen anderen Ausdruck, als daß hier Zwecklügen vorliegen, um uns Deutsche vor der Welt schlecht zu machen; was ja den Angelsachsen, diesen Meistern der praktischen Psychologie im Guten, aber auch im Bösen, nur zu ausgiebig gelungen ist; so ausgiebig, daß sich kein Mensch auf der weiten Welt entrüstet hat über die zum Teil sogar aktenmäßig belegte Massenquälerei und Massenhinmordung wehrloser deutscher und österreichischer Kriegs- und Zivilgefangener im zarischen Rußland, in Serbien, im slawischen Legionenbereich und endlich in Frankreich, wo ein entfesselter Sadismus an diesen Unglücklichsten der Unglücklichen sich hemmungslos austoben durfte; und die Opfer waren lauter Kulturträger, lauter hochgebildete, hochwertige Kulturmenschen, Glieder des — auch nach dem Zeugnisse der Feinde — tapfersten, tüchtigsten und intelligentesten unter den großen Völkern unseres Kontinents, Volksgenossen der größten Dichter und Denker, Künstler und Gelehrten, die er hervorgebracht! Und doch hat man sie zu Hunderttausenden wie Sklaven, wie Lasttiere gequält, gepeinigt, mit kalter Berechnung und krankhafter Wollust zu Tode gemartert oder mit bewußter Absicht dem Hunger, der Kälte, dem Seuchentode ausgesetzt! Und hat mit wohlgezielter Grausamkeit Neger und Kalmücken und andere analphabetische Menschen tiefster Rassenstufe zu Aufsehern und Herren über sie gesetzt und ihnen erlaubt, ihre Peitsche auf den Rücken der Söhne eines großen Kulturvolkes niedersausen zu lassen! Und hat diesem Wüten nicht einmal Einhalt getan, als der Sieg über uns bereits entschieden war und tierische, rachsüchtige Wollust allein noch ein Interesse haben konnte, mit solcher Kulturschande noch weiter zu protzen! Krankhafte Wollust und — absichtliche Berechnung, denn im Plane unserer Feinde lag und liegt es ja, uns Deutsche, die Schulmeister der Welt, die uns zwar nie geliebt, aber unsere Lehrbegabung geschätzt und wohl zu nutzen verstanden hat, eben im Angesichte dieser Welt in den Staub zu treten, zu erniedrigen und zu entehren — die feindliche „gelbe” Presse hat das auch mit aller Business-Trockenheit zugegeben! —, auf daß unser Name verachtet bleibe für alle Zeiten gleich dem der Zigeuner und anderer Pariastämme, von denen manche ja auch edlen Blutes sind. Welch eine Schande, welch ein Armutszeugnis für unsere Feinde, daß sie sich anders als durch Lüge, Ehrabschneiderei und Totsöhweigetaktik vor dem deutschen Geiste nicht schützen zu können wähnen! Und welche Kurzsichtigkeit, ein Volk von unserem Range und unseren Energien aus der Yölkerfamilie ausstoßen, es deklassieren zu wollen, eine Kurzsichtigkeit, die sich noch einmal bitter an den Kurzsichtigen rächen wird! Es sei denn, daß die praktische Psychologie der Angelsachsen — mit den anderen ist weniger zu rechnen — doch noch einen Rückweg in die Bahnen wahrer Gerechtigkeit und wahrer Vernunft findet, ehe es zu spät ist . . . Gehen wir weiter; man wirft uns den Lusitaniafall (und noch eine Reihe anderer Fälle dieser Art) vor, und gewiß ist es furchtbar zu wissen, daß so viele Unschuldige, Frauen und Kinder darunter, dem Moloch, der unerbittlichen Grausamkeit des modernen Krieges geopfert wurden; allein wieder wird — ganz, typisch! — glattweg totgeschwiegen, daß derlei deutscherseits unleugbar verübten Übeltaten ganz und gar nichts anderes waren als — sei es auch in diesem Ausmaße dem Völkerrechte widersprechende — Repressivmaßnahmen wider die, wie selbst ein Wilson bezeugen mußte, nicht um ein Haar weniger völkerrechtswidrige Hungerblockade gegen uns, der ungezählte Hunderttausende schuldloser Frauen und Kinder zum Opfer gefallen sind und die — darin liegt die ganz besondere Schlechtigkeit — die ganze folgende Generation des deutschen Volkes gesundheitlich ruiniert hat, sogar die Ungeborenen für den Krieg ihrer Erzeuger entgelten läßt…! Eine schon fast an den bethlehemitischen Kindermord erinnernde Niederträchtigkeit, deren sich die Northcliffe-Presse auch noch zu rühmen die Stirne gehabt hat! Die englische Sprache hat dafür ein Wort, welches, in den Sprachgebrauch der Psychiatrie übergegangen, für derlei auch die einzige Entschuldigung abgibt, das Wort: moral insanity! Verbrecher lügen, wie jeder Kriminalist weiß, mit Vorliebe und oft mit Meisterschaft, und besonders gerne lügen sie anderen, die nichts oder doch weniger als sie verbrochen haben, ein Verbrechen an. Weiter: die Justi-fikation der Miß Cavell ist unzweifelhaft ein unsagbar trauriges Vergehen gewesen, und es mag wenig Deutsche gegeben haben, die darin etwas anderes erblickten als — gelinde gesagt — eine ungeheure Roheit; allein haargenau die gleiche Roheit haben — nur in vermehrtem Ausmaße — die Franzosen begangen, welche gleich drei Frauen (Winter, Pfaadt, Mata Hari) wegen politischer Vergehen niederknallen ließen, nicht zu reden von allen den Scheußlichkeiten, die deutsche Frauen und Mädchen von der feindlichen Soldateska, von Kalmücken und Baschkiren in Ostpreußen, von farbigen französischen Kolonialsoldaten im besetzten Westdeutschland haben erdulden müssen, wie uns berichtet worden ist. Aber merkwürdig: darüber ist kein angelsächsischer Puritaner entrüstet, trotzdem sie alle, von Grey bis Lloyd George, von Wilson bis Roosevelt immer wieder hoch und heilig beteuert haben, sie führten beileibe nicht mit dem deutschen Volke Krieg, sondern nur mit dessen bösen Generälen und Staatslenkern. Ich wäre jedem aufrichtig dankbar, der imstande wäre, mir einwandfrei zu beweisen, daß diese Art „Moral mit doppeltem Boden” auch Moral im allgemeinsten Wortsinne sei; vielleicht ist die Northcliffe-Presse, die ja sozusagen den Generalstab in dem literarischen Feldzuge gegen uns beigestellt hat, imstande, diesen Beweis zu führen und darzulegen, daß es wirklich „im Interesse der Menschheit” war und ist, uns Deutsche als Teufel und unsere Feinde als Engel hinzustellen. Ich meine freilich, die Weltgeschichte wird einmal ein ganz, ganz anderes Urteil fällen und es wird nicht zu unseren Ungunsten ausfallen, auch wenn die Macht und Größe unserer deutschen Nation bis dahin in jenes Grab gesunken wäre, das ihr verblendeter Haß zu bereiten sich anschickt und aus dem die Epigonen mindestens ihrer heutigen angelsächsischen Feinde sie dann am liebsten mit Fingernägeln würden herauskratzen wollen! Noch nie hat Lüge auf die Dauer den Boden abgegeben, auf dem -segensreiche Frucht gedeihen könnte.
Denn Lügen und wieder Lügen, seien es auch zum Teil krankhafte Lügen, das waren die Hauptwaffen unserer Feinde, damit sie uns zugrunde gerichtet haben, Waffen, stärker als alle ihre Millionenheere, stärker als alle ihre Geschütze, stärker als die Abertausende ihrer Tanks. Dieser ganze Krieg war ja im Grunde nichts als das Produkt eines Lügensystems! Eines Systems, das unsere unleugbaren, rückhaltlos zuzugebenden Mängel und Fehler mit skrupellos-brutaler Schonungslosigkeit ausgenützt hat, eines Systems, das uns von Fall zu Fall stolpern ließ, eines Systems, das, statt in großherziger, wahrhaft säkularer Voraussicht uns Deutsche, die wir in der Kunst der Politik nur große Schulknaben waren, auf den rechten Weg zu führen, durch nichtswürdige Hetzerei, durch geflissentliche Aufbauschung unserer gewiß groben psychologischen Mängel und politischen Fehler uns vollends kopfscheu machte und schließlich bewirkt hat, daß wir gleich einem scheu und wild gewordenen Elefanten in den Porzellanladen des Weltfriedens hineintrampelten! Es ist nicht auszudenken, wie ganz anders es gekommen wäre, wenn die Angelsachsen, auf den von höherer Warte her gesehen nur zu ephemeren Vorteil der Niederringung des deutschen Konkurrenten verzichtend, eines Tages ganz klipp und klar und ohne Verklausulierung zu dem Deutschen also gesprochen hätten: „Du Deutscher, du bist eintüchtiger Kerl, das muß man dir lassen, und deine Tüchtigkeit kann dir, uns und damit der Welt noch, weit nützlicher werden als sie es heute schon ist, wenn du mit deinen Energien haushalten, wenn du mit uns gehen und dich nicht in gewagte Unternehmungen gegen uns einlassen willst, die deine gewiß nicht geringe Kraft übersteigen; da es aber leider den Anschein hat, daß du Dummheiten vorhabest, erklären wir dir hiemit klipp und klar: entweder gehst du mit uns, und dann sollst du unser -Bruder, sei es auch unser jüngerer Bruder sein und als solcher den gebüh-* renden Teil haben in und an dieser Welt; oder du willst gegen uns gehen, dann, wir sagen es dir mit aller nur wünschenswerten Offenheit, werden wir dich als einen Abtrünnigen der nordischen Völkerfamilie behandeln und zerschmettern; entscheide dich darum ohne Umschweife mit Ja oder Nein binnen 24 Stunden; ein Wenn oder Aber gibt es nicht, wir können nur Blutsbrüder oder Todfeinde sein, nichts Drittes!” Solch’ eine Apostrophe wäre drastisch, wäre brutal, aber sie wäre männlicher, wäre menschlicher gewesen als das grausame Versteokspiel, als das Gemengsel scheinheiliger Phrasen und gewissenloser Verlogenheit, welches angelsächsischerseits schon Jahre vor dem Kriegsausbrüche und gar erst in den letzten verhängnisvollen Tagen vor ihm aufgeboten wurde, um gleicherweise uns kirre zu machen und die anderen gegen uns aufzuhetzen. Warum hat England mit uns nicht so eindeutig gesprochen wie mit Frankreich in Faschoda? Es wäre besser gewesen für uns — und, das wird sich noch traurig erweisen, für die angelsächsische Welt! So aber hat es England vorgezogen, seine Sach’ auf das System der Lüge zu stellen und den größten und blutigsten — Pyrrhussieg davonzutragen, den die Weltgeschichte kennt! Denn — es wird zu oft vergessen! — dieser ganze, unfaßbar ungeheuerliche Lügenfeldzug gegen uns war für den Kriegsfall vorbereitet, vorbereitet bis in die kleinste Einzelheit schon zu einer Zeit, da es noch keine NeutralitätsVerletzung, keinen Lusitania-fall, keine „Greuel” geben konnte, weil noch tiefster Friede war. Hat man denn schon an das famose Werk eines französischen Militärschriftstellers — Civrieux — vergessen, das, alle geistigen Ausschreitungen der alldeutschen Schriftgelehrten hinter sich lassend, schon vor Jahren die moralische Mobilisation der Welt gegen Deutschland als ein besonders wirksames Kriegsmittel der so allmählich alle Völker gegen Deutschland aufbietenden Entente angekündigt hat? Vergessen, wie die Pariser Boulevardblätter dieses prophetische Werk lanciert haben? Und vergessen, wie zahlreich die Fäden waren und sind, die schon lange vor dem Kriege den Northcliffe-Konzern und die französische Boulevardpresse untereinander und mit den maßgebenden Finanzmännern und Politikern der Entente verbanden? Man sieht, wie bis ins einzelne vorbereitet die literarische Mobilisierung des Lügenfeldzuges gegen uns gewesen ist, und nicht unsere geringste historische Schuld war ‚ es, daß wir wähnten, mit Bürger- und Soldatentugend auf die Dauer den Waffen aus jenem Arsenal gewachsen zu sein, welches da — Psychologie heißt . . . Wie zahlreich aber sind die Fäden, welche hinüber- und herüberleiten von der Psychologie der gesunden zur Pathologie der kranken Seele! Und wie geschickt wurden sie von geschmeidigen Händen geknotet!
Solange wir Deutsche nicht die Richtlinien praktischer Psychologie und sie allein zu Richtlinien unseres politischen Denkens, Tuns und Lassens annehmen werden, im Innern wie nach außen hin — und mit der Erziehung dazu muß in der Kinderstube begonnen werden, denn das ist wichtiger als alle schulmäßige Weisheit —, solange haben wir mit allen unseren Tugenden nicht die geringste Aussicht, eine „große Nation” zu werden.
Zukunftsausblicke.
Wenden wir in der Einleitung zu dem letzten Abschnitte dieses Buches unseren Blick nochmals nach rückwärts: und stellen wir also fest, daß der Haß gegen das deutsche Volk, wie kein anderer Völkerhaß, aus so sehr zahlreichen Quellen gespeist worden ist und noch gespeist wird, daß in Wirklichkeit sein Anwachsen zu einer solchen Sintflut, wie wir sie schaudernd miterleben, kein Wunder genannt werden kann. Diese Flut war es, welche zur Trägerin der furchtbaren Armada einer uns feindlichen Welt geworden ist, diese Flut, deren Wellen das zweite Deutschland unter sich begraben haben, wie die napoleonischen Heereszüge das erste Deutschland zertraten. Wieder stehen wir Deutsche an einer Wende nicht nur unserer Geschichte, vielleicht an einer entscheidenden Wende, so entscheidend wie die Übergangsjahre, die von • der endgültigen Vernichtung Ostroms durch die Türken bis zur Reformation dauerten, und von der wir die neuere Zeit zu datieren pflegen. Wir müssen uns selbst an dieser Zeiten Wende mit aller Offenheit die bittere Wahrheit
eingestehen, daß das deutsche Volk mehr als einen Krieg, daß es eine Geschichtsepoche verloren habe.
Yon Grund auf wird das dritte Deutschland, dessen Umrisse aus den zerstörenden Wassern, von einem Nebel von Not und Elend verhüllt, vor unseren kummervollen Blicken auftauchen, aufzubauen haben; und vor allem wird es, sollen nicht neue Sturmfluten des Völkerhasses das mühsam werdende Werk nationaler Wiederaufrichtung endgültig vernichten, sorgen müssen, daß vom ersten Tage an gegen diese Fluten wirksame Dämme und Wehren gebaut werden, an denen der Haß zerschellt, die es vielmehr ermöglichen, Neuland zu poldern und unserem Volke jene Stellung in der Völkerfamilie zu erringen, die ihm von Rechts wegen gebührt.
Diese Arbeit wird schwer sein, vielleicht von einer Schwere, welche die leiblichen und moralischen Kräfte unserer physisch daniedergedrückten und moralisch maßlos verbitterten Generation übersteigt; unlösbar aber ist sie keineswegs; und darum scheint es mir Gewissenspflicht, auch davon zu sprechen, auf die Gefahr hin, daß meine Zeitgenossen mich darob mit Steinen bewerfen und daß erst ein kommendes Geschlecht, wenn einst die Blätter dieses Buches zu Staub zerfallen sein werden, die Wege einschlagen wird, die ich darin weise.
Um diese Wege zu gehen, dazu bedarf es zunächst einer beherzten, resoluten Umkehr zu jenen Kreuzungspunkten, von denen aus die Wanderung auf verhängnisvoll falscher Spur begonnen hatte. Es bedarf einer völligen Neuorientierung unserer Geister, unserer Gemüter, im Innern wie nach außen hin. Wir haben die ernste Pflicht, die gesamte kulturelle und politische Entwicklung des deutschen Volkes in den letzten Jahrzehnten, ja in den letzten hundert Jahren zu durchmustern, nach dem Guten, vor allem aber nach den Fehlerquellen darin zu suchen, die so verhängnisvoll, so unheimlich reißend zu Sturzbächen angeschwollen sind.
Nach dem früher Dargelegten ist es nicht schwer zu erraten, wo meiner Meinung nach die entscheidenden Fehler unserer inneren seelischen Orientierung zu suchen sind. Einmal in der entsetzlichen Eigenschaft und in dem verderblichen Kult der Eigenidolatrie! Davon muß der Deutsche zuvörderst lassen, er muß lernen, sich als soziales Wesen zu fühlen und sein Denken darauf umzustellen, als Glied der sozialen Gemeinschaft des deutschen Volksganzen, denn nur aus diesem Quell allein kann wahrhaftes, menschlich echtes, nie erlöschendes Nationalgefühl in stetem, mächtigem und wärmendem Strahl hervorsprudeln und jedes einzelnen Deutschen Seele durchdringen von der Wiege bis zum Grabe. Lassen müssen wir aber auch von jenem Korrektiv unserer Eigenidolatrie, das uns, zumal es sie letzten Endes geradezu verstärkt hat, zum zweiten Verhängnis geworden ist: von der Verschulmeisterung! Wir Deutsche haben die Wahl: entweder wir bleiben pedantisch gezüchtete, sorgsam studierte, formell stylisierte, alle anderen seelischen Außenwerte verachtende Musterschüler wie bisher, wir bleiben damit den Menschen anderer Volkszugehörigkeit im Reiche geistiger und schaffender Arbeit grundsätzlich überlegen, aber wir bleiben damit ganz wie bisher auch weiterhin so hoffnungslos und so tödlich gehaßt, wie der schmucklos und rücksichtslos musterhafte Musterschüler und Musterarbeiter, der in der Arbeit an sich sein Um und Auf sieht, immer und überall verhaßt bleibt, ungeachtet aller seiner sachlichen Verdienste; und wir laufen Gefahr, daß unsere Feinde nunmehr, auf unsere „UnVerbesserlichkeit” sich berufend und darauf hinweisend, daß die deutsche Kultur nicht romanische Anmut, nicht angelsächsisches Behagen, sondern nur immer wieder Schweiß und Schweißgeruch bedeute und verbreite, zum letzen, für immer zerschmetternden Schlage gegen unser gefährdetes Dasein ausholen. Unzweifelhaft, sie würden, wenn sie uns zerbrächen, letzten Endes ihr eigenes Rückgrat zerbrechen, denn die Welt kann heute nicht mehr auf die Dauer bestehen ohne deutsche Tatkraft und Tüchtigkeit und diese wiederum bedarf eines starken, machtvollen deutschen Mutterlandes als Nährboden; allein Erkenntnis ist für sich allein ohnmächtig gegen eine Welle von Gefühlsenergien, Gefühlswerte sind es, die die öffentliche Meinung der Welt tragen, und diese öffentliche Meinung wird nie aufhören, sich gegen den „Schulmeister” und seinen „Musterschüler” aufzulehnen, gegen das, was sie im tiefsten und eigentlichsten Sinne, wenn auch halb unbewußt, unter „preußischem Militarismus” versteht; die öffentliche Meinung der Welt sagt sich, daß Paris ihr anmutige Lebensformen und berauschende Worte, daß London ihr praktische Daseinshygiene und Sinn für komfortable Behaglichkeiten geschenkt habe und noch weiter schenke, indes ihr Ohr von Berlin her immer nur das Klatschen der Peitsche zu vernehmen glaubt, die rücksichtslos und unerbittlich antreibt zum Schaffen und wiederum zum Schaffen, schonungslos den Kult der Schönheit, der Behaglich-lichkeit, der Ungebundenheit, der Beschaulichkeit als kindisch, als rückständig, ja als sündhaft verpönend; und ein Grauen befällt diese öffentliche Meinung bei dem Gedanken, der Geist Berlins könnte triumphieren über den Geist Paris’, über den Geist Londons, sein scharfer Schweißgeruch sich über eine Welt ausbreiten, deren Nüstern nach Houbigant und Atkin-son dürsten. Hinc illae lacrimae . . .
Keineswegs will ich ausschließen, daß der Ernst der herauf kommenden sozialistischen Welt eine gewisse Umwertung auch dieser Werte mit sich bringen wird, wiewohl ich bezweifle, daß er dem Kult jener naiven Freuden des Lebens den Garaus wird machen können, ohne den sich die Menschenherzen auf die Dauer nicht beherrschen lassen, Freuden, die durch Paris und London symbolisiert werden, nicht durch Berlin. Es wird dem Sozialismus da wohl so gehen wie einst der christlichen Kirche, die, zur Herrschaft gelangt, sich an der Herrschaft nur erhalten konnte, indem sie die bodenständigen und eingewurzelten heidnischen Kulte christianisierte; und so wird wohl auch der Sozialismus die Welt aller der „bourgeoisen” Ideen und Gefühle nicht zertreten können, er wird sie in der Form „sozialisieren”, aber er wird sie in der Sache wohl oder übel herübernehmen müssen, um bestehen zu können; denn diese Ideenwelt ist nicht von heute und nicht von gestern, sie ist nicht proletarisch, nicht bürgerlich, nicht feudal, sie ist ganz einfach ein Stück praktischer Psychologie, sie ist menschlich, sie war, seit es Menschenherzen und Menschengeister gab und wird sein, solange es solche geben wird; die Form, in der diese Ideen leben werden, wird sich ändern, wie sie sich geändert hat, da die heidnische zur christlichen Welt sich wandelte; aber der Inhalt wird bleiben. Und darum behält das alles, was ich hier ausführe, auch heute, an der Schwelle des sozialistischen Zeitalters, seinen Geltungswert.
Das Kind mit dem Bade auszugießen, ist, zumal, wenn es bewußt geschieht, mehr als ein Versehen, es ist ein Verbrechen, Und so wäre es — mögen auch Verräter, Kopfscheue oder Desperados in unserer Mitte mit billigen Trugschlüssen politische Marktschreierei treiben — wohl das größte Verbrechen an der deutschen Nation und, ich sage es kühn, darüber hinaus an der Menschheit, wollten wir Deutsche, erbost über den preußischen Schulmeister und über den Jammer, den er uns eingebrockt, zu einem Harakiri schreiten; wollten wir, wie es übel Beratene und übel Beratende unter uns predigen, den preußischen Ismael in die Wüste hinausstoßen, ihn der Vertschechung und Verpolung preisgeben, um „zu retten, was zu retten ist”, um aus dem, was uns im Westen und Süden noch geblieben, ein neues, sei es auch kleineres Deutschland aufzubauen; ein Deutschland, das dann nichts mehr wäre als ein verewigter Rheinbund, abhängig von den Gnaden der anderen nicht nur, sondern auch ohnmächtig, je wieder ein großes und starkes Volk zu werden, dessen die Welt bedürfen wird! Wir mögen über das Preußentum denken, wie wir wollen, und die meisten von uns denken, daß das preußische System politisch erledigt sei: aber ein Deutschland ohne Preußen ist und bleibt ein Rumpf! Wir müssen Preußen haben, Preußen braucht uns, aber wir brauchen auch Preußen, und ein Deutscher, der anders denkt, ist ein Tor oder ein Lump! Preußen aus Deutschland hinausstoßen wäre nichts anderes als etwa die Lombardei aus Italiens, als Lothringen aus Frankreichs, als Schottland aus Großbritanniens Leib herausschneiden! Auch da gab es ja ursprünglich Gegensätze, nicht unverwandt jenen, die das Preußentum vom übrigen Deutschtum sonderten, auch in Italien ist der Lombarde, in Frankreich- der Lothringer, in Großbritannien der Schotte aus mancher Ursache, die der Antipathie gegen die Preußen innerhalb Deutschlands nicht gänzlich fernsteht, durch Jahrzehnte, ja durch Jahrhunderte nicht eben allzu beliebt gewesen und ist es auch heute noch keineswegs überall! Aber innerhalb dieser anderen großen Nationen sind diese partikularen Strömungen zu deren Heil überwunden worden, haben auch schwere äußere Krisen der auch dort schwer errungenen nationalen Einheit keinen Abbruch mehr zu tun vermocht. Und so sollten auch wir Deutsche uns wahrlich schämen, daß es unter uns — wenn auch zum Glück nur noch wenige — Tröpfe oder Hallunken gibt, für welche die nationale Einheit nicht den selbstverständlichen Ausgangspunkt aller Gegenwarts- und Zukunftsgedanken abgibt.
Und eines darf darüber hinaus nie, niemals vergessen werden: die „preußische” Epoche deutscher Geschichte, das „preußische” Jahrhundert derselben, sie haben — trotz ihres katastrophalen Endes — in der Seele unseres Volkes tiefe Spuren zurückgelassen, sie haben Keime darein gepflanzt, die auch segensreiche Frucht getragen haben und, künftig richtig gezogen, dereinst noch weit köstlichere Früchte tragen werden! Die „preußische” Periode, die das deutsche Volk hinter sich hat, sie, die nach glänzendem Aufstieg nun ihre furchtbare Götterdämmerung gefunden, war unzweifelhaft ein notwendiges Durchgangsstadium, durch das unsere Nation hindurch gemußt, weil anders der selbstmörderische Dualismus nicht zu überwinden gewesen wäre, weil anders die Einigung der Hauptmasse des deutschen Volkes nicht zu erreichen, weil aber vor allem dessen organisierte innere Ertüchtigung nicht zu erzielen gewesen wäre; eine Ertüchtigung und Organisation, deren Formen und Ziele wir sehr einschneidend werden ändern, deren Wesen wir uns aber bewahren müssen, denn sie allein ist es, die unseren Bestand, unsere Zukunft, unsere Mission im Interesse der Menschheit verbürgt! Deutsche Arbeit! Ihre Kraft, ihren Wert, ihren inneren Adel erkannt, alle die planlos verpuffenden oder sich gar kreuzenden Energien in einheitliche, fruchtbare Bahnen gelenkt und in dem deutschen Volke den inneren, sittlichen Antrieb zu planvoll zusammengefaßtem Wirken und Schaffen mächtig aufgepeitscht zu haben, daß er in Not und Qual selbst nicht mehr erlöschen kann, daß er zum Stern geworden ist, der uns aus tiefster Nacht zum hellen Licht wiederum emporleiten wird, das war und bleibt das historische Verdienst Preußens, des „Preußentums”, des „preußischen” Schulmeisters, des „preußischen” Militarismus! Uns Nachfahren, die wir das Erbe der „preußischen” Periode Deutschlands übernommen haben, erwächst eine andere, erwächst eine Aufgabe, die nicht minder integral, ja integraler noch aufs Ganze der Nation gerichtet sein muß — denn wir so lange draußen gebliebenen Deutschösterreicher wollen künftig mit den Preußen und allen anderen Deutschen vereint Anteil haben am Wiederaufbau des deutschen Volkes und der deutschen Kultur —, ja die darüber hinaus der Menschheit dienen soll: die Aufgabe, dem inneren Adel deutscher Arbeit, dessen herbe Sprödigkeit der Norden und Nordosten gezüchtet haben, den äußeren Adel deutscher Schönheit zu vermählen, die in den Gefilden des Westens und des Südens uns entgegenlacht; wir wollen, daß aus solch erlauchter Paarung ein neues Geschlecht erwachse, ein Geschlecht unsterblicher Größe, dergleichen die Welt noch nicht gesehen, ein Geschlecht, das in der Welt dereinst nicht nur Achtung vor deutscher Kraft erringen, sondern auch Liebe ernten möge zu deutscher Herrlichkeit! Ein Geschlecht, das auf den Ruinen des Deutschenhasses ein neues Leben der Völkerfreundschaft für uns erblühen lassen wird! Ein Geschlecht, gerüstet mit allen Mitteln, die Belange unseres völkischen Seins, unserer völkischen Kraft, unserer völkischen Zukunft organisch und harmonisch einzuflechten in die Belange des Wohles und des Aufwärtsstrebens der ganzen gesitteten Menschheit, die uns braucht, wie wir sie brauchen.
Und darum ist es ein Gebot der Pflicht, daß wir die Preußen nicht aus unserer Mitte stoßen, ja daß wir sie recht fest bei unserer Stange halten; aber nicht minder ist es ein Gebot, daß wir den Schwerpunkt deutschen Lebens, den inneren wie den äußeren Schwerpunkt, dorthin verlegen, wohin er gehört; daß West und Süd, wo feinere, schönere Geistigkeit wächst, fortab die Führung deutschen Lebens, deutscher Staatskunst übernehmen und Preußen mit seiner Kraft sich willig füge und unterordne unter die Oberleitung freieren, gefälligeren deutschen Menschentums! Das ist nicht Undankbarkeit, denn Undankbarkeit kann man es nicht nennen, wenn eines Volkes nationales Interesse die Verrückung seines Schwerpunktes erheischt! Das nationale Ganze über dem Einzelstamm! Was für Bayern recht war, muß auch für Preußen billig sein! Preußen hat uns vieles gegeben, aber die Grenzen dessen, was es uns geben konnte, hat die gewollte und gezüchtete Beschränktheit seiner Psychologie vorgezeichnet, und daraus die Folgerungen zu ziehen, ist heute nicht minder nationale Pflicht, wie es 1866 und 1870 des Südens nationale Pflicht war, die Jahrhunderte hindurch ausgeübte nationale Hegemonie an Preußen abzugeben. Nicht von Preußen kann Deutschlands nationale Wiedergeburt kommen: sie .kann nur kommen vom Süden und vom Westen, nur dort gedeihen die Keime, aus denen der Baum jener Freundschaft der gesitteten Kulturwelt erwachsen kann, ohne die es keine Zukunft für uns gibt; und Preußen, welches an Deutschlands Wiedergeburt teilnehmen muß — weil es sonst kein Deutschland wäre —, muß sich fortab nach Süd und West orientieren, muß seelisch umlernen, wie der Süden und der Westen von 1866 ab seelisch umgelernt haben; in der harmonischen Einordnung preußischer Kraft in des Westens und Südens unsterbliche Anmut und Schönheit, die getragen sein müssen von jener, ihr aber nicht dienstbar sein dürfen, liegt unseres Volkes Zukunft!
Darum also: ehren wir den „Schulmeister” und sein Werk, pflegen wir es weiter in uns, bauen wir es aus, aber — verschönern und veredeln, vermenschlichen wir es! Formen wir einen edlen, schönen deutschen Lebensstil, wie ihn die Welt von uns erwartet und wie sie ihn braucht! Stellen wir ihn nicht London, nicht Paris, nicht Rom entgegen, stellen wir ihn neben sie, mitten in sie hinein, werben wir menschlich, als Menschen für ihn! Geben wir uns selbst nicht auf, halten wir im Gegenteil in Treue fest am Deutschtum, ja vertiefen wir die Innigkeit unseres Festhaltens an Sprache und Art, an Volkstum und Kultur noch mehr, weit mehr als wir es bisher taten, und bekennen wir noch weit, weit entschiedener, als wir es bislang taten, nach innen wie nach außen hin, daß wir Deutsche sind und bleiben und daß wir unser Vaterland bis zum äußersten Grenzpfeiler hin deutsch erhalten wollen in alle Ewigkeit; seien wir aber ehrlich bemüht, unser deutsches Leben und Streben in seinem Inhalte so gut wie in seinen Formen harmonisch einzuordnen in den Mensehheitsgedanken, in Menschheitsziele, gleichwie es nicht nur Angelsachsen und Lateiner, nein, wie es sogar manches Slavenvolk, die Tschechen voran, zu tun gewußt haben! Welch machtvoller innerer Antrieb, welch gewaltiger äußerer Aufschwung wäre uns beschieden, wenn wir, deren die Weltkultur so wenig entraten kann, daß sie ohne uns ihren sichersten Halt verlöre, es auch verstehen wollten, nicht keifend und streitend und dozierend, nicht hier täppisch auftrumpfend und dort würdelos winselnd, nicht heute schwächlichen kosmopolitischen Idolen nachjagend und morgen kraftmeierisch teutonischen Furor prästierend, nein in harmonischer innerer und äußerer Geschlossenheit und Wohlabgewogenheit als vollbewußte und selbstbewußte Deutsche und doch zugleich als Menschen wie die anderen, denen nichts Menschliches fremd ist, um unseren Platz in der Völkergemeinschaft zu werben!
Nichts wahrhaft Deutsches brauchte darob verloren zu gehen, im Gegenteil, gerade als fühlende, als psychologisch natürlich gezogene Menschen würden wir ja recht eigentlich erst so selbstverständlich national, wie es andere Völker sind, und verschwände aus unseren Seelen der von falscher Schulmeister-lichkeit gezüchtete doktrinäre Irrglaube und der in ihm wurzelnde schmerzliche Zwiespalt zwischen „national” und „weltbürgerlich”, der Kampf zwischen dem“ einen und dem anderen Pflichtenkreise, der in dieser Gestalt so fast spezifisch deutsch ist und unserem Volkstum fortwährend die fürchterlichsten Wunden schlägt; denn menschlich, psychologisch im praktischen, im unverbildeten Sinn gerüstet sein bedeutet ein ganz selbstverständliches Nationalfühlen und Nationalsein, ein Nationalsein, welches ungezwungen aus sich selbst heraus ein untrennbarer Teil der Persönlichkeit wird und gerade eben darum selbst in gelegentlicheren heftigen Ausbrüchen, weil natürlich, nicht abstoßend wirkt; wenn aber unser deutscher Nationalismus so oft abstößt, ist es nicht nur, weil er sich grell von dem habituellen Phlegma abhebt, das wir in nationalen Dingen bekunden — auch der Angelsachse ist durch und durch Nationalist und doch „Phlegmatiker” dabei—, sondern weil unser Nationalismus ganz wie unser Internationalismus und wie überhaupt jeglicher „ismus” bei uns dank unserer schulmeisterlichen Verbildung gleich immer so ekelhaft doktrinäre und geschmacklos auftrumpfende Formen annimmt und dadurch nach innen wie nach außen unpsychologisch, unästhetisch, unnatürlich, kurz abstoßend wirkt.
Darum muß fürs erste unsere Losung sein: los von der Schulmeisterei! Dem Schulmeister das rein und nur Fachliche, das bleibe ihm als sein Reich Vorbehalten, darin möge er uns als Muster weiterhin voranleuchten, auf daß wir weiter die vorbildlich tüchtigen Fachleute im Kreise der Nationen bleiben wie bisher! Allein jenseits des Schulzimmers, der Werkstatt, des Laboratoriums schweige der Schulmeister, da gelte für ihn: Hände weg! Denn da dehnt sich, von der Wiege bis zum Grabe, von der Kinderstube bis zur öffentlichen Tribüne der praktischen Seelenkunde unermeßlich Reich!
Der inneren Anderseinstellung aber muß, wollen wir als große Nation Wiedererstehen und weiterleben, notgedrungen auch eine äußere Umorientierung die Hand reichen. Und hier rühre ich wohl an die Wunde, die in jedem deutschen Herzen am schmerzlichsten von allen brennt! Es ist ungeheuer schwer und furchtbar hart, aber doch notwendig, sich heute, post tot discrimina rerum, sagen zu müssen, das deutsche Volk habe den furchtbarsten aller Kriege verloren und verlieren müssen, weil es ihn vor allem seelisch mit falscher Front gekämpft habe! Wenn ich mir heute manches Wort wieder ins Gedächtnis zurückrufe, welches angelsächsischerseits im Laufe des Krieges gesprochen worden ist, dann will es mir scheinen, daß hinter der Hülle des sprichwörtlichen britischen Egoismus denn doch — unbewußt natürlich — ein tieferer Sinn wohne; denn allerdings glaube ich so wenig wie ein anderer Deutscher, daß ein englischer Staatsmann, ein Angelsachse überhaupt, auch nur fähig wäre, irgend ein Ding auf dieser Welt, ob unpolitisch oder politisch, anders zu sehen als durch die Brille angelsächsischen Vorteils; und doch: wenn Balfour einmal sagte, die Deutschen würden die Bewunderung der Welt erregen, wenn sie für eine bessere Sache kämpften, liegt darin ein tieferer Sinn, als der Sprecher dieser Worte ahnen mochte! Das Angelsachsentum ist im Besitz einer so überwältigend praktischen lebensbejahenden Seelenkundlichkeit, daß man unwillkürlich, ein bekanntes Wort umkehrend, sich sagen darf: qui mange de Fanglosaxon, en vit! Wer in den Kreis des angelsächsischen Schwungrades hineingerät und sich demselben nicht entgegenstemmt, sondern seine Energien ihm gleichrichtet und beigesellt, der hat im Sinne der eigenen Lebensbejahung sich orientiert und hat seinen Platz an der Sonne gewählt! Man wird mich — hat man das früher Ausgeführte gelesen — gewiß nicht mißverstehen, gewiß nicht argwöhnen, ich sei einer von den Anbetern angelsächsischer Kultur, deren geistige und sittliche Unzulänglichkeiten in England selbst herbe Tadler gefunden haben; und am allerwenigsten bete ich die angelsächsische Politik gegenüber uns Deutschen an, die ich mehr als mörderisch, die ich — im Sinne höherer Menschheitskultur, deren vornehmste äußere Vorkämpfer die Angelsachsen doch zu sein den Glauben haben — geradezu selbstmörderisch nennen muß und deren Folgen sich —nicht heute, nicht morgen, vielleicht aber in fernen Tagen — an den Angelsachsen selber aufs bitterste werden rächen müssen; und darum waren auch mir und sind mir auch heute noch die Stimmungen des Lissauerschen Haßgesanges nicht fremd, nicht weil ich die Angelsachsen hasse, sondern weil ich an den unersetzlichen Verlust hochwertiger Kulturmenschen denken muß, an die Millionen deuts.cher Männer, Frauen und Kinder, die an der Front und im Hinterlande elend umkommen mußten, da England die von uns Deutschen begangenen, zum Teil gewiß sehr schweren Verfehlungen — den Anfang hat die den nordisch-germanischen Solidaritätsgedanken der Zukunft verleugnende kurzsichtig-ehrgeizige Einstellung unserer Außenpolitik gemacht und von da ab torkelten wir blindwütig ins Unheil hinein — skrupellos ausgenützt hat, um uns zu Krüppeln zu schlagen, statt uns beizeiten durch wirksame, aber minder grausame Mittel auf die richtige Bahn zu zwingen; darum hat England weit ärger noch gefehlt als wir, und seine Verfehlungen wiegen umso schwerer, als es die größere Erfahrung, die praktischere Psychologie und die weitaus gewaltigere Macht auf seiner Seite hatte und wissen mußte, daß es über andere Mittel verfüge, um Deutschland auf den rechten Weg zu führen, als es dieser Krieg und diese Grausamkeiten gewesen sind. Aber — das liegt hinter uns und müßig wäre es, zu rechten über Vergangenes, _denn wir alle haben schließlich an unseren Verirrungen und deren Folgen zu tragen. Prüfen wir vielmehr, so unbefangen es geht, sine ira et Studio, die Möglichkeiten künftiger Entwicklungen.
Und da möchte ich sagen: es sei das wichtigste, daß Deutschland nach schmerzensreicher Irrfahrt zurückkehre zu den Wurzeln seiner Kraft! Sie liegen kulturell nicht im Materiellen, sondern im Geistigen, das will viel sagen, wir Deutsche seien nicht so sehr da, der Welt Händler und Handlungsreisende -zu liefern, unsere Mission sei vielmehr, vor-anzuleuchfcen auf dem Gebiete der Kunst, der Wissenschaft und Erziehung, der Technik und selbst der Industrie, die ja angewandte Technik ist, und nicht zuletzt der sozialisierenden Umgestaltung der menschlichen Arbeit, nicht aber auf dem des Zwischenhandels, zu dem dem einzelnen Deutschen natürlich der Weg jederzeit offen stehen muß, der aber zum Lebensberufe einer von Natur aus seelisch und geographisch so, wie wir es sind, aufgebauten Nation nicht taugt, weil er nicht nur unsere eigene Seele in ein Mißverhältnis bringt zu unseren besten Anlagen, sondern weil er, ephemeren Vorteilen zu Trotz, mit tödlicher Sicherheit Konflikte schaffen muß, denen wir nur gewachsen wären, wenn es uns gelänge, unsere Wohnsitze zu verändern, etwa mit Großbritannien den Platz zu tauschen. Darum aber müssen wir auch politisch dorthin wieder zurück, woher wir gekommen sind, das will sagen: wir dürfen nicht auf dem Meere, wir müssen auf dem Lande unsere politische Zukunft suchen! Darum werden unser Hamburg, unser Bremen nicht zu leiden brauchen, so wenig Rotterdam und Antwerpen gelitten haben, weil keine Panzerriesen sie beschirmten; allein der Schwerpunkt des spezifischesten aller Landvölker, des deutschen, durfte nie und nimmer exzentrisch auf die hohe See verlegt werden. Das war nicht nur unpsychologisch, das war geradezu unphysikalisch, und darum mußte das künstlich gefügte Gebäude trotz aller Wunder an Tüchtigkeit und Tapferkeit, die es gezimmert und die es verteidigt hatten, Zusammenstürzen. Die Wahnidee, von der zu Lande offenen Stadt Berlin aus über Ozeane hinüber in Bagdad und Marokko dreinreden zu wollen, mußte Schiffbruch leiden. Nein, Deutschland kann» nur zu Lande sein oder es wird nicht sein! Das heißt natürlich nicht, daß es grundsätzlich gegen andere sein soll, im Gegenteil, mit ihnen soll es sein, wenn sie es ermöglichen, denn gerade auch zu Lande ist unsere Lage bedenklich genug, heute noch mehr denn je zuvor. Aber sein müssen wir, und auf dem Boden müssen wir sein, wo die deutsche Zunge klingt und Deutsche als Deutsche sich fühlen; was unser ist, muß unser sein und bleiben, und sofern es uns vorenthalten ist, wieder werden: nicht weniger — und nicht mehr.
Mit wem wir sein sollen? Fürs erste und vor allem intentional: mit der ganzen gesitteten Menschheit! Wir müssen zunächst einmal — und die Abschüttelung der Schulmeisterei an und in uns wird uns das erleichtern — als Nation zu einer für einander menschlich fühlenden Gemeinschaft erwachsen, müssen in uns die verwüstende Eigenidolatrie, müssen jene Abkömmlinge, die der Schulmeister aus ihr gezeugt, hat, den Doktrinarismus, den Apriorismus bannen, • müssen mit Hilfe einer vermenschlichten Erziehungskunst trachten, die Energien des germanischen Individualismus,
davon so ungeheuer viel im deutschen Volke steckt, zu nationalisieren, gerade indem wir sie in schlichtem Wortsinn vermenschlichen, wie es anderen Völkern gelungen ist, auf den Wegen praktischer Psychologie das Seelenleben ihrer Einzelglieder dem nationalen Ganzen dienstbar zu machen; derlei macht man aber nicht mit „Hurra” und „Tamtäm”, derlei ist weder durch den Rohrstab des Oberlehrers noch durch den Stock des Korporals zu einem organischen, einem selbstverständlichen Bestandteil der Seele zu fügen, mit derlei muß die Mutter beginnen, wenn sie ihr Kind lallen lehrt; soll sie es aber beginnen können, dann muß — denn anders vermöchte eine Mutter, eine deutsche Mutter zumal zu ihrem Kinde nicht zu sprechen — unsere nationale Idee nicht bloß im Innersten das Heiligtum bleiben, das sie uns ist, dann muß auch ihr Ausdruck, dann müssen ihre äußeren Ausdrucksmittel vermenschlicht werden, auf daß auch dem schlichtesten Sinne die Wahrheit klar werde:- als Deutscher sich behaupten heiße als Mensch und für die Menschheit sich behaupten Möchte es doch sein, daß die Worte aus den Tagen, da die Nacht des Unglücks auf unser Volk sich senkte, wahr würden, Worte, die unserem Wiederaufbau gelten, Worte, die ich1) hier nochmals an die Allgemeinheit richten möchte, weil sie auch heute nichts an Gegenwartswert verloren haben:
„Einmal müssen wir lernen, zur eigenen Lebensregel werden zu lassen, was anderen Völkern längst in Fleisch und Blut übergegangen ist, müssen wir, jeden falschen, wahrhaftig ganz und gar unangebrachten Hochmut beiseite lassend, in wichtigen Stücken vor allem das tschechische Nachbarvolk zum Vorbilde nehmen auf unseren Pfaden zum Wiederaufbau. Schien im Jahre 1620 nicht das Schicksal dieser kleinen, einer Insel gleich im deutschen Meere verschwindenden Nation besiegelt für alle Zeiten, schien nicht vor einem knappen Jahrhundert noch die Hoffnung, je wieder mehr zu werden denn eine slawische Enklave im deutschen Volksgebiete, für die Tschechen Utopie? Und wie machtvoll steht heute der Tscheche da! Was ist es aber, was ihn so groß gemacht hat? Sicherlich, die letzten Jahrzehnte österreichischer Geschichte brachten seiner gedeihlichen Entwicklung mehr Wettergunst als es dem Oberflächenblick scheinen mochte; allein, das erste war doch der glühend
nationale Sinn, den jede Tschechenmutter ihrem Kinde schon vom ersten Lallen an einzuflößen für heiligste Pflicht erachtet hat, war eine Opferwilligkeit und Opferfreudigkeit an Blut und Seele und Gütern für das eigene Volkstum, davon wir Deutsche kaum den rechten Begriff fassen konnten, noch heute es können! Und wahrhaftig, sie hat die Kurzsichtigen Lügen gestraft, die da über „Narrheit” und „Mangel an wirtschaftlichem Sinn” spotteten, wenn ein Tscheche, ein armer Schlucker oft, sein Letztes lieber hergab, lieber darbte, ehe er es unterließ, der tschechischen Sache freiwilligen Zoll zu zahlen! Wahrhaftig, herrlich hat sich an der Volksgemeinschaft diese selbstlose Opferfreudigkeit der einzelnen bezahlt gemacht! Ungezählte sind arm und unbedankt dahin gegangen, aber im Herzen hatten sie die freudige Gewißheit, daß die Hingabe ihrer selbst reichliche Zinsen tragen werde und tragen müsse ihren Kindern und Enkelkindern. Sie haben recht behalten! Stets noch hat die unerschütterliche Zähigkeit selbstloser Hingebung an ein Ideal reiche Frucht getragen, nicht dem einzelnen, doch der Gesamtheit, nicht dem Vorfahren, desto mehr aber den Nachkommen 1 Noch aber sind wir so tief nicht gesunken, als daß wir nicht fühlten, was wir denen schulden, die nach uns sein werden! Lernen wir Deutsche drum durchhalten, durchhalten über Geschlechterfolgen hinüber, lernen wir es — von unseren tschechischen Nachbarn!
Gedenke, daß du ein Deutscher bist! Dies sollte zu den frühesten Worten gehören, die jedem deutschen Kinde mitgegeben werden müßten- auf seinen Lebensweg. Zuerst ein Deutscher! Drum aber nicht deutsch gegen die anderen Völker, nein, deutsch mit ihnen und für sie! Wie hat sich’s den Tschechen gelohnt, daß sie so meisterhaft feurigen Nationalsinn mit mensch-heitlicher Weltanschauung zu paaren, zu verschmelzen wußten! Wie schmerzvoll dagegen quält uns Deutsche von Jugend auf der scheinbare, so ganz und gar nicht wirkliche, von falscher Schulmeisterweisheit nur erkünstelte Gesensatz zwischen „völkisch“ und „menschheitlich”! Uns, deren ganze Kultur doch ein lautes Zeugnis ist für die wahrhaft menschliche Sendung des Deutschtums, des Deutschseins! Gedenke, daß du ein Deutscher bist, gedenke, daß du die Pflicht besitzest, die tausendmal heilige Pflicht, dich deutsch zu erhalten, dich, dein Haus, dein Land, deine Kinder und Kindeskinder, deutsch um der Menschheit willen, nicht gegen sie, nein, für die Menschheit, deren Arztvolk dereinst zu sein unser geschichtlicher Beruf ist. Darum haßt man uns ja auch so bitter, wie man nur den Arzt haßt, so sehr man ihn, ja gerade weil man ihn braucht. Aber der Tag wird kommen, da die Menschheit uns rufen wird, und an uns wird es sein, uns stark und gefestet zu halten für diesen Tag, den Tag unserer „Revanche” im edelsten Sinne!
Manche Schlacken gilt es abzustreifen bis dahin, manche Scharte auszuwetzen! So bitter hart das Unrecht ist, das heute uns widerfährt: üben wir gleichwohl Selbsterkenntnis und vergessen wir nie, daß mancherlei an uns, die hochmütige Verachtung äußerer Lebensgewandtheit, die Schulmeisterei und Musterschülerei in unserem Wesen, das Nebeneinander völkischer Anmaßung und völkischer Würdelosigkeit, daß alles dies wahrhaftig nicht danach war, uns Freunde zu werben. Bessern wir uns! Doch nicht, indem wir dem alten unseligen Nationalfehler endlos quälerischer Krittelei und Nörgelei nun erst recht ein neues Gebiet erschließen, bessern wir uns vielmehr, indem wir, als Deutsche einander Hebend, Klugheit mit Wärme einend, einander mehr durch die Herzen denn mit den kalten, spitzigen Mitteln des Verstandes zu belehren trachten! Kein guter Arzt wird ohne Not bittere Medizin verabreichen, ohne linderndes Vehikel. Das sollten wir Deutsche beherzigen, im Umgänge mit anderen, mit nichtdeutschen Menschen, beherzigen aber auch, so es unter uns selber häusliche Auseinandersetzungen gibt. Viel inneres Leid, viel äußerer Streit bliebe uns fürderhin erspart, wollten wir Deutsche bei klugen Ärzten in der Kunst der Menschenbehandlung zur Schule gehen! Vielleicht würden wir damit sogar auch zu besseren Diplomaten, was uns wahrhaftig nicht schaden könnte . . .
Sehe jeder, wie er’s treibe! Lerne aber jeder Deutsche, in seinem gesamten Tun und Lassen an sein deutsches Volk, an seine deutsche Heimat zu denken! Was er auch tut, was er auch läßt, an seinem Volke wird es heimgezahlt im Guten wie im Bösen. Gerade diese Tage, diese Tage des Unglücks und der Tränen und des Herzeleides, diese Tage härtester Demütigung unseres heißgeliebten Volkes, diese Tage, wie nie Tage zuvor sind geeignet zu ernster Einkehr und doch wieder zu machtvollem Aufschwung unserer Seelen. Jetzt oder nie muß es sich weisen, ob wir Deutsche auch wert sind, dereinst in glücklicheren Zeiten ein Weltvolk zu werden, im reinsten und schönen Sinne des Wortes! Jetzt oder nie gilt’s, daß jeden deutschen Mann, jede deutsche Frau, wes Standes, wes Berufes immer, machtvoll das Gewissen aufrüttele, das Gewissen verantwortlicher Zugehörigkeit zu ihrem schwergeprüften, unglücklichen, aus tausend Wunden blutenden Volke! Jetzt oder nie, daß zu jedem deutschen Menschen die eherne Stimme der sittlichen Pflicht spreche, sein Leben seinem Volke zu weihen! Deutsche, Brüder, Schwestern! Lasset alles Trennende beiseite! Vereiniget euch zu werktätiger Arbeit für euer Volk, auf daß im kleinen und im großen deutsche Arbeit unser Leid heile, Arbeit für unser deutsches Volk, unser deutsches Land! Niemand sei unter uns, der sich dieser höchsten sittlichen Pflicht entziehe, der aus Kurzsichtigkeit, aus Engherzigkeit, aus falsch verstandenem Weltbürgertum fühllos und gedankenlos vorbeigehe an unseres Volkes Erniedrigung, niemand, der sich zu erhaben, niemand, der sich zu gering erachten möge, mitzuhelfen, wo mitzuhelfen zu jeder Stunde seines Lebens jedermanns Sache ist, des Kärrners und des Königs: An unseres deutschen Volkes, unseres deutschen Landes, unserer deutschen Bildung Wiederaufbau!”
Also sollen wir, in uns, als nationale Gemeinschaft fest, innig und unlösbar geschlossen, mit der ganzen Menschheit gehen. Allein die Einordnung in die Menschheitsgemeinschaft, das harmonische Einfügen der Leitidee völkischer Selbstbehauptung in den Menschheitsgedanken -— im Sinne der prophetischen Worte Justinius Kerners —, beides kann und wird nicht hindern, daß, wie allenthalben in großen menschlichen Gemeinschaften, zwischen einzelnen ihrer Glieder einerseits und uns Deutschen anderseits seelische Polaritäten und Affinitäten sich herausbilden werden, die auch energetisch ihre Früchte tragen könnten. Gerade in der Pflege solcher Wahlverwandtschaften in Kultur und Politik liegt unsere, liegt aber auch der ganzen gesitteten Menschheit Zukunft.
Es hat Zeiten gegeben — sie liegen nicht zu weit hinter uns —, da gab es eine „Schule” (bei uns gibt es ja immer gleich Schulen und Doktrinarismen), die wollte sich nach Osten hin orientieren, nach Osten Anlehnung suchen, bei den Orientalen, Mongolen, Mongoloiden, den Moskowitern, die ja auch noch eigentlich zur asiatischen Welt gehören; noch heute gibt es Vertreter dieser Geistesrichtung in unserer Mitte, von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken der Geister. Nun, ich schließe gewiß nicht aus, daß deutsche Kulturarbeit den Völkern des Ostens manche köstliche Frucht getragen hat und noch tragen kann und wird; und schließe ebensowenig aus, daß uns Deutschen eine Anlehnung an die Welt des Ostens von mancherlei Nutzen sein könnte, materiell und politisch. Allein ich fürchte, dieser Nutzen könnte sich als ein ephemerer erweisen! Denn täuschen wir uns nicht darüber, daß die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Ostmenschen nie und nimmer etwas anderes sein kann, sein würde als eine Zweckgemeinschaft ohne jegliche innere Affinität oder Polarität ihrer Glieder, eine Zweckgemeinschaft, in der wir Deutsche als der ungleich schwächere — heute mehr denn je schwächere! — Teil zuletzt die Kosten zu bezahlen hätten, nach innen wie nach außen! Sollte es nicht in gewissem Sinne schon heute der Fall sein? Was hat es uns genützt, daß wir um die Gunst des Islam gerungen haben? Er blieb uns doch innerlich fremd, und England, psychologischer als wir, wußte zu guter Letzt auch den Islam besser zu „nehmen” als unsere deutsche Schulmeisterweisheit sich je träumen ließ. Was brachte es uns ein, daß wir Chinesen, Japanern Lehrmeister schickten, daß wir sie an unseren Schulen bildeten? Nichts, als daß sie zuletzt den „dummen” Deutschen verlachten, der da wähnte, vom grünen Katheder her oder über den verstaubten Kasernhof hin den Weg zu ihrer Seele erschlossen zu haben. Und welches waren die Früchte der Freundschaft mit Moskau, daran sich erst unsere Rechte und dann unsere Linke begeistert hatte? Reaktion und Spartakismus heißt das Zwillingspaar, das dieser „Mesalliance der Seelen” entsprossen ist; auch deutsch und moskowitisch gibt keinen guten Zusammenklang.
Kann es einen solchen geben zwischen uns und der westlichen und südlichen Slawenwelt? Vielleicht daß mit dem ukrainischen Volke eine fruchtbare Seelengemeinschaft möglich wäre, denn in der Tat ist es auffällig, in welchem Ausmaße und mit welchem Verständnisse wenigstens gebildete und geistig geweckte Ukrainer gerade deutscher Kultur ihre Seelen öffnen. Vielleicht . . . Prophet möchte ich da nicht sein, denn die Ukrainer sind eben Slawen, und ein Grundzug der slawischen Seele ist neben Weichheit und Güte Unbeständigkeit und Unberechenbarkeit, weil der Slawe vor allem ein Stimmungsund Affektwesen und am wenigsten von allen Kulturmenschen imstande ist, das jäh wechselnde Auf und Ab seines Gefühlslebens in feste Gleise zu bannen. Darum kann ich mir auf die Dauer keine innigere Seelengemeinschaft denken mit Polen, Tschechen und Jugoslawen; abgesehen davon, daß zwischen ihnen und uns Millionen Deutsche sind, die in ihrer Knechtschaft seufzen. Allzusehr anders steht es auch bezüglich der Madjaren und Rumänen nicht, deren Mentalität, der starken slawischen Blutmischung und dem immer stärker werdenden Einflüsse ihrer slawischen Umwelt entsprechend von Tag zu Tag mehr dieser letzteren sich angleicht.
Wird es möglich sein, zu den Völkern lateinischer Zunge je in ein engeres Verhältnis zu treten? Sehen wir ab von den uns fernerliegenden, uns übrigens keineswegs unfreundlichen Lateinern iberischen Stammes, so schränkt sich die Betrachtung naturgemäß auf unsere beiden Nachbarnationen ein: Italiener und Franzosen. Was die Italiener anlangt, so glaube ich, es werde — bei kluger beiderseitiger Anpassung — eine Art Arbeitsgemeinschaft auf allen Gebieten des menschlichen Außenlebens, also auch auf jenem der Wirtschaft und der Politik zwischen ihnen und uns kaum lange auf sich warten lassen, da wir einander in diesen Belangen in vielem ergänzen und uns gegenseitig nützen und stützen können, ohne uns darum gegenseitig zu schaden. Sehr möglich auch, daß nach Jahr und Tag mancher Deutsche wiederum, „wie einst im Mai”, mit tiefem Groll zwar im Herzen, aber trotz alledem das Andenken seiner Größten ehrend, Goethes Spuren bis nach Sizilien hinab folgen wird; und mancher Sohn des geistigen Italien wiederum, eingedenk der einstigen so sehr fruchtbaren Wechselwirkung zwischen Kunst und Wissenschaft diesseits und jenseits der Alpen, zag und schüchtern zunächst, seinen Fuß auf den Boden unserer alten Schul- und Musenstädte setzen wird. Möglich . . . Ich möchte auch da kein Prophet sein wollen, zum wenigsten als österreichischer Deutscher, denn gerade in uns wühlt schmerzliche Bitterkeit gegen unseren Nachbarn im Süden, gerade wir wurden ja am allerschwersten betroffen von dem Verlangen Italiens nach altem deutschen Boden. Aber ich möchte es doch auch — von höheren Gesichtspunkten aus — für nationale, für menschliche Pflicht halten, Probleme^ deren Bedeutung nicht bloß eine temporäre, sondern eine säkulare ist, sina ira et Studio zu prüfen. Und darum scheint mir auch der Gedanke einer synergetischen Annäherung an die Nachfahren der alten klassischen Kultur, an Italien (und, wenn es sein könnte, auch an Hellas) nicht unsympathisch.
Frankreich? Es war der Traum der besten Geister diesseits wie jenseits der Vogesen (die Franzosen sagen: „diesseits und jenseits des Rheins”, und schon dieses darin enthaltene instinktive Begehren nach dem urdeutschen, tausendfach in unserer Geschichte geheiligten linksrheinischen Boden offenbart einen schmerzlichen, kaum lösbaren Zwiespalt zwischen den Seelen beider Nationen!), es möge einst der Tag kommen, da diese beiden Völker einander die Hand reichen könnten, jedes anders in seiner Art und doch beide, jedes in seiner Weise, Führer auf dem Wege zu höchster menschlicher Kultur! Es hat nicht sollen sein, und ich glaube: es wird nicht sein, weil vielleicht unsere Intellekte, nie aber unsere Gemüter — und darauf kommt es an — den Weg zueinander finden werden! Da ist weder Affinität, noch Polarität, da ist — wenigstens auf weite Sicht hin — kein anderer Ausweg als die Schaffung eines schiedlich-friedlichen modus vivendi,- auf daß an den Reibungen des deutsch-französischen Seelengegensatzes nicht immer wieder von neuem ein verheerender Brand sich entzünde. Wer für den hysteroiden Gharakterzug und den darin verankerten wahnsinnigen Deutschenhaß der sonst durch so viele der größten Vorzüge ausgezeichneten französischen Volksseele nicht Scheuklappen hat, wer über den allzu vereinzelten und vereinsamten Longuets, Barbusses und Rollands nicht die Stimme des französischen Volkes überhört — freilich: „die Kinder, sie hören es gerne”, und wir Deutsche sind ja in allen psychologischen Dingen Kindsköpfe —, der wird sich keinerlei Illusionen hingeben und einfach die Tatsache registrieren, daß auf viele Geschlechterfolgen hinaus mit einer Annäherung unseres an das französische Volk nicht zu rechnen ist. Wahrhaftig ferne von jedem Chauvinismus möchte ich geradezu aussprechen, daß ich es für ein Unglück, einen ganz unverzeihlichen, nur aus grenzenlosester Unpsychologie (wo nicht gar aus Schlimmerem!) geborenen Mißgriff halten würde, wenn unserseits je wieder Schritte zu einer seelischen Verständigung mit Frankreich unternommen werden sollten! Wutausbrüche und Spucke wären die Antwort, und man könnte sie nicht unverdient nennen, wenn sie nur dem Fragesteller ad personam zuteil würde und nicht gleich unserem ganzen
deutschen Volke schadenfroh und hohn voll angekreidet würde! Nein, eine „Versöhnung” Frankreichs wäre — darüber täuschen wir uns nicht — ausschließlich zu erreichen durch unseren nationalen Selbstmord oder zum mindesten durch restlose nationale Selbstentehrung! Ja, wenn wir unsere nationale Einheit zum Opfer bringen, wenn wir künftighin nichts anderes sein wollten als Bayern oder Brandenburger, als Hannoveraner, Westfalen, Sachsen oder Österreicher, wenn wir Wort und Begriff des Gesamtdeutschtums verpönen und wenn wir jeder für sich gehorsame Lakaien Mariannens sein wollten wie einst zu Zeiten Napoleons, dann, ja dann würden wir zwar weiter und vielleicht noch mehr wie zuvor innerlich von ihr verachtet, aber doch immerhin in Gnaden zugelassen zum Fußkuß und zum Auflesen der Brocken, so sie uns dann und wann zuzuwerfen die Laune hätte. So aber, da wir Deutsche sein und bleiben, da wir unsere nationale Ehre nicht verschachern, da wir stolz sein und bleiben wollen auf unsere gewaltige Kulturarbeit und da wir auch nicht Schandbüben sein und nie, niemals vergessen wollen, was Frankreich uns an Land und Leuten, an Gut und Blut geraubt hat, niemals vergessen, auch wenn ein bitterböses Geschick es nicht mehr wenden sollte, auch in Jahrhunderten nicht, und uraltdeutscher Boden, unser Erwin- und Gottfried- und Goethegeheiligtes Straßburg uns gänzlich und ewig entfremdet würde und wir auf ewig hoffnungslos ihm nachtrauern müßten: so werden wir darum für immerdar verurteilt sein, den Beinamen „boches” zu führen, den uns die Pariser Gosse verliehen hat; der aber am Ende noch ein Ehrentitel werden wird, den wir erhobenen Hauptes tragen werden wie einst die niederländischen Geusen den ihrigen.
So blieben schließlich noch die anderen germanischen Nationen übrig. Nun, bezüglich unseres niederländischen und unserer skandinavischen Nachbarn mit ihren starken demokratischen Instinkten stellt sich das Problem verhältnismäßig einfach: wir werden nach dem Falle unserer ihnen unsympathisch gewesenen politischen Inneneinrichtungen und nach der Bereinigung etlicher geringfügiger Grenzfragen, soweit es nicht schon heute der Fall ist, recht bald zu guten Beziehungen mit ihnen gelangen, auch in politischer Hinsicht. Allein, das Hauptproblem wird da unser Verhältnis zu jener Rasse sein, die durch den Ausgang des Weltkrieges nicht nur auf absehbare Zeit hinaus die politische Welthegemonie im allgemeinen, sondern vor allem, was für uns Deutsche eine schmerzliche, aber doch eine unumstößliche Wahrheit werden muß, auf ebenso absehbare Zeit die Führung innerhalb des nordisch-germanischen Kulturkreises erlangt hat: zur angelsächsischen!
Es erscheint heute, angesichts der furchtbaren gegenseitigen Verbitterung zwischen Deutschen und Angelsachsen — einer Verbitterung, die so weit geht, daß man diesseits wie jenseits der Nordsee gar nicht einmal an die Stamm- und Wesensverwandtschaft erinnert sein will, das heißt also Vogelstraußpolitik spielt — sicherlich heikel und es wird denjenigen, die kurzsichtige „Business”-Politik treiben (kleine und engstirnige Krämerseelen gibt es gewiß nicht nur bei den Angelsachsen, sondern mindestens in gleicher Zahl auch bei uns Deutschen), heute beinahe lachhaft erscheinen, wenn ich, unbekümmert um Jüngstvergangenheit, Gegenwart und das unmittelbare Morgen, meine eigenen bitteren Gefühle gegen England und Nordamerika bezwingend, nicht „ab irato”, sondern mit dem festen und beharrlichen Willen, die Menschheitsprobleme der Zukunft zu erfassen, den Satz ausspreche: es sei ein zwingendes Gebot für, die Erhaltung und Höherentwicklung der menschlichen Kultur, daß nicht nur die angelsächsischen Völker untereinander, unbeschadet ephemerer Handelsrivalitäten, fortab einträchtig bleiben und wirken, sondern daß sie darüber hinaus auch den anderen Nationen des nordisch – germanischen Stammes-, Sprach- und Kulturkreises, in erster Linie also dem deutschen Volke die Hand reichen zu einem seelischen, einem praktischen und darüber hinaus wohl auch zu einem politischen Bunde, der, intentional keinem anderen zuleide, im Gegenteil jedes andere, gleiche Schicksalsbahnen wandelnde Volk, Italiener und Hellenen vor allem, zu ehrlicher, gleichberechtigter Mitarbeit — auch auf politischem Gebiete — an dem Werke menschlicher Höherzucht wird als Genossen begrüßen dürfen, der aber notgedrungen das axiale Gerüst, der granitene Fels wird sein müssen, dessen es bedürfen wird, um die Kulturmenschheit physisch und psychisch nicht zugrunde gehen zu lassen. Es hilft nichts: die nordischgermanischen Nationen sind es, die — ohne die glänzenden Vorzüge anderer Rassen zu unterschätzen, was mir, der ich übrigens selber wohl Deutscher mit ganzer Seele, nicht aber der Rasse und dem Blute nach bin, meilenferne liegt — das Höchstmaß an seelischer und leiblicher Tüchtigkeit innerhalb der Menschheit erreicht haben und inFühlung mit den Nachfahren der altklassischen Völker das Höchstmaß an Aussichten besitzen, die Menschheit kraftvoll immer höher hinanzuführen. Aber eines werden sie nie vergessen dürfen: daß sie, selbst alle zusammengenommen und selbst unter Hinzunahme solcher Kulturnationen, die ihnen, wie das Italien und das Hellas der Zukunft, wahrscheinlich als Freunde zur Seite stehen werden, eine Minderheit unter den übrigen Menschen sind und bleiben werden; und daß solch eine Minderheit des festesten Zusammenschlusses und Zusammengehörigkeitsgefühls und -bewußt sei ns bedürfe, um bestehen und das schwere Werk verrichten zu können, das ihre weltgeschichtliche Sendung ist. Aus dieser Perspektive erst .wird die ungeheure Schwere des Verbrechens aller derer erkennbar, die den deutsch-angelsächsischen Gegensatz gezüchtet und geschürt haben, gleichgültig, ob es Engländer waren oder Deutsche; und wollen wir gerecht sein, so müssen wir nochmals schmerzlich eingestehen, daß die deutsche Politik es war, die den Anfang damit gemacht hat, sich außerhalb der nordisch-germanischen Grundgemeinschaft, kurzsichtigen, wenig fundierten wirtschaftspolitischen Vorteilen nachjagend, zu orientieren und jede Bundesgenossenschaft zu begrüßen, nur nicht die Englands; daß aber allerdings England, nachdem einmal unserseits der erste „faux pas” begangen worden war, mit rücksichtslosester Rücksichtslosigkeit, über alle Skrupel sich hinwegsetzend, auf das eine und einzige Ziel losgegangen ist, das ihm unbequem gewordene Deutschland krumm und lahm zu schlagen. Auf den Schlachtfeldern Flanderns und der Champagne, in den Kolonien und zur See, in den Lüften und im — Hinterlande, überall haben Deutsche und Angelsachsen durch Jahre hindurch den gräßlichsten Verwandtenmord getrieben, den die Geschichte kennt, sind auf beiden Seiten Millionen gesündester, tüchtigster, hochwertigster Menschen getötet oder ruiniert, sind ganze Generationen von Kulturträgern unmittelbar und mittelbar gestorben und verdorben zum unwiederbringlichen Schaden der Gesittung der Menschheit, zum Schaden aber vor allem Deutschlands und der — angelsächsischen Welt, die darum, weil sie über die weitaus größeren Machtmittel verfügte, ein größeres Maß von Verantwortlichkeit und Schuld trifft daran, daß es so weit gekommen ist, wie es nicht hat kommen müssen, mögen wir Deutsche auch diejenigen gewesen sein, die „aDgefangen” haben; denn schlimmer als Unrecht begehen ist es, von anderen begangenes Unrecht zum eigenen Gewinne auszunützen, wie es die Angelsachsen getan. Und dieses Unrecht wird sich früher, als manche angelsächsischen Staatsmänner ahnen — einigen darunter scheint die Erkenntnis doch schon aufzudämmern! —, an ihnen selbst rächen, denn sie werden nur zu bald entdecken, daß wider sich selbst sündigt, wer nicht erkennt oder erkennen will, daß es eine höhere Solidarität der Verläßlichen, Tüchtigen und Hochwertigen auf Erden gebe, gegen die man nicht ungestraft sich vergeht, daß also, wie nordisch-germanische Stärke, so auch vor allem deutsche Stärke angelsächsische Stärke, deutsche Sicherheit angelsächsische Sicherheit sei und umgekehrt, und daß auf engster Arbeitsgemeinschaft, auf planmäßiger Konvergenz • und Zusammenfassung ihrer Arbeitsenergien, nicht aber auf zerstörender Gegnerschaft der die höchsten Werte Schaffenden die Zukunft der gesitteten Menschheit beruhe.
Die angelsächsische Mentalität wird freilich in nicht wenigen Stücken umlernen müssen, ehe dieser hier ausgeführte Gedanke nicht bloß Eigentum einiger weniger weitblickender und hellsehender Köpfe, sondern Gemeingut der Rasse und aller ihrer Führer geworden sein wird, die heute fast samt und sonders beherrscht werden von nicht bloß unmenschlicher, sondern auch kurzsichtiger Vernichtungswut gegen den bis ‚zur Siedehitze gehaßten deutschen Konkurrenten; die heute fast samt und sonders, ganz wie im Kriege, beherrscht werden von kurzsichtigen „Businessgedanken” oder von fanatischen Rachegefühlen und von jubelndem Taumel, wenn ihnen ihre Zeitungen vermelden, daß monatlich so und so viel tausende und aber tausende deutscher Kinder durch Hunger umgekommen seien, „weil das die deutsche Rasse schwächt”; und die in rasende Verzückung geraten angesichts der Aussicht, das deutsche Volk bis aufs Hemd ausplündern zu können. So traurig die Brutalität dieser Tatsachen ist, es nützte nichts, sich vor ihnen zu verschließen, und es wäre eine Täuschung, es anders zu erwarten, denn die Seelengröße, die auch im Gegner den Menschen sieht und dem Besiegten gerecht zu werden sucht, war, etliche leuchtende Ausnahmen abgesehen, niemals eine angelsächsische Eigenschaft; ist doch dem Angelsachsen unsere reiche deutsche Gefühlswelt ein Buch mit sieben Sigeln, dem er ohne jede Spur eines inneren Verständnisses in völliger Gleichgültigkeit gegenübersteht. So erklärt sich auch die ruchlose Gemeinheit so vieler der wider uns ausgestoßenen Beschimpfungen.
Aber eines, ein Gut besitzt der angelsächsische Zweig der germanischen Rasse, eines hat er im Laufe seiner Geschichte an sich gezüchtet, nämlich einen ausgesprochenen Sinn für alles, was der Selbsterhaltung der Rasse dient; und gerade dieser Sinn wird die Angelsachsen, mögen sie es auch heute und auf morgen hinaus nicht wahr haben wollen, mit der Gewalt einer Naturkraft an die Seite des deutschen Volkes führen; sie werden sich vielleicht wundern, und vielleicht werden solche, die dann noch als Veteranen des Weltkrieges am Leben sein werden, sich sogar ärgern, daß es so gekommen ist, aber es wird kommen, weil es so kommen wird müssen, weil das Menschheitsschicksal und die Menschheitsökonomie die Angelsachsen zwingen werden, vor allem die Gemeinschaft mit denen zu suchen, die ihnen physisch, seelisch und energetisch wahlverwandt sind; und das werden — trotz der furchtbaren Heimsuchung auch der nachkommenden Generationen unseres Volkes durch Krieg und Hungersnot — vor allem die Deutschen sein, denn das deutsche Volk, der deutsche Geist, die schon so viele kaum weniger schreckliche Katastrophen überdauert haben, sie sind unsterblich und werden wieder auferstehen aus Not und Qual.
Wir Lebenden aber, die wir im allerbesten Falle das dämmernde Morgenrot einer helleren deutschen Zukunft brechenden Auges noch werden schauen können, wie Moses das gelobte Land der Juden noch schauen durfte, wir, deren irdisches Los nur Mühsal und Entsagung sein wird, wir wollen, soweit wir Sehende sind, die Pflicht erfüllen gegen unser teures, heißgeliebtes deutsches Volk, ihm treue Berater zu sein in den langen, langen Jahren schmerzvoller Wanderung durch die Wüste, die nun begonnen haben; wir wollen ihm Tröster und Helfer sein, auf daß es nicht verzage, auf daß es nicht mutlos und verzweifelnd zusammenbreche, auf daß ee die unsagbar grausame Prüfungszeit bestehe, die ihm beschieden ist; wir wollen ihm aber auch Mahner und Warner sein, auf daß es sich in Hinkunft durch nichts, durch keinen trügerischen Gedanken, durch keine trügerische Stimmung, nicht durch mutlose Trauer, aber auch nicht durch eitles Hoffen je wieder verleiten, je wieder in Versuchung führen lasse, abzuirren von dem, ach nur zu steilen und mühseligen, aber nun einmal unabänderlich einzig geraden Pfade, der es aus dem finsteren Tale des Jammers hinaufzuführen vermag in lichtere Höhen, der es emporführen wird zur Erfüllung seiner Sendung, zu seinem eigenen Heile, zum Heile der nordisch-germanischen Rassenfamilie und ihrer Freunde und damit zum Heile der ganzen Menschheit.
Und so möchte ich denn zum Schlüsse ein paar Worte sagen, ohne sicher zu sein, daß das heutige Geschlecht ihnen gerecht zu werden vermögen wird; aber ich kann nicht anders als aussprechen, was meiner innerstenÜberzeugung nach unabänderlich ist und wogegen anzurennen eine Versündigung an der Natur der Dinge wäre. Man wird sich erinnern, daß ich an früherer Stelle von der Bewegung des Feminismus innerhalb der Völker gesprochen habe; dieser Feminismus, er ist eine gesellschaftliche Bewegung, nicht selten, wenn auch nicht immer, geradezu eine Reaktionserscheinung auf androkratische Tendenzen; er ist aber eine Sache für sich und darf ja nicht verwechselt werden mit dem, was ich nunmehr sagen will über maskuline und feminine Energien in der Volksseele, die es — wie wir in freier Anwendung der Lehren des kranken, aber reichbegabten Philosophen Weininger sagen dürfen — unzweifelhaft gibt. Und wir dürfen einen Schritt weiter gehen und dürfen vielleicht sagen, es gäbe Völker, deren Seele im wesentlichen eine maskuline, und solche, deren Seele eine wesentlich feminine sei; zu den letzteren zählen wir vor allem die slawischen Völker und die Franzosen, und die werbende, seelenberauschende Kraft, die von ihnen ausstrahlt, danken sie wohl nicht zuletzt eben diesem ihren femininen Wesensgrundzuge und den darin wurzelnden Eigenschaften. Auf der anderen Seite steht die angelsächsische Rasse, dieser harte, durch und durch maskuline Herrenmenschentyp, dessen Herrenmenschentum aber so rein, so rein gezüchtet ist, daß seine darum natürliche Selbstverständlichkeit wieder auf ihre Art einen unbesiegbaren Bann ausübt. In der Mitte nun ist unser deutsches Volk, dessen Struktur und Geschicke es mit sich brachten, daß „männliche” und „weibliche” Energien in seiner utraquistischen Seele um die Vorherrschaft kämpfen. Die letzten Jahrzehnte deutscher Geschichte mit ihrem schauerlich traurig-heroischen Abschlüsse stellen sich dem Tiefblicke des Psychologen letzten Endes — denn alle anderen Triebkräfte sind von psychologischer Warte her gesehen nur sekundärer Natur — dar als ein tragisches Ringen des „Männlichen’’ in der deutschen Volksseele mit dem „Weiblichen” darin; ein Ringen, das trotz aller vorübergehenden Herrlichkeit der „Andropsyche” über die „Gynäkopsyche” des deutschen Volkes so tragisch enden mußte, wie es geendet hat, denn alle Siege jener waren Pyrrhussiege, waren in harter Mühe, mit knapper Not erstritten, mit untauglichen und unzulänglichen, weil unpsychologischen Mitteln; und zu allerletzt zerschellte der „Kampf um die Vorherrschaft” innerhalb der deutschen Volksseele an dem ehernen, dem ewigen Gesetze, danach es nicht zwei Hähne in einem Korbe geben kann; denn die endgültige Vermännlichung der deutschen Volksseele hätte bedeutet, daß sich neben dem Angelsachsentum ein zweiter, in seiner gesamten Volksseele vermännlichter gewaltiger Herrentypus innerhalb der Nordrasse und damit innerhalb der Menschheit emporgereckt hätte, und damit wäre der Kampf auf Tod und Leben zwischen den beiden Herrenrassen verewigt worden. Die Angelsachsen haben — von ihrem Standpunkte des brutalen Egoismus aus eigentlich folgerichtig — den Kampf gegen die Vermännlichungstendenz der deutschen Volksseele, die ihnen im „Preußentum” sich zu verkörpern schien (der Vergleich war freilich einigermaßen oberflächlich!), aufgenommen und schließlich mit den Waffen zu Ende geführt; wir sind — als die ungleich Schwächeren — dabei trotz heldenhafter Gegenwehr unterlegen. Unangreifbarer als je erhebt sich das Angelsachsentum als das spezifisch „männliche” Führervolk; sinnlos wäre es, auch nur daran denken zu wollen, ihm in absehbarer Zeit die eherne Bastion dieser Stellung streitig zu machen.
Sollen wir Deutsche nun aber darum dumpfer Hoffnungslosigkeit uns hingeben, sollen wir daran verzweifeln, daß uns doch noch eine hohe Sendung beschieden sei, sollen wir den Glauben daran verlieren, daß auch wir wieder eine große Nation sein werden? Nein, nein, nein, wir sollen es nicht! Wir
sollen nur den Wink des Schicksals — es war ein Wink mit einem recht groben Zaunpfahl, aber leider haben wir andere, zartere Winke nicht beachtet … — wahrnehmen, der die deutsche Nation auf ihren Platz weist, auf die Sendung, innerhalb der nordisch-germanischen Völkerfamilie, in der die Angelsachsen das große und starke maskuline Element sind, das große und starke, im innersten kerngesunde feminine Element zu sein; und wir sollen die langen, rauhen, bitterbösen Jahre des Leides, aber auch der inneren Läuterung, die uns jetzt bevorstehen, nützen, um uns seelisch zu wandeln, um dahin zu gelangen, wohin wir gelangen müssen, wenn wir nicht wider die Natur sündigen, als großes Volk bestehen und einen gesicherten, würdigen und ehrenvollen Platz in der engeren Völkerfamilie und damit in der Menschheitsfamilie einnehmen wollen. Wir werden auf vieles, was noch gestern unseren Ehrgeiz lockte, wohl verzichten müssen, vor allem auf weitgehende Seegeltung in weltpolitischem Sinne, denn Seefahren und was damit zusammenhängt, ist etwas stark Maskulines; aber da wir ja beileibe nicht etwa das Maskuline in uns. ausrotten, da wir nur an uns arbeiten wollen, daß die Hauptrichtung der nationalen Seele eine mehr feminine werde, braucht darum unseren braven Hanseaten nicht bange, brauchen sie an Deutschland nicht irre zu werden, müssen sie nur begreifen lernen, daß wir unseren Schwerpunkt auf dem Lande suchen müssen, in unserem Mutterboden und der Mütterlichkeit der Seele, die damit so innig verbunden ist; daß wir dagegen zur See und über See mit einer vergleichsweise bescheideneren Rolle werden vorlieb nehmen müssen; einer Rolle, die uns aber, die wir stark daheim und stark in allem sein werden, was bodenständiger Tradition entsprießt, gleichwohl die Möglichkeit ausreichenden, ja behaglichen Seins gewährleisten wird. Denn es ist des Mannes, dem Weibe zu helfen, das ihm Weib ist und ihm Mütterlichkeit gewährt. Und so sehe ich im Geiste den Tag heraufkommen, da die starke angelsächsische Herrenrasse voll verlangenden Sehnens hingezogen werden wird zu innigem Vereine mit einer physisch und seelisch neugestärkten, aber auch aufs neue vermütter-lichten und darum auch wieder im edelsten Sinne seelisch natürlich gewordenen, ihr im besten Sinne gleich wer tigen und sie harmonisch ergänzenden deutschen Rasse; und da auf beiden Seiten vergeben und vergessen sein wird, was hüben und drüben an Bitterkeit sich an gehäuft hat. Das wird der Tag sein, an dem sich das Wort Hindenburgs erfüllen wird, des herrlichsten Helden, der uns allen, in Demut sich selbst bezwingend, vorangegangen ist auf dem Wege seelischer Wandlung, das Wort: „Wer weiß, wozu es gut war . .
Germanenherz aus dem Buch: Der Deutschenhaß, Author: Erwin Stransky (1919).
ergänzend
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